Parlamentskorrespondenz Nr. 797 vom 25.06.2021

Corona-Krise wirkt sich auf den Wettbewerb aus

Bundeswettbewerbsbehörde legt Tätigkeitsbericht 2020 vor

Wien (PK) – Auf ein durch die COVID-19-Pandemie in vielen Bereichen herausforderndes Jahr blickt die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in ihrem Tätigkeitsbericht 2020 zurück, der von Bundesministerin Margarete Schramböck vorgelegt wurde (III-348 d.B.).

Die BWB führte 425 Prüfungen von neu angemeldeten nationalen Unternehmenszusammenschlüssen und 252 Prüfungen von EU-Zusammenschlüssen durch, wobei letztere auf allfällige negative Auswirkungen auf Österreich geprüft werden. Auf nationaler wie europäischer Ebene zeigte sich somit ein durch die Pandemie bedingter Rückgang bei den Zusammenschlussanmeldungen, denn 2019 waren es national noch 495 und in der EU 370 Anmeldungen.

Nach der Prüfung freigegeben wurde u.a. der Zusammenschluss der EVN AG mit der Wiener Stadtwerke GmbH und der Zusammenschluss der ProSiebenSat.1 Media SE und der General Atlantic GmbH mit der The Meet Group bezüglich Plattformenmarkt für Online-Dating. Auftragsvorprüfungen gab es u.a. beim ORF. Es wurde festgestellt, dass die geplanten Online-Kurznachrichtensendungen keine negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation hätten. Anhängig ist zudem das Verfahren TOPOS, ein neues Online-Angebot des ORF in den Themengebieten Kunst, Kultur, Forschung, Wissenschaft und Religion.

Priorisierung des Arzneimittelsektors in der Europäischen Union

Neben der Branchenuntersuchung im Taxi- und Mietwagenmarkt gab es eine weitere im Gesundheitsbereich, wo der dritte Teilbericht zur Medikamentenversorgung gestartet wurde. Seit der 2009 durchgeführten Branchenuntersuchung der Europäischen Kommission hat der Arzneimittelsektor oberste Priorität. Die europäischen Wettbewerbsbehörden arbeiten eng mit der Kommission zusammen, um einen wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten. Wegen Verstößen gegen das Kartellrecht wurden bereits Geldbußen in der Höhe von 1 Mrd. € gegen Pharmazieunternehmen verhängt.

Kartellermittlungen und Whistleblowingsystem

Seit 2017 führt die BWB neben der WKStA Ermittlungen aufgrund des Verdachts von schon seit Jahren stattfindenden österreichweiten umfassenden Zuwiderhandlungen gegen das Kartellverbot in der Baubranche. Im Berichtsjahr wurde nun ein erster Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe gegen vier miteinander verbundene Bauunternehmen gestellt, weitere Anträge würden 2021 folgen.

Wegen des Verdachts kartellrechtswidriger horizontaler Absprachen im Bereich Fahrschulen wurden drei Hausdurchsuchungen durchgeführt. Es wurden über 394.000 € an Geldbußen durch Anträge der BWB an das Kartellgericht verhängt. Zudem wurden fünf Kronzeugenanträge gestellt, wie aus dem Bericht hervorgeht.

Bei dem seit drei Jahren bestehenden Whistleblowingsystem der BWB lässt sich wiederum ein Anstieg der Meldungen verzeichnen, es wurden im Berichtszeitraum 59 Meldungen getätigt (2018: 39, 2019: 45). Davon befinden sich laut Bericht 31 Meldungen noch in intensiver Prüfungsphase, 16 Meldungen wurden nach der Überprüfung ohne weitere Maßnahmen beendet und bei vier Meldungen Ermittlungen nach dem Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb eingeleitet. Eine Meldung wurde an die zuständige Finanzpolizei weitergeleitet, zwei Meldungen wurden als nicht relevant eingestuft und fünf Meldungen waren ohne erkennbaren substanziellen Inhalt.

Die BWB und die COVID-19-Pandemie

Die Pandemie ging auch an der BWB nicht spurlos vorüber. So wurde u.a. im Juli 2020 der Standpunkt Shutdownfusionen zu den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Zusammenschlüssen im Kontext der COVID-19-Krise veröffentlicht. Das European Competition Network (ECN), eine enge Zusammenarbeit der nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten mit der Europäischen Kommission, veröffentlichte bereits im März eine gemeinsame Erklärung für die einheitliche Anwendung von Wettbewerbsrecht während der COVID-19-Pandemie. Bekannt gegeben wurde, dass Kooperationen zwischen Wettbewerbern notwendig sein könnten, um die Versorgung aller VerbraucherInnen sicherzustellen, und dass aufgrund solcher zeitlich befristeter Kooperationen davon auszugehen sei, dass diese keine Wettbewerbseinschränkung darstellen bzw. die Relevanz der Versorgungssicherheit eine solche aufwiegen würde.

