Parlamentskorrespondenz Nr. 545 vom 10.05.2021

Österreichisches Stabilitätsprogramm im Zeichen der Corona-Krise

Finanzminister Blümel legt Fortschreibung für die Jahre 2020 bis 2024 vor

Wien (PK) – Die Fortschreibung des Österreichischen Stabilitätsprogramms 2020 bis 2024 liegt dem Nationalrat vor. Sie beruht laut Erläuterungen auf dem pessimistischeren von zwei Lockdownszenarios des WIFO, welches eine neuerliche pandemiebedingte Schließung des Handels und der personennahen Dienstleistungen im April 2021 berücksichtigt. So verlagere sich der wirtschaftliche Erholungs- und Aufholprozess nach den Rückgängen durch die Corona-Krise stärker ins Jahr 2022. Laut WIFO-Prognose nimmt das reale BIP 2021 um 1,5% und 2022 um 4,7% zu. Nach einem starken Anstieg des BIPs im Jahr 2022 würden sich demnach die Wachstumsraten 2023 und 2024 auf 1,6% und 1,8% belaufen.

Die Zahl der Arbeitslosen soll bis 2024 kontinuierlich auf etwa 329.000 Personen absinken. Die Verbraucherpreise könnten laut WIFO in den Jahren 2021 und 2022 um jeweils 1,8% steigen. Während die nominelle Lohnentwicklung 2021 schwach bleiben soll, werden für diesen Zeitraum steigende Rohstoffpreise erwartet. Im Jahr 2022 werden etwas höhere nominelle Lohnzuwächse durch einen geringeren Anstieg der weltweiten Rohstoffpreise ausgeglichen, so der Bericht. Ab 2023 soll die jährliche Inflationsrate 1,7% betragen.

Bis 2024 soll der kurzfristige Zins auf 0,1%, der langfristige Zinssatz auf 0,8% ansteigen. In beiden WIFO-Szenarien seien die Effekte des Aufbau- und Resilienzplans (ARP) nur zu etwa einem Drittel berücksichtigt (III-306 d.B.).

Entwicklungen am Finanzsektor durch die Corona-Krise

Trotz der schweren wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Pandemie zeigten sich die Finanzmärkte dem Bericht zufolge relativ resilient; nur zu Pandemie-Beginn kam es zu deutlichen Kursverlusten. Stark expansive Maßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik konnten demnach die Finanzmärkte stützen. Zu den negativen Konjunktur- und Stabilitätsrisiken zählen weitere COVID-19-Infektionswellen und Virusmutationen, ansteigende Verschuldung in privaten und öffentlichen Sektoren, Störungen der globalen Lieferketten, permanenter Anstieg der Arbeitslosenquote, mögliche Inflationsrisiken, Korrekturen bei überbewerteten Vermögenswerten und Handelsfriktionen.

Der ATX verzeichnete im Jahr 2020 insgesamt einen Kursverlust von -13%. Mit Ende März 2021 notierte der ATX laut Bericht wieder in etwa auf dem Niveau vom Februar 2020. Die drei größten Ratingagenturen bewerten dem Bericht zufolge die Bonität der Republik Österreich weiterhin mit der zweitbesten Note AA+ (Standard & Poor’s, Fitch) bzw. Aa1 (Moody’s). Der Ausblick sei bei allen drei Agenturen stabil.

COVID-19: Wirtschaftspolitische Maßnahmen und ihre Effekte, Aufbau- und Resilienzfazilität

Der Bericht enthält auch einen Überblick über die zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krise. So habe etwa die Corona-Kurzarbeit im Jahr 2020 bis zu 1,2 Mio. Arbeitsverhältnisse gesichert. Dementsprechend sei der Rückgang bei der aus budgetärer Sicht relevanten gesamtwirtschaftlichen Lohn- und Gehaltssumme mit -1,8% gegenüber 2019 im Vergleich zum BIP-Rückgang moderat gewesen. Auch die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2020 fiel dem Bericht zufolge sehr niedrig aus – gegenüber 2019 habe es gemäß vorläufiger Zahlen einen Rückgang von knapp 38% gegeben. Daneben sei mit weiteren wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen wie der Senkung der ersten Stufe der Einkommensteuer, dem Kinderbonus, der zwei Einmalzahlungen zur Unterstützung von Arbeitslosen oder dem Corona-Familienhärteausgleich dem Einbruch des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte gegengewirkt worden und betrage laut WIFO-Prognose vom März 2021 real -2,2% im Jahr 2020.

