Parlamentskorrespondenz Nr. 747 vom 17.06.2021

Qualitätssicherung und Patientensicherheit im Mittelpunkt des Ärztegesetzes und des Medizinproduktegesetzes

Nationalrat will auch neue Gentechniken strikten Regeln unterwerfen

Wien (PK) – Der Gesundheitsausschuss hat dem Nationalratsplenum neben den Neuerungen und der Fortführung von Maßnahmen im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie auch einige andere Gesetzesmaterien vorgelegt. So stimmten die Abgeordneten über Änderungen im Ärztegesetz ab, die die Ärzteliste, die Ausbildung und die Qualitätssicherung betreffen. Anpassungen gab es darüber hinaus im Apothekerkammergesetz, unter anderem mit näheren Bestimmungen zur Schlichtungskommission.

Die Novelle zum Medizinproduktegesetz dient vor allem der Erhöhung der Sicherheit von Medizinprodukten. Mittels eines Entschließungsantrags drängen die Abgeordneten auf eine unverzügliche Information von PatientInnen durch Gesundheitseinrichtungen oder ÄrztInnen, wenn Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit einem Implantat bestehen.

Das In-vitro-Fertilisation-Fonds-Gesetz trägt dem Brexit Rechnung. Die Änderungen im Gentechnik-Gesetz bringen Anpassungen an das EU-Recht, wobei hier vor allem die Transparenz der Risikobewertung im Fokus steht. In einem angenommenen Entschließungsantrag spricht sich der Nationalrat dafür aus, auch neue Gentechnik-Verfahren den geltenden gesetzlichen Bestimmungen, wie z.B. der Kennzeichnungspflicht, zu unterwerfen.

Ärztegesetz: Bund will mit Bundesländern und Ärztekammer hohe Standards für Ausbildung und Qualität entwickeln

Die heute mit breiter Mehrheit beschlossene Novelle zum Ärztegesetz, wobei ein umfangreicher Abänderungsantrag mitberücksichtigt wurde, betrifft drei wesentliche Punkte: die Ärzteliste, die Ausbildung und die Qualitätssicherung. Die Änderungen dienen einerseits der Umsetzung der Entschließung des Nationalrats vom 8. Juli 2020 und andererseits der Umsetzung der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 5. März 2020 und 12. Juni 2020.

Wie Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein erläuterte, wurde vor 35 Jahren im Ärztegesetz im Bereich der Ausbildung in Länderkompetenzen eingegriffen. Der VfGH hat nun die betreffenden Bestimmungen aufgehoben. Nunmehr wird gesetzlich verankert, dass die Ausbildung im Verantwortungsbereich der Länder liegt. Man wolle aber verhindern, dass es neun unterschiedliche Ausbildungsrichtlinien gibt, betonten der Minister sowie der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner. Daher werde die zentrale Koordination beim Ministerium bleiben.

Auch bei der Qualitätssicherung für den niedergelassenen Bereich, ein weiterer wesentlicher Punkt der gegenständlichen Novelle, bleibe die zentrale Regelung beim Ministerium. Hier habe eine totale Verländerung gedroht, erklärte Schallmeiner die langen Verhandlungen über diese Punkte. Auch Gabriela Schwarz von der ÖVP wies auf die Notwendigkeit hin, gerade im Bereich der Qualitätssicherung einen Weg gemeinsam mit den Bundesländern und der Ärztekammer zu finden. Die Einigung sei vor Kurzem gelungen, deshalb habe der Abänderungsantrag zur ursprünglichen Vorlage erst heute vorgelegt werden können, ergänzte Gesundheitsminister Mückstein. Es bestehe ein breiter politischer Wille, dafür eine gute Grundlage zu schaffen, so Mückstein, und deshalb werde man sich bis Ende 2022 Zeit lassen, um eingehend mit den Ländern, der Ärztekammer und der Sozialversicherung entsprechende Richtlinien zu erarbeiten.

Der dritte Punkt betrifft die Führung der Ärzteliste. Diese ist wichtig, um festzustellen, wer Arzt bzw. Ärztin ist. Bei groben Verletzungen kann die Erlaubnis entzogen werden, den Beruf auszuüben.

Seitens der Freiheitlichen forderte Gerhard Kaniak die Anrechnung der Dienstzeiten von HeerespharmazeutInnen.

Neuerungen im Apothekerkammer- und Gehaltskassengesetz

Einstimmig passierten demgegenüber die Änderungen beim Apothekerkammer- und Gehaltskassengesetz das Nationalratsplenum. Der ebenfalls angenommene Abänderungsantrag enthielt lediglich redaktionelle Anpassungen. Die Novelle enthält unter anderem nähere Vorschriften über die Einrichtung der Schlichtungskommission und den Ablauf des dort angesiedelten Verfahrens. Weitere Bestimmungen betreffen die Durchführung von Erhebungen durch den Disziplinaranwalt sowie eine Ausweitung der anrechenbaren Zeiten für die Gehaltsvorrückung.

