Parlamentskorrespondenz Nr. 602 vom 20.05.2021

Nationalrat verlängert Übergangsregelung für Arbeitszeit von SpitalsärztInnen

Abgeordnete sprechen sich außerdem für zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung aus

Wien (PK) – Der Nationalrat hat heute eine Verlängerung der Übergangsregelung für die Arbeitszeit von ÄrztInnen und Gesundheitspersonal in Spitälern beschlossen. Bereits 2014 wurde die maximale Wochenarbeitszeit auf Druck der EU verkürzt, es gab jedoch eine Übergangsregelung bis Juni 2021, durch die eine Überschreitung möglich war. Diese wurde nun mehrheitlich bis 2028 verlängert. Arbeitsminister Kocher bezeichnete die Verlängerungen - wie die ÖVP- und Grünen-Abgeordneten - als guten Kompromiss, der notwendig sei, um die Versorgung zu gewährleisten. Die Opposition kritisierte jedoch den Umgang mit dem Gesundheitspersonal und die lange Dauer, bis eine EU-Richtlinie umgesetzt werde.

Einigkeit herrschte wiederum bei dem Ziel, eine zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Eine entsprechende Entschließung für einen solchen "One-Stop-Shop" wurde einstimmig angenommen.

Ein im Zuge der Debatte von der SPÖ eingebrachter Entschließungsantrag zur Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen sowie ein Entschließungsantrag der FPÖ für eine zeitliche Befristung der Umsetzung für den "One-Stop-Shop" blieben in der Minderheit.

Arbeitszeiten von SpitalsärztInnen: Übergangsregelung wird bis 2028 verlängert

Im Jahr 2014 hat Österreich die Arbeitszeitregelungen für SpitalsärztInnen und anderes Gesundheitspersonal in Krankenhäusern auf Druck der EU auf neue Beine gestellt. Überlange Wochenarbeitszeiten und Bereitschaftsdienste wurden schrittweise zurückgefahren. Allerdings ist es bei einer entsprechenden Betriebsvereinbarung und ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen nach wie vor möglich, die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden zu überschreiten. Bis zu 55 Stunden kann die Arbeitszeit demnach im Wochenschnitt betragen, wenn darunter auch Bereitschaftsdienste vor Ort fallen. Die mehrheitlich beschlossene Novelle zum Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz sieht nun vor, diese Übergangsregelung ("Opt-out"), die eigentlich im Juni 2021 ausgelaufen wäre, zu verlängern. Konkret wird die 55-Stunden-Regelung noch bis Ende Juni 2025 gelten. Danach bleibt für weitere drei Jahre – bis Ende Juni 2028 – eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von bis zu 52 Stunden erlaubt. Am ausdrücklichen Zustimmungsrecht der Betroffenen ändert sich nichts.

Arbeitsminister Martin Kocher bezeichnete die Novelle als guten Kompromiss. Diese Lösung sei notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. In vielen von den Bundesländern betriebenen Spitälern herrsche nämlich ein Mangel an ÄrztInnen. Kocher betonte, dass dieser Kompromiss auch von den Ländern und der Ärztekammer begrüßt werde.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein meldete sich zu Wort, obwohl die Regelung nicht in sein Ressort fällt, weil es ihn emotional betreffe, wie er ausführte. Wenn die Arbeitszeitrichtlinie der EU aus dem Jahr 2003 sofort umgesetzt worden wäre, hätte er sich nämlich die 80-Stunden-Wochen in seinem Turnus erspart. "Das war keine lustige Zeit", sagte er. Dennoch betonte auch er, dass es diese Verlängerung derzeit brauche, weil in einigen Bundesländern das System nicht umgestellt worden sei. Dass die Wochenarbeitszeit in vier Jahren auf 52 Jahre heruntergesetzt wird, sei aber als klares Signal für die Länder und Spitalsträger zu verstehen.

Mit Josef Smolle und Werner Saxinger (beide ÖVP) meldeten sich zwei weitere Ärzte zu Wort. Smolle betonte, dass es sich bei der Regelung um eine freiwillige Möglichkeit für die ÄrztInnen handle, die nur mit Betriebsvereinbarung und individueller Zustimmung geboten werde. Es handle sich um einen ausgewogenen Vorschlag, der das umsetze, was gesellschaftlich nötig sei. Saxinger bezeichnete die Novelle als "gelungenen Spagat". Michael Hammer (ÖVP) betonte, man könne nicht so tun, als gäbe es die Notwendigkeit nach den höheren Wochenarbeitszeiten nicht. Daher brauche es die Lösung als Kompromiss. Auch Ralph Schallmeiner (Grüne) war es wichtig, zu betonen, dass es sich um einen Kompromiss handle. Ohne die längere Arbeitszeit könne man vor allem in der Periphere keine durchgängige Versorgung gewährleisten, sagte er. Schallmeiner zog die Bundesländer in die Verantwortung: "Die Länder haben geschlafen", sagte er mit Blick auf die lange Übergangsregelung, die nun noch einmal verlängert wird.

