Parlamentskorrespondenz Nr. 652 vom 31.05.2021

Öffentliche Verwaltung: Volksanwaltschaft verzeichnet 2020 Beschwerdeplus

Über ein Viertel der Prüfverfahren betreffen Bereiche Soziales und Gesundheit

Wien (PK) – Der Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2020 liegt vor. Er umfasst erstmals drei Bände, zwei davon beschäftigen sich, wie auch bisher, mit der Kontrolle der öffentlichen Verwaltung und der präventiven Menschenrechtskontrolle (III-224 d.B. und III-750-BR/2021 d.B.), der zusätzliche dritte Band widmet sich schwerpunktmäßig der volksanwaltschaftlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit COVID-19-Maßnahmen.

2020 erreichten die Volksanwaltschaft rund 18.000 Beschwerden – 2019: 16.600 –, in 8.777 Fällen oder 49% leitete sie ein formelles Prüfverfahren ein. Davon betrafen 5.937 die Bundesverwaltung und 2.840 die Landes- und Gemeindeverwaltung. In 3.938 Fällen waren keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Missstand in der Verwaltung gegeben, 5.199 Beschwerden lagen außerhalb des Prüfauftrages der Volksanwaltschaft. In all diesen Fällen wurden Informationen zur Rechtslage zur Verfügung gestellt und Auskunft über weitergehende Beratungsangebote gegeben.

Im Berichtsjahr wurden insgesamt 9.846 Prüfverfahren abgeschlossen, in 1.346 wurde ein Missstand in der Verwaltung festgestellt, insofern waren etwa 14% aller Beschwerden berechtigt. In 3.712 Fällen konnte die Volksanwaltschaft keinen Grund der Beanstandung erkennen, in 4.788 Fällen wiederum war sie nicht zuständig. Auf Grundlage der Bundesverfassung ist es der Volksanwaltschaft möglich, amtswegige Prüfverfahren einzuleiten, von dieser Möglichkeit machte sie 2020 110 Mal Gebrauch.

Corona-Krise verstärkte bestehende Schwächen im System

Viele der Beschwerden, die 2020 bei der Volksanwaltschaft einlangten, hatten, wenngleich auch nicht direkt, so doch mittelbar einen Bezug zur Corona-Pandemie: Aufgrund der Krisensituation haben Verzögerungen bei der Bearbeitung oder die Ablehnung von Anträgen auf staatliche Leistungen die Situation von Familien oder Einzelpersonen, die sich ohnehin in einer prekären Lage befinden, weiter verschärft, heißt es im Bericht. Bereits bestehende Schwächen im System haben sich verschlechtert, dazu zählen Engpässe im Pflege- und Gesundheitsbereich, unzureichende Ressourcen im Strafvollzug oder überlange Verfahren im Asylbereich.

Meiste Prüfverfahren betreffen Bereich Soziales und Gesundheit

Knapp über ein Viertel aller Prüfverfahren der Volksanwaltschaft auf Bundesebene betrafen 2020 den Bereich Soziales und Gesundheit. Dabei verzeichnete man laut Bericht in Angelegenheiten der Krankenversicherung als auch in Gesundheitsangelegenheiten einen Beschwerderekord. Der übermäßige Anstieg an Beschwerden in Gesundheitsangelegenheiten (2019: 116, 2020: 545) sei auf die COVID-19-Maßnahmen zurückzuführen; er wird im gesonderten Berichtsband eingehend behandelt.

Inhalt vieler Beschwerden in Bezug auf die Krankenversicherung sei das trotz Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen nach wie vor unterschiedliche Leistungsniveau für Versicherte der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Als Beispiel wird im Bericht die Höhe der Kostenerstattung im Rahmen der Sachleistungsversorgung genannt, die abhängig vom Beschäftigungs- bzw. Wohnort der Versicherten sei. Als Folge des Prüfverfahrens der Volksanwaltschaft hat die ÖGK darauf hingewiesen, dass sich der Abschluss bundesweit einheitlicher Gesamtverträge als schwierig gestalte, aber zugesichert, sich im Interesse der Versicherten um eine möglichst rasche Leistungsharmonisierung zu bemühen.