Michael Seemayer (SPÖ) ging in seinem Redebeitrag auf die Neuerungen ein, Werner Saxinger (ÖVP) unterstrich den wesentlichen Beitrag, den die Apotheken im Rahmen der Pandemiebekämpfung geleistet haben.

Medizinproduktegesetz: Sicherheit der PatientInnen im Mittelpunkt

Nach einem mehrheitlichen Beschluss wird auch das Medizinproduktegesetz in weiten Teilen geändert. Mit den Bestimmungen soll die Sicherheit von Medizinprodukten gewährleistet werden, wobei unter anderem allgemeine Anforderungen an Medizinprodukte geregelt werden, ebenso wie die Durchführung klinischer Prüfungen, Überwachungs- und Kontrollmechanismen, die Abgabe und Verschreibung entsprechender Produkte, Werbebeschränkungen sowie entsprechende Strafbestimmungen. Auch Sonderbestimmungen im Zusammenhang mit Krisensituationen, die Einrichtung von Ethikkommissionen sowie Übergangsbestimmungen in Bezug auf In-vitro-Diagnostika sind im Gesetz verankert.

Anlass für die Neufassung des Medizinproduktegesetzes ist eine Änderung der europäischen Rechtslage. So wurden drei einschlägige EU-Richtlinien durch zwei EU-Verordnungen ersetzt, um EU-weit einheitliche Regelungen für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika sicherzustellen. In einzelnen Bereichen sind den EU-Staaten allerdings Gestaltungsspielräume verblieben. Darüber hinaus flossen punktuell Erfahrungen aus der Praxis in das neue Medizinproduktegesetz ein, wie in den Erläuterungen vermerkt wird.

Josef Smolle (ÖVP) unterstrich die Bedeutung des Gesetzes im Interesse der Patientensicherheit. Auch beim Test von Medizinprodukten an PatientInnen müsse es stringente Vorgaben geben, sagte Smolle. Bei Machbarkeitsstudien, die in vitro durchgeführt werden, seien die Anforderungen geringer. Für beides brauche man aber ein Ethikvotum, das nun im Gesetz verankert sei, betonte Smolle.

Im Rahmen dieser Debatte wurde einstimmig ein Entschließungsantrag angenommen, den SPÖ, ÖVP und Grüne dem Plenum vorgelegt hatten. Darin fordern die Abgeordneten eine Novellierung des Medizinproduktegesetzes, in der eine verpflichtende und unverzügliche Information von PatientInnen durch Gesundheitseinrichtungen oder ÄrztInnen festgelegt wird, wenn Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit einem Implantat bestehen. Darüber hinaus soll der Katalog von implantierbaren Medizinprodukten, für die ein Register zu führen ist, evaluiert und ergänzt werden, insbesondere auch im Zusammenhang mit Intrauterinpessaren, so genannte Spiralen. Im Gegensatz zu Implantaten gebe es bei implantierbaren Medizinprodukten keine Registrierung und auch keine Verpflichtung zur unverzüglichen Information bei Mängeln, erläuterte Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) die Entschließung. Ralph Schallmeiner (Grüne) verlieh in diesem Zusammenhang seiner Hoffnung Ausdruck, dass dazu bereits im Herbst erste Schritte vorgelegt werden können. Ebenso hielt Josef Smolle (ÖVP) den Ausbau einer datenschutzrechtlich konformen Ausweitung der Registrierpflicht für erforderlich.

Der von der FPÖ vorgelegte Entschließungsantrag erhielt keine ausreichende Unterstützung. Die Freiheitlichen sprachen sich für die Wiedereinführung der amtswegigen Prüfung von COVID-19-Tests (Laien- bzw. Wohnzimmertests) durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (AGES) aus. Wenn die Regierung Tests verlange, dann sei es auch notwendig, dass diese Tests geprüft sind, argumentierte Peter Wurm (FPÖ) den Vorstoß seiner Fraktion mit dem Hinweis, dass diese Tests aus dem Medizinproduktegesetz herausgenommen worden seien.

Die NEOS wiederum wollten die Beschaffung von Selbsttests durch öffentliche Auftraggeber aus dem Medizinproduktegesetz streichen. Die Eigenverantwortung von Selbsttests sei eine Ausnahme im Gesetz gewesen, erläuterte Gerald Loacker (NEOS) den Abänderungsantrag seiner Fraktion. Nun gebe es aber bereits vier Produkte auf dem Markt, die auch zur Eigenverwendung zugelassen seien. Die Ausnahmeregelung sei daher nicht mehr erforderlich. Der NEOS-Vorschlag fand ebenfalls keine Mehrheit.

