Parlamentskorrespondenz Nr. 618 vom 25.05.2021

NR-Präsident Sobotka im virtuellen Gespräch mit belgischer Amtskollegin Eliane Tillieux

Gedankenaustausch mit der Präsidentin der belgischen Abgeordnetenkammer über Corona-Situation und EU-Erweiterungsprozess

Wien (PK) – In einem weiteren pandemiedingt virtuell stattgefundenen Arbeitsgespräch tauschte sich heute Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit seiner belgischen Amtskollegin Eliane Tillieux aus. Neben aktuellen Entwicklungen in der Corona-Pandemie standen der EU-Erweiterungsprozess in den Westbalkanländern sowie die Sicherheit der Parlamente und das Vorgehen gegen den aufkommenden Antisemitismus im Mittelpunkt der Videokonferenz.

COVID-19: Impffortschritt in Belgien und Österreich in etwa gleich auf

Zentrales Thema des Austausches war die aktuelle Lage der COVID-19-Pandemie in beiden Ländern. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bezeichnete die Impfung als den erhofften "Game-Changer" in der Pandemie und interessierte sich für den Impffortschritt sowie die Position Belgiens zum "Grünen Pass". Was die Impfungen betrifft, stellten beide PräsidentInnen fest, dass Österreich und Belgien aktuell auf etwa gleichem Niveau liegen. Laut Eliane Tillieux haben in Belgien rund 40% der impfbaren Bevölkerung die erste Impfdosis erhalten, etwa 15% haben bereits beide Impfungen bekommen. Die ersten Monate der Pandemie seien vor allem in den Alten- und Pflegeheimen schwierig gewesen, nach einem koordinierten Eingreifen im ganzen Land habe sich die Situation jedoch deutlich gebessert, informierte Tillieux. Auch in Belgien habe man in den letzten Wochen zahlreiche Öffnungsschritte gesetzt, Homeoffice sei jedoch weiterhin die Regel.

In Bezug auf den "Grünen Pass" betonte die Präsidentin der belgischen Abgeordnetenkammer, dass auch Belgien weitere Erleichterungen forcieren wolle, der Premierminister werde dazu in Kürze die belgische Position erläutern. Tillieux erwähnte zudem, dass es in der belgischen Gesellschaft eine Debatte gebe, in wie weit es bei der Einführung des "Grünen Passes" zur Diskriminierung von nicht geimpften Personen komme.

Ebenfalls Gesprächsthema war die coronabedingte Änderung der Arbeitsweise in beiden Parlamenten. Sobotka informierte über die Einführung von Abstandsregeln und der Maskenpflicht im Hohen Haus. In Belgien habe man die Teilnahme an Ausschusssitzungen aus der Ferne ermöglicht, auch bei Plenarsitzen seien prinzipiell Fernabstimmungen möglich, erläuterte seine Amtskollegin. Zudem könnten pandemiebedingt nur maximal 39 der 150 Abgeordneten zugleich im Plenarsaal anwesend sein.

Auch debattierten die beiden Parlamentspräsidenten über die Rolle Belgiens als Hauptstandort der europäischen Covid-19-Impfstoffproduktion. Tillieux erläuterte dazu, dass belgische Gesetze novelliert wurden, um den Export von Covid-19-Impfstoffen aus belgischen Werken mit zeitgemäßen Gesetzen regulieren zu können. Sobotka dankte Tillieux, dass Belgien einen verlässlichen juristischen Rahmen für die Impfstoffproduktion und den Impfstoffexport gewährleiste und damit einen wesentlichen Beitrag zur Impfstoffversorgung aller EU-Mitgliedsstaaten liefere.

Sobotka zu EU-Erweiterungsprozess: "Kein Verständnis für Veto Bulgariens"

Was den EU-Erweiterungsprozess mit den Westbalkanländern betrifft, stellte Sobotka fest, dass er kein Verständnis für das angedrohte Veto Bulgariens zur Aufnahme Nordmazedoniens habe. Es gehe darum, den Ländern des Westbalkans positive Beitrittssignale zu senden, sonst drohe Europa, seinen Einfluss in dieser Region zu verlieren. Der Nationalratspräsident verwies in diesem Zusammenhang etwa auf die "Impfdiplomatie" Russlands und Chinas. Der Westbalkan stelle eine Schwerpunktregion Österreichs und des Parlaments im Sinne einer Heranführung an die EU dar, so der Nationalratspräsident. Er nannte etwa das Westbalkan-Stipendienprogramm für ParlamentsmitarbeiterInnen, aber auch die Implementierung der Demokratiewerkstatt in Albanien, Nordmazedonien, dem Kosovo und Montenegro als Beispiele für Kooperationen. Auch Belgien sei für den EU-Beitritt der Länder des Westbalkans, es gebe jedoch aus ihrer Sicht noch große Anstrengungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung der Europäischen Werte zu erfüllen, unterstrich Eliane Tillieux.

Entschlossenes Vorgehen gegen Antisemitismus nötig

Große Übereinstimmung orteten beide PräsidentInnen hinsichtlich der Notwendigkeit, entschlossen gegen Antisemitismus vorgehen zu müssen. Österreich habe aufgrund seiner Geschichte hier eine besondere Rolle, betonte der Nationalratspräsident. Sobotka lud das belgische Parlament ein, im nächsten Jahr Teil der weltweiten Gedenkkampagne "We-Remember"-Kampagne zu werden, um ein klares Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Die Erinnerungskultur liege auch ihr sehr am Herzen, da es immer noch "offene Wunden" in der Gesellschaft gebe, so Tillieux.

Ein weiterer Gesprächspunkt war das Thema der Sicherheit in und rund um Parlamentsgebäude. Beide GesprächspartnerInnen orteten ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, auch ausgelöst durch die coronabedingte Zunahme und Vermischung von radikalen Positionen. Das österreichische Parlament wolle auch deshalb die Parlamentssicherheit auf neue Beine stellen, wobei Sobotka auf ein Abkommen des Parlaments mit dem Innenministerium verwies. In Belgien habe sich die Kombination aus verstärkten Kontrollen durch die Militärpolizei bei den Eingängen sowie das System der "neutralen Zone", mit einem Demonstrationsverbot rund um das Parlamentsgebäude, bewährt, informierte Tillieux. (Schluss) med

HINWEIS: Fotos von diesem virtuellen Treffen finden Sie auf der Website des Parlaments.