Parlamentskorrespondenz Nr. 762 vom 21.06.2021

Tourismusbericht 2020: Chronologie eines Pandemiejahres

Nächtigungsvolumen auf Stand der frühen 1970er-Jahre gesunken

Wien (PK) – Es sei keine Übertreibung, von einer Katastrophe zu sprechen, so Tourismusministerin Elisabeth Köstinger in ihrem Vorwort zum aktuellen Tourismusbericht für das Jahr 2020 im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Krise (III-349 d.B.). Die Anzahl der Gäste habe sich im Tourismus in Österreich im Krisenjahr beinahe halbiert, die Nächtigungen seien regional um bis zu 75 Prozent zurückgegangen. Die Arbeitslosenzahlen im Tourismus haben sich im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr beinahe verdoppelt.

Ein kleiner Lichtblick für den Tourismus in der schwierigen Zeit sei die Entwicklung der Sommersaison gewesen. Viele Regionen Österreichs und vor allem die Ferienhotellerie waren demnach im Sommer 2020 gut gebucht. Im Zeitraum Juni bis Oktober habe es um 6,2% mehr Inlandsnächtigungen und damit sogar einen Rekordwert für diese Periode gegeben. Dadurch konnte regional das Fehlen des sonst rund 70%igen Anteils ausländischer Gäste zumindest teilweise ausgeglichen werden, so der Bericht.

Die Bundesregierung habe mit zahlreichen Maßnahmen dafür gesorgt, dass Tourismus- und Freizeitbetriebe, die Veranstalter- und Reisebranche sowie die Gastronomie Unterstützung erhalten, um die schlimmsten Auswirkungen auf die Tourismusbranche abzufedern: von betrieblichen Förderungen über Haftungsübernahmen, von Steuererleichterungen bis zu Kurzarbeit, vom Lehrlingsbonus bis zum Schutzschirm für Veranstaltungen.

Neben einer eindrücklichen Chronologie des Pandemiejahres 2020 im Tourismus – von der ersten Infektion in Europa über Cluster, Lockdowns, Flugverkehrseinstellung und Sperrzonen, bis hin zu den laufend geschnürten Förderungs- und Hilfspaketen - werden im Bericht auch die seit Juli 2020 durchgeführten Tests im Rahmen des Testangebots "Sichere Gastfreundschaft" dargestellt. Bis Ende 2020 wurden demnach rund 630.300 PCR-Testungen in mehr als 6.700 Betrieben durchgeführt.

Tourismus massiv von COVID-19-Krise betroffen

Nach dem Rekordjahr 2019 führte die COVID-19-Pandemie laut Berechnungen von Statistik Austria und WIFO dem Bericht zufolge zu erheblichen Einbußen im Tourismus in Österreich. Die Zahl der Gästeankünfte schrumpfte demnach um 45,8% auf rund 25 Mio., jene der Übernachtungen um 35,9% auf ca. 97,9 Mio. – damit entsprach das Niveau bei Ankünften jenem vor der Jahrtausendwende, das Nächtigungsvolumen den frühen 1970er-Jahren.

Laut Schätzung des WIFO dürfte sich die Zahl der Nächtigungen 2021 gegenüber dem bereits stark gesunkenen Niveau 2020 je nach Infektionsgeschehen um weitere 20% reduzieren. Auf regionaler Ebene habe Wien im Jahr 2021 – wie auch schon 2020 – die relativ höchsten Verluste zu erwarten. Besser seien die Erwartungen in ländlichen Regionen, zumal eine sehr positive Buchungslage für den Sommer 2021 bei österreichischen Beherbergungsbetrieben zu verzeichnen sei.

Im Tourismusjahr 2019/20 (November 2019 bis Oktober 2020) waren in österreichischen Beherbergungsbetrieben rund 1,14 Mio. Betten (ohne Campingplätze) verfügbar. Die COVID-19-Krise wirkte sich demnach auf den aktuellen Bestand noch nicht aus. Nur ein Viertel der Bettenkapazitäten waren im Pandemiejahr ausgelastet, der Rückgang war in der Hotellerie am stärksten.

Die mittels Modell abgeschätzte Gesamtwertschöpfung des Tourismus belief sich 2019 auf nominell 29,7 Mrd. € (inklusive Dienst- und Geschäftsreisen +5,0% gegenüber 2018). Damit trug die Tourismuswirtschaft in Österreich 7,5% zum BIP bei (2018: 7,3%), so der Bericht. Aufgrund der überdurchschnittlichen Betroffenheit des Sektors infolge der Corona-Krise dürfte demnach diese Kennzahl im Jahr 2020 auf 5,5% gesunken sein und die direkte und indirekte Wertschöpfung der Tourismuswirtschaft nur noch ein Volumen von 20,5 Mrd. € erreicht haben, was ein Minus von 31,0% bedeute.