Die Freiheitlichen nützten die Debatte, um einmal mehr ihre grundsätzlichen Bedenken in Bezug auf die von der Regierung verordneten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu artikulieren. Die Maßnahmen seien aufgrund von Daten, Zahlen und Fakten nicht argumentierbar, hielt Peter Wurm seine Sicht fest. Auch haben seiner Meinung nach die FFP2-Masken nichts gebracht. Ins gleiche Horn stieß sein Klubkollege Gerald Hauser. Er erinnerte daran, dass die WHO im Jahr 2009 die Definition des Begriffs Pandemie geändert habe, sonst könnte man heute nicht von einer Pandemie sprechen. Und das sei nun auch die Basis für die massive Einschränkung der Grundrechte, merkte er mit kritischem Unterton an. Es könne auch nicht sein, dass sich Gesunde ausweisen müssen, spielte er zudem skeptisch auf die 3-G-Regel an. Wurm warnte außerdem vor einem Impfzwang, insbesondere wenn es um Arbeitsplätze geht.

Dem hielt Josef Smolle (ÖVP) entgegen, eine hohe Impfrate sowie die Fortführung einiger Maßnahmen seien wichtig und notwendig, damit es im Herbst nicht zu einer negativen Entwicklung kommt.

Breite Mehrheit für Anpassungen im In-vitro-Fertilisations-Fonds-Gesetz

Mit großer Mehrheit passierten auch die aufgrund des Brexit notwendig gewordenen Anpassungen im In-vitro-Fertilisation-Fonds-Gesetz den Nationalrat.

Gentechnikgesetz: Abgeordnete bekräftigen Ablehnung gentechnisch veränderter Organismen

Die Abgeordneten nützten die Debatte über die Novelle zum Gentechnikgesetz, um ihre Ablehnung gentechnisch veränderter Organismen zu bekräftigen. An sich dient der Gesetzesantrag der Umsetzung neuer EU-Vorschriften. Darin geht es vor allem um die Verbesserung der Transparenz der Risikobewertung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) im Rahmen der Freisetzungsrichtlinie. Mit den neuen Bestimmungen soll über die gesamte Risikoanalyse hinweg eine transparente und kontinuierliche Kommunikation gewährleistet werden, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Prozess stärkt. Die Gesetzesvorlage wurde einstimmig angenommen.

Mehrheitlich angenommen wurde ein Entschließungsantrag der ÖVP und der Grünen, in dem die Bundesregierung ersucht wird, in allen nationalen und EU-Gremien die im Regierungsprogramm festgehaltene Position zur neuen Gentechnik zu vertreten. Das bedeute unter anderem, dass neue Gentechnik-Verfahren den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für Gentechnik insbesondere im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip, die Risikobewertung und die Kennzeichnungspflicht, unterliegen. Auch soll die Forschungstätigkeit zum Nachweis unterstützt werden.

Ein ähnlich lautender Entschließungsantrag der SPÖ fand hingegen keine Mehrheit. Darin verlangen die SozialdemokratInnen, alle Arten gentechnisch veränderter Organismen, egal ob sie durch alte oder neue Gentechnik hergestellt werden, strengen Regeln für Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung zu unterwerfen. Die SozialdemokratInnen haben dabei insbesondere neue gentechnische Verfahren wie die so genannte "Genschere" (CRISPR) im Blick. Mit dieser Technologie können bestehende Gene modifiziert werde. Neue Gene werden dabei nicht hinzugefügt. Christian Drobits (SPÖ) begründete die Initiative mit der Vermutung seiner Partei, dass die Saatgutindustrie ein massives Interesse an der Deregulierung der Gentechnik habe. Deshalb sei ein nationaler Schulterschluss für klare Regeln auch bei neuen Gentechniken notwendig, sagte er. 

Clemens Stammler (Grüne) teilte die Bedenken hinsichtlich neuer Gentechniken und verwies auf den eigenen Antrag und auf das Regierungsprogramm. Er merkte zudem mit Sorge an, dass  der Pestizideinsatz beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen um das Dreifache gestiegen, der Ertrag jedoch nicht größer geworden sei. Ebenso bekräftigte Josef Hechenberger (ÖVP), dass man in Österreich auch in Zukunft keine gentechnisch veränderten Lebensmittel wolle. Dazu brauche es aber Maßnahmen wie in der angenommenen Entschließung angesprochen. Er sprach sich für verpflichtende Herkunftsbezeichnungen aus und äußerte sich auch kritisch zum Mercosur-Abkommen, wie es jetzt auf dem Tisch liegt. Diese kritische Sicht zum Abkommen wurde auch von Walter Rauch (FPÖ) geteilt, der für seine Partei das Nein zu gentechnisch veränderten Organismen unterstrich. Er forderte Minister Mückstein auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass in der Union keine gentechnisch veränderten Lebensmittel erlaubt sind. (Fortsetzung Nationalrat) jan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.