Parlamentskorrespondenz Nr. 514 vom 03.05.2021

Neu im Justizausschuss

Regierungsvorlage zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft

Wien (PK) – Die Europäische Staatsanwaltschaft soll mit 1. Juni 2021 die operative Tätigkeit aufnehmen, wie Justizministerin Alma Zadić im letzten Justizausschuss erläuterte. Eine Regierungsvorlage hat dazu die Umsetzung der diesbezüglichen EU-Verordnung zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-VO) zum Ziel. Zu diesem Zweck soll das Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen werden.

Die Aufgabe der unabhängigen europäischen Behörde ist demnach die Verfolgung von Straftaten, die zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU sind – und zwar entsprechend einer weiteren EU-Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug. Letztere Richtlinie wurde (nach Inkrafttreten der EUStA-VO im November 2017) den Erläuterungen zufolge im Jahr 2019 in nationales Recht umgesetzt. Der EUStA soll für ihren Bereich die Wahrnehmung ihrer Aufgaben für das gesamte Bundesgebiet obliegen.

Außerdem sollen mit der Vorlage Änderungen des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes, des Finanzstrafgesetzes und des Strafgesetzbuches vorgenommen werden. Sichergestellt werden soll auch die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen. Weitere Anpassungen betreffen der Vorlage zufolge Bestimmungen über die gegenseitige Anerkennung und über die strafrechtliche Zusammenarbeit mit Drittstaaten.

Darüber hinaus sollen laut Erläuterungen aufgrund eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission gegen Österreich - und um einigen Kritikpunkten der Kommission zu begegnen - Änderungen bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vorgenommen werden (808 d.B.).

Europäische Staatsanwaltschaft: Zentrale Ebene in Luxemburg, dezentrale in den Mitgliedstaaten

Bisher nehmen laut Vorlage 22 Mitgliedstaaten an der EUStA teil, ohne Irland, Dänemark, Schweden, Ungarn und Polen. Die Behörde gliedert sich in eine zentrale und in eine dezentrale Ebene. Die zentrale Dienststelle in Luxemburg setzt sich aus dem Kollegium und den Ständigen Kammern, der Europäischen Generalstaatsanwältin, ihren Stellvertretern, den Europäischen Staatsanwälten – je einer aus einem teilnehmenden Mitgliedstaat - und dem Verwaltungsdirektor zusammen. Die Aufsicht über die Tätigkeiten obliegt dem Kollegium aus der Europäischen Generalstaatsanwältin und den Europäischen Staatsanwälten der teilnehmenden Mitgliedstaaten.

Die dezentrale Ebene besteht aus den Delegierten Europäischen Staatsanwälten (DEStA), die in den teilnehmenden Mitgliedstaaten angesiedelt sind. Als innerstaatlich handelnde Organe müssen pro Mitgliedstaat mindestens zwei DEStA eingerichtet werden, die auch Aufgaben als nationale Staatsanwälte wahrnehmen können, so die Vorlage. Es wird vorgeschlagen, dass die DEStA bei jeder Staatsanwaltschaft im gesamten Bundesgebiet angesiedelt werden können. Für die örtliche bzw. gerichtliche Zuständigkeit wird vorgeschlagen, an die Zuständigkeit jener Staatsanwaltschaft anzuknüpfen, die nach den allgemeinen Bestimmungen zuständig wäre. Den Erläuterungen zufolge wird die EUStA in Österreich durch zwei DEStA vertreten sein, die ebenso wie die österreichische Europäische Staatsanwältin von der Justizministerin ernannt werden.

Zusammenspiel von Unionsrecht und nationalem Recht

Soweit nationales Recht der EUStA-Verordnung nicht entgegensteht, soll selbiges der Vorlage zufolge - soweit die Aufgaben und Funktion der Staatsanwaltschaft betroffen sind - bis auf definierte Ausnahmen auch auf die EUStA anwendbar sein. Verfahrensrechtlich soll laut Vorlage klargestellt werden, dass die EUStA wie nationale Staatsanwaltschaften vorzugehen hat. Dem zugrunde liegen unter anderem Verpflichtungen nach der EUStA-VO, wonach die DEStA dieselben Befugnisse wie nationale Staatsanwälte haben müssen. Darüber hinaus sei der Zweck weiter Teile des vorgeschlagenen EUStA-DG, die erforderlichen Klarstellungen vorzunehmen und möglichst präzise anzuordnen, welche Teile des bestehenden nationalen Rechts auch in einem von der EUStA geführten Verfahren anzuwenden sind und welche nicht.

Die EUStA habe grundsätzlich keine ausschließliche Zuständigkeit, die Zuständigkeit der EUStA sei aber gegenüber den Zuständigkeiten nationaler Behörden prioritär. Das für nationale Behörden geltende Legalitätsprinzip werde daher im Umfang der Zuständigkeit der EUStA zurückgedrängt, die allerdings ihrerseits einem strengen Legalitätsprinzip unterliege und zur Verfolgung von Taten ausnahmslos verpflichtet sei, heißt es dazu in den Erläuterungen. Ermittlungsverfahren in ihrem Bereich sollen grundsätzlich von der EUStA eingeleitet werden. Etwa im Hinblick auf unaufschiebbare Maßnahmen sollen unter bestimmten Umständen aber auch die nationalen Behörden ein Verfahren einleiten können. Zumal sich die EUStA von nationalen Staatsanwaltschaften vor allem durch ihre Unabhängigkeit unterscheide, sollen in bestimmten Bereichen die Befugnisse der Rechtsschutzbeauftragten für die Verfahren eingeschränkt werden.

Weitere Änderungen betreffen das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz und dienen laut Vorlage vor allem der dienstrechtlichen Umsetzung sowie der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der für die EUStA auf nationaler Ebene tätigen Delegierten Europäischen Staatsanwälte. Mit Änderungen im Strafgesetzbuch soll die EUStA bzw. die für sie handelnden Organe auch in strafrechtlicher Hinsicht einer nationalen Staatsanwaltschaft und ihren Organen gleichgestellt werden.

Zu dieser Regierungsvorlage wurde im Nationalrat ein Fristsetzungsantrag von ÖVP und Grünen mehrheitlich angenommen, der dem Justizausschuss zur Berichterstattung eine Frist bis 18. Mai setzt. (Schluss) mbu