1.221 Prüfverfahren wurden 2020 aufgrund von Beschwerden über die Justiz eingeleitet, das entspricht einem Anteil von 20,6%. Zu den häufigsten Beschwerdegründen im Bereich Justiz zählte die Dauer von Gerichtsverfahren sowie der Straf- und Maßnahmenvollzug. Vielfach thematisiert wurden auch Fragen im Zusammenhang mit dem Datenschutzgesetz und der Datenschutz-Grundverordnung. Ein Anteil von 19,2% aller Verfahren, das entspricht 1.137 Prüfverfahren, entfiel auf den Bereich Inneres, so der Bericht. Den Großteil davon machten Beschwerden betreffend das Fremden- und Asylrecht sowie die Polizei aus. So ist beispielsweise die Anzahl der Beschwerden über Aufenthaltstitelverfahren stark gestiegen. Beschwerdegründe im Hinblick auf die Arbeit der Polizei waren unter anderem die Nichtentgegennahme von Anzeigen, mangelhafte Ermittlungen bzw. Hilfeleistungen und Untätigkeit.

Neben der Bundesverwaltung kontrolliert die Volksanwaltschaft in sieben Bundesländern auch die Landes- und Gemeindeverwaltung – Tirol und Vorarlberg haben eigene Landesvolksanwaltschaften. In der Landes- und Gemeindeverwaltung wurden 2020 2.840 Prüfverfahren durchgeführt, auch dabei lag der inhaltliche Schwerpunkt mit 26,6% der Fälle auf Beschwerden betreffend Sozial- und Gesundheitswesen, in 21,7% der Fälle gaben Raumordnung, Wohn- und Siedlungswesen sowie Baurecht Anlass zur Beschwerde.

382 neue Anträge auf Gewährung einer Heimopferrente

Die Heimopferrente nahm, wie in den Jahren zuvor, auch 2020 einen zentralen Bereich in der Arbeit der Volksanwaltschaft ein. Seit Einsetzung der unabhängigen Rentenkommission in der Volksanwaltschaft im Jahr 2017 wurden 1.000 Anträge auf Gewährung einer Heimopferrente gestellt, 382 entfielen auf das Jahr 2020. Dazu wurden etwa 900 Anfragen – größtenteils mündlich, aber auch schriftlich – im Zusammenhang mit dem Heimopferrentengesetz (HOG) und Fragen der Antragstellung, des Verfahrensablaufs oder der Auszahlung der Rente beantwortet; bei 20% davon wurde ein Prüfverfahren eingeleitet, ein Drittel der Beschwerden wurde als berechtigt eingestuft.

299 Anträge auf Gewährung einer Heimopferrente wurden im Jahr 2020 durch Beschlüsse der Volksanwaltschaft, die dabei den Empfehlungen der Rentenkommission folgte, abgeschlossen, davon wurden 279 befürwortet, zwei zurückgestellt und 18 abgelehnt. Die Gründe für die Ablehnungen waren, dass beispielsweise keine Unterbringung nach dem HOG festgestellt oder das Gewaltvorbringen als nicht glaubwürdig beurteilt wurde.

Die Rentenkommission veranlasste im Berichtsjahr zudem eine Erhebung bei allen Opferschutzstellen, die ergab, dass die Voraussetzungen für Entschädigungen in Österreich unterschiedlich geregelt sind: zum Teil werden Zeiträume für relevante Gewaltdelikte eingeschränkt, es werden nicht alle Einrichtungen berücksichtigt, manche Opferschutzstellen gewähren Entschädigungen für Gewalt außerhalb einer Unterbringung, andere nicht, Therapiekosten wurden von den meisten Opferschutzstellen in unterschiedlichem Ausmaß übernommen, von einigen wenigen nicht.

Empfehlungen als Chancen für Verbesserung

Anhand durchgeführter Prüfverfahren zeigt der Bericht der Volksanwaltschaft Schwachstellen und Fehlentwicklungen in der Verwaltung auf, die eine Grundlage für legislative Anregungen für alle Behörden, Ämter und Dienststellen, die mit dem Vollzug der Bundesgesetze beauftragt sind, bieten sollen. Die Beschreibung von Missständen soll aber auch helfen, so der Bericht, die Sensibilität der Verwaltung für eine korrekte und bürgerorientierte Anwendung der Gesetze zu erhöhen. (map)