Die durch die Tourismusnachfrage in allen Wirtschaftsbereichen direkt und indirekt ausgelöste Beschäftigung belief sich 2019 in Abschätzungen auf insgesamt rund 313.700 Erwerbstätige (+2,6 % gegenüber 2018). Die Tourismuswirtschaft trug damit auf Basis von Vollzeitstellen 7,9% zur Gesamtbeschäftigung in Österreich bei (2018 revidiert: 7,8%). 2020 dürften nur 5,6% aller selbst- und unselbstständig Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) direkt und indirekt mit dem Tourismus verbunden gewesen sein. Das entspricht dem Bericht zufolge schätzungsweise 216.800 Vollarbeitsplätzen und einem Minus von –30,9%.

Mehr als 19.000 Tourismusbetriebe haben demnach 2020 zumindest einen Teil der Belegschaft coronabedingt in Kurzarbeit geschickt. Mit 65.276 Personen im Durchschnitt waren rund 39% der unselbstständig Beschäftigten der Branche von März bis Dezember in Kurzarbeit.

Das aus Berechnungen ermittelte Volumen der freizeitrelevanten Aufwendung der heimischen Bevölkerung belief sich 2019 auf nominell 42,7 Mrd. € (+1,8% gegenüber 2018). Im Pandemie-Jahr 2020 brachen die Umsätze der Freizeitbranche infolge der Schließung von Freizeiteinrichtungen, Party-Locations und Gastronomie sowie der Absage von Kulturveranstaltungen deutlich ein. Ersten Schätzungen zufolge betrugen die Verluste 16,9%, womit laut Bericht die Einnahmen auf 35,5 Mrd. € geschrumpft sein dürften.

Bei den Einnahmen aus internationalem Reiseverkehr, der sich 2020 EU-weit mehr als halbiert hat, nahm Schätzungen zufolge Österreich im Verhältnis einen deutlich größeren Marktanteil ein als zuvor (2020: 7,6%, 2019: 4,8%).

Der gesamte Welttourismus brach laut Bericht nach dem Höchststand 2019 von 1,47 Mrd. internationalen Gästeankünften infolge der COVID-19-Pandemie 2020 um 73,1% ein (vorläufiger Wert).

Gastbeiträge ÖHT und Österreich Werbung

In Gastbeiträgen berichten die Österreichische Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) und die Österreich Werbung als Branchenpartner von ihren Agenden im Pandemiejahr 2020. Die ÖHT habe im Zusammenhang mit COVID-19 bis Mitte März 2021 unter anderem 8.479 bewilligte Anträge mit vom Bund besicherten Haftungsübernahmen für Überbrückungsfinanzierungen über ein Haftungsvolumen von 1,2. Mrd. € gewährt. Im Zusammenhang mit bewährten ÖHT-Förderinstrumenten zur Stärkung des österreichischen Tourismus wird eine Erhöhung des Haftungsrahmens der ÖHT für Tourismusbetriebe von bisher 375 Mio. € auf nunmehr 625 Mio. € hervorgehoben. Was die Zukunft betrifft, sei als wesentliche Maßnahme zur Eigenkapitalstärkung die Schaffung eines Tourismusfonds zu sehen. Auch alternative Finanzierungsformen (eigenkapitalnahe Finanzierungen, Crowdinvesting) sollten demnach forciert werden, um künftige Investitionen zu erleichtern.

Die Österreich Werbung erhielt im Coronajahr 2020 COVID-19-Sondermittel des Bundes in Höhe von 40 Mio. €. Damit sei im In- und Ausland für Urlaub in Österreich geworben worden. Während der Lockdowns ging es demzufolge vor allem darum, die Erinnerung an Österreich bei den Gästen wach zu halten. Ein wesentliches Anliegen der ÖW sei außerdem gewesen, den Gästen ein möglichst genaues Bild zu vermitteln, wie sicherer Urlaub in Österreich während Corona aussieht.

"Plan T" und Comeback-Prozess

Gerade in der Krise gebe der "Plan T" Orientierung, so der Bericht. Die nachhaltige Weiterentwicklung des Tourismusstandortes Österreich – und zwar in ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Dimension – sei demnach auch weiterhin das Grundprinzip für einen langfristigen Erfolg. Im April sei der umfassende Comeback-Prozess des Tourismus mit dem Ziel gestartet, aufbauend auf dem "Plan T", eine krisenfeste und nachhaltige Strategie für den heimischen Tourismus zu erarbeiten. (Schluss) mbu

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