Parlamentskorrespondenz Nr. 612 vom 21.05.2021

Kurswechsel der EU: Regionen besser einbinden

Bundesratspräsident Buchmann fordert auf Tagung der EU-Ausschüsse des Bundesrates und der Länder mehr Mitsprache der Regionen in der EU

Wien (PK) – "Entgegen den Wünschen unserer Bürgerinnen und Bürger hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren in der Europäischen Union ein Paradigmenwechsel hin zu mehr europäischem Zentralismus vollzogen", hielt Bundesratspräsident Christian Buchmann heute anlässlich der Tagung der EU-Ausschüsse des Bundesrates und der Länder fest, zu welcher er unter dem Titel "Bundesrat im Bundesland" gemeinsam mit der steirischen Landtagspräsidentin Manuela Khom ins Grazer Landhaus eingeladen hatte.

"Das Subsidiaritätsprüfungsverfahren wurde ausgehöhlt, indem anstelle von Richtlinien, die der Subsidiaritätsprüfung unterliegen, immer mehr Verordnungen ohne Mitwirkungsrechte der nationalen und regionalen Parlamente erlassen wurden. Die gleiche Entwicklung ist bei den delegierten Rechtsakten zu beobachten. Auch sie unterliegen nicht dem Subsidiaritätsprüfungsverfahren", erklärte Buchmann weiter.

Der Präsident der Länderkammer präsentierte auf der von ihm initiierten Tagung, die erstmals in dieser Zusammensetzung stattfand, die "Erklärung von Graz", die laut Buchmann "Auftakt ist zu einem Prozess, einen Beitrag zur Konferenz zur Zukunft Europas zu leisten". Der Bundesratspräsident fordert in diesem Zusammenhang: "Entscheidungen, die für die Bürgerinnen und Bürger besser auf regionaler Ebene getroffen werden können, sind föderal unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit der angewandten Mittel zu treffen. Die Länder und Regionen sind besser in den europäischen Rechtssetzungsprozess einzubinden."

Buchmann hielt zudem fest: "Der Bundesrat sieht sich als Zukunfts- und Europakammer des Parlaments besonders verpflichtet, einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Europäischen Union zu leisten. Europa muss wieder stärker die Regionen und Städte im Blick haben. Mit dieser Tagung leisten wir einen konstruktiven Beitrag zur Konferenz zur Zukunft Europas, die die europäische Demokratie weiterentwickeln und lokale sowie regionale Gebietskörperschaften wieder besser in den europäischen Rechtsetzungsprozess einbeziehen soll. Der heutige Austausch über Fragen zu Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit wird es uns ermöglichen, im europäischen Rechtsetzungsprozess künftig noch zielgerichteter agieren zu können".

Landtagspräsidentin Manuela Khom bekräftigte die Wichtigkeit der Einbeziehung regionaler Parlamente: "Ein wichtiger Schlüssel für die weitere positive Entwicklung der EU wird das richtige Maß an Mitbestimmung der einzelnen Mitgliedstaaten und ihrer Länder sein, die ihre einzelnen Regionen mit all ihren Begebenheiten nur zu gut kennen. Denn um die Stärken einer vielfältigen Europäischen Union nutzen zu können muss man sich über die Individualitäten ihrer Mitglieder bewusst sein." In diesem Zusammenhang betonte Khom die wichtige Arbeit der LandtagspräsidentInnenkonferenz und hob den stets konstruktiven Austausch der Parlamentsvorsitzenden hervor, welche im Februar dieses Jahres ebenfalls eine gemeinsame Erklärung zur Konferenz zur Zukunft Europas abgaben.

EU-Kommissar Johannes Hahn dankte den Mitgliedern der EU-Ausschüsse des Bundesrates und der Länder für ihre intensive Beschäftigung mit Europa und hob insbesondere die Bedeutung der Regionen in der Umsetzung des Wiederaufbaufonds hervor: "Die große Herausforderung besteht vor allem darin, dieses Geld in kurzer Zeit sinnvoll und nachhaltig einzusetzen, insbesondere in den Bereichen Forschung und Entwicklung." Hahn trat zudem für mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Förderung gemeinsamer Projekte ein. "Da würde ich mir europaweit noch mehr Initiativen wünschen", sagte der EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung.

Mehr Föderalismus und mehr Mitspracherechte für die Regionen begrüßte auch der Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz Hermann Schützenhöfer: "Das Europa der Regionen ist auch das Rückgrat unserer Europäischen Union. Ein starkes Europa muss daher auf allen Ebenen vernetzt sein. Mit der Tagung der EU-Ausschüsse der Landtage und des Bundesrates steht die Weiterentwicklung der europäischen Demokratie einmal mehr im Mittelpunkt. Das grundlegende Prinzip des Föderalismus steht auch in der katholischen Soziallehre: Was die kleinere Einheit selbst regeln kann, darf die größere nicht an sich reißen. Mehr Mitspracherecht für die Regionen bedeutet daher auch mehr Bürgernähe der Europäischen Union als Gesamtes. Ein absolut begrüßenswerter Ansatz, wenn man bedenkt, dass doch für viele die Europäische Union oft als hunderte Kilometer entfernte überbürokratische Einrichtung erscheint. Mit einer stärkeren Einbindung der Regionen wird die Europäische Union in ihrer Gesamtheit und ihrer Vielfalt weiter gestärkt." (Schluss) red

Fotos zur Tagung finden Sie hier: www.landtag.steiermark.at/Fotos

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