Bewusstseinsbildungs- und -änderung in der Gesellschaft als wichtige Aufgabe

Wie in der Vergangenheit war es auch 2020 eine wichtige Zielsetzung der BWB, das Interesse für Kartell- und Wettbewerbsrecht in der Gesellschaft zu wecken und zu vertiefen, wobei insbesondere auf präventive und informative Maßnahmen gesetzt worden sei. So wurden im Berichtszeitraum zwei Competitions Talks veranstaltet. Der Kartellrecht Moot Court, eine simulierte Gerichtsverhandlung für die juristische Aus- und Weiterbildung, fand zum sechsten Mal und coronabedingt zum ersten Mal virtuell statt. Der 2019 veröffentlichte Standpunkt zu Fragen der Anwendbarkeit des kartellrechtlichen Konzernprivilegs wurde aktualisiert. Veröffentlicht hat das BWB des Weiteren vor dem Hintergrund vielfältiger teils abgeschlossener, teils laufender legistischer Vorhaben in einem Thesenpapier ihre Überlegungen zum Einfluss der Digitalisierung auf das Wettbewerbsrecht.

Branchenuntersuchung im Taxi- und Mietwagenmarkt

Aufgrund der Vermutung, dass der Wettbewerb auf dem Taxi- und Mietwagenmarkt eingeschränkt oder verfälscht sein könnte, wurde im September 2019 eine Branchenuntersuchung begonnen, wie die BWB darüber hinaus informiert. Das Taxi- und Mitwagengewerbe wurde durch die Novellierung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes zu einem einheitlichen Personenbeförderungsgewerbe zusammengefasst. Im März 2021 kam es zu einer neuerlichen Novelle des Gesetzes, wobei man mehr Flexibilität in der Tarifordnung schaffen wollte.

Die einheitlichen Regelungen würden vor allem bei den Online-Vermittlungsdiensten wie Uber Auswirkungen zeigen, so der Bericht. Das BWB befragte 1.243 Personen über die Nutzung von Taxis und Online-Vermittlungsdiensten und verschickte 173 Auskunftsverlangen an Unternehmen. Die aus Wettbewerbssicht negativen Ergebnisse dieser Studie wurden im September 2020 in einem Endbericht vorgestellt. Durch die Zusammenlegung würden neue und innovative Geschäftsmodelle verhindert, an denen auch die Bevölkerung großes Interesse hätte. Die Einführung eines fixen Taxitarifs würde den Preiswettbewerb am Markt ausschließen und zum Beispiel appbasierte Online-Vermittlungsdienste zum Marktaustritt bringen. Wie im Bericht festgehalten wird, zeige auch die Forschung, dass zu starke Preisregulierungen eher negative Effekte haben würden.

Prüfung der Clean-Team-Vereinbarung zwischen A1, H3G und T-Mobile zum 5G-Ausbau

A1, H3G und T-Mobile kooperieren zum gemeinsamen Bau und Betrieb von Mobilfunkstandorten und deren passiver Infrastruktur. Gemeinsam mit der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) prüfte die BWB den Entwurf der Clean-Team-Vereinbarung (CTV). Es wurden unterschiedliche Formulierungen infrage gestellt und Anpassungen bzw. Nachschärfungen gefordert, wobei es um Präzisierungen im Bereich Datensicherung und Datenweitergabe außerhalb des Clean Teams sowie die Art der Datenvernichtung nach Ende der Kooperation ging. Mit diesen Adaptationen haben RTR und BWB nach derzeitigem Stand keine Einwände gegen die CTV.  Da der Ausbau des 5G-Netzes kostenintensiv ist, sei es wichtig, die Rahmenbedingungen für den Netzausbau investitionsfreundlich zu gestalten, so die Argumentation.

WhatsApp Marktführer in Österreich

Gemeinsam mit der RTR führte die BWB eine Monitoringstudie zu Instant Messaging (d.h. Kommunikationsdiensten, mit welchen sich zwei oder mehr Teilnehmer unterhalten können) durch. Die Analyse zeigt die Marktführerschaft von WhatsApp in Österreich auf. An zweiter Stelle steht der Facebook-Messenger-Dienst, während andere Dienste wie Skype, Telegram oder Snapchat eine untergeordnete Rolle spielen. 

Wegfall der Zuständigkeit in der Verbraucherbehördenkooperation

Gesetzliche Anpassungen des Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetzes (VBKG) habe die im Jänner 2020 in Kraft tretende EU-Verordnung betreffend Verbraucherbehördenkooperation notwendig gemacht. Mit dieser Novellierung kam es zu einem Wechsel der Vollzugsbehörde, statt der BWB ist nun das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zuständig. Die Verbraucherbehördenkooperation (Consumer Protection Cooperation) ist ein verbraucherbehördliches Netzwerk, um gegen EU-weite Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften vorzugehen. Die BWB war 13 