Der österreichische Aufbau- und Resilienzplan (ARP) mit Einreichung bei der EU lege mit einem Volumen von rund 4,5 Mrd. € den Fokus auf den grünen und digitalen Wandel und übertreffe hierbei deutlich die Mindestausgabenvorgaben der entsprechenden EU-Verordnung. Zusätzlich gebe es Schwerpunkte im Bereich Bildung/Wissenschaft, internationale innovative Projekte im Bereich Wasserstoff und Mikroelektronik, Gesundheitsversorgung und Regionalentwicklung.

Wirtschafts- und budgetpolitische Herausforderungen und Strategien

Grundsätzlich werde es dem Bericht zufolge vor dem Auslaufen der diversen Corona-Hilfsmaßnahmen Evaluierungen und genaue Abwägungen geben, insbesondere zu Steuerstundungen und zur Corona-Kurzarbeit. Es gelte, eine krisenbedingte Insolvenzwelle zu verhindern und andererseits die Gefahr einer Überförderung zu vermeiden. Bei sich bessernder epidemiologischer Lage werde in den nächsten Monaten ein verstärktes Augenmerk auf konjunkturbelebende und aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gelegt werden. Im Einklang mit den Leitlinien des "Next Generation EU"-Pakets fuße der "Comeback-Plan für Österreich" auf den drei tragenden Säulen Klimaschutz, Digitalisierung und Arbeitsmarkt. In diesem Zusammenhang wird unter anderem die Investitionsprämie als Maßnahme hervorgehoben.

Der Schwerpunkt der öffentlichen Investitionen werde in den nächsten Jahren primär in den Bereichen Klimaschutz und Erneuerbare Energien, öffentlicher Verkehr und Digitalisierung liegen. Eine zentrale Bedeutung habe etwa das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz mit Investitionsförderungen von 1 Mrd. € pro Jahr bis 2030.

Im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik sei die Corona-Joboffensive beschlossen worden, für die laut Bericht im Zeitraum 2020 bis 2022 zusätzlich 700 Mio. € zum bestehenden Förderbudget des Arbeitsmarktservice (AMS) zur Verfügung gestellt werden. Für Jugendliche und jugendliche Erwachsene werden demnach im Rahmen der Ausbildungsgarantie ausreichend Plätze in einer überbetrieblichen Lehrausbildung angeboten. Mit Bezug auf das Abgabensystem bzw. das Förderwesen werde sowohl an einer CO2-Bepreisung als auch an einer Reform klimaschädlicher Subventionen gearbeitet. Ebenso bleibe insbesondere eine Reform der Langzeitpflege auf der Agenda der Bundesregierung.

Rückkehr auf Pfad einer fallenden Schuldenquote ab 2022

Gemäß aktueller Planung werde die Schuldenquote am Höhepunkt Ende 2021 über dem bisherigen Höchstwert von 84,9% des BIP Ende 2015, aber weiterhin unter 90% des BIP liegen. Ungeachtet weiterhin negativer gesamtstaatlicher Maastricht-Salden werde dann ab 2022 die Rückkehr auf einen Pfad einer kontinuierlich fallenden Schuldenquote angestrebt.

Was den Budgetvollzug betrifft, kommt es dem Bericht zufolge in Summe auf gesamtstaatlicher Ebene 2020 zwar zu einem Rückgang der Einnahmen von 5,8% gegenüber dem Jahr 2019. Die Staatseinnahmenquote sinkt allerdings aufgrund des Einbruchs des nominellen BIP nur um 0,2 Prozentpunkte auf 49% des BIP. Gegenüber 2019 komme es 2020 zu einem gesamtstaatlichen Ausgabenwachstum von rd. 12,6%.

Unter Heranziehung der aktuellen Einschätzung der Inanspruchnahme und Ausschöpfung der Corona-Unterstützungsmaßnahmen wird für 2021 ein gesamtstaatlicher Nettofinanzierungssaldo von -32,3 Mrd. € oder -8,4 % des BIP erwartet. Das Maastricht-Ergebnis der Bundesebene werde sich ab 2022 kontinuierlich verbessern, aber infolge der zahlreichen Maßnahmen zur Unterstützung der Konjunktur und der klimafreundlichen und digitalen Transformation der Wirtschaft negativ bleiben. Für die Landes- und Gemeindeebene sowie für den SV-Sektor wird von einer schrittweisen Rückkehr zu den vor der COVID-19-Krise erzielten Salden ausgegangen.

Der Bericht führt unter anderem auch eine Reihe institutioneller Faktoren sowie Sensitivitätsszenarien auf Basis historischer BIP-Wachstumsraten bis 2024 an. (Schluss) mbu