Klare Kritik äußerte Christian Drobits (SPÖ). Er erinnerte an das Klatschen und den Dank für das Gesundheitspersonal für die Leistungen während der Pandemie. "Warum sagen Sie nur Danke und schützen diese Gruppen nicht?", fragte er in Richtung der Regierungsfraktionen. Das Gesundheitspersonal sei jetzt schon erschöpft. Die Lösung könne nicht sein, es körperlich und emotional auszubeuten, so Drobits, der sich für eine Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitsbereich aussprach. Er brachte daher einen Entschließungseintrag ein, mit dem er Verbesserungen in der Ausbildung und bei den Arbeitsbedingungen von Gesundheitspersonal forderte. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

Für Gerhard Kaniak (FPÖ) ist die Novelle ein Beispiel für die Reformunwilligkeit im österreichischen Gesundheitswesen. Man habe zudem nicht bedacht, dass man damit schlechtere Arbeitsbedingungen als in anderen Ländern schaffe. Das mache den Beruf weniger attraktiv und trage zum Ärztemangel bei, so Kaniak. Gerald Loacker (NEOS) machte auf die lange Dauer der Übergangsregelung aufmerksam. Die EU-Richtlinie sei 2003 beschlossen worden, Österreich brauche 22 Jahre, um sie umzusetzen, kritisierte er.

Abgeordnete einstimmig für zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung

Einhellig beschlossen wurde ein ÖVP-Grünen-Entschließungsantrag für zentrale Ansprechstellen für Menschen mit Behinderung. Sozialminister Wolfgang Mückstein wird ersucht, gemeinsam mit den Ländern, den Sozialversicherungen und dem Arbeitsmarktservice (AMS) die notwendigen Schritte zu setzen, damit Menschen mit Behinderung künftig jeweils "One-Stop-Shops" für die Bereiche Hilfsmittel und Heilbehelfe, Beratung, Begleitung und Betreuung sowie persönliche Assistenz zur Verfügung stehen. Ebenso ist den Abgeordneten eine zentrale Ansprechstelle an der Schnittstelle AMS, Sozialministeriumservice, Länder und Sozialversicherung ein Anliegen.

Mückstein bezeichnete den Antrag als wesentlich. Die Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung seien derzeit zersplittert, kompliziert und unübersichtlich. Das erschwere diesen Menschen eine gesellschaftliche Teilhabe. Es sei ihm daher ein großes Anliegen, dass es in Zukunft eine Anlaufstelle gebe. Derzeit werden Synergien evaluiert, im Herbst beginne man mit Abstimmungen mit den zuständigen Stellen, bei denen auch die Communities integriert werden, so der Sozialminister.

Wie kompliziert der Antrag für Unterstützungsleistungen sein kann, zeigte Heike Grebien (Grüne) anhand eines Beispiels auf, bei dem für ein Hilfsmittel fünf verschiedene Anträge zu stellen waren und der Prozess elf Monate gedauert hat. Mit dem Antrag gehe man nun einen Schritt in die richtige Richtung, um den Zugang zu Leistungen für Menschen mit Behinderungen zu vereinfachen. Die Zielsetzung sei ein möglichst einfacher, wohnortnaher, niederschwelliger und inklusiver "One-Stop-Shop". Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) zeigte sich ebenfalls erfreut über den Antrag, denn es sei ein Ziel der Regierung, dass Inklusion als gleichwertiges Miteinander in der Gesellschaft selbstverständlich werde. Ein wichtiger Teil dafür sei die Einrichtung eines "One-Stop-Shops". Martina Diesner-Wais (ÖVP) zeigte sich überzeugt, dass Bürokratie keine zusätzliche Barriere darstellen dürfe.

Verena Nussbaum (SPÖ) drückte ihre Zustimmung aus, betonte aber, sie hätte sich ein konkretes Konzept gewünscht. Es sei nämlich an der Zeit, das zersplitterte System rasch zu überarbeiten. Auch für ältere Menschen wäre eine zentrale Anlaufstelle zu Unterstützungsleistungen notwendig, gab sie zu bedenken. Fiona Fiedler (NEOS) begrüßte den Antrag ebenfalls, merkte aber an, dass dies langfristig nur der erste Schritt sein könne. Sie vertraue bei dem Thema auf die Regierungsparteien, sagte sie. Was ihr aber fehle, sei die Einbindung der Interessensvertretungen. Christian Ragger (FPÖ) meinte, es sei an der Zeit, den Menschen eine Dienstleistung aus einer Hand anzubieten und sprach sie für Versuche in einem Bundesland als ersten Schritt aus. Er wollte mit einem in der Debatte eingebrachten Entschließungsantrag eine zeitnahe Umsetzung erwirken und die Forderungen bis Jahresende umgesetzt wissen. Der Antrag blieb jedoch in der Minderheit. (Fortsetzung Nationalrat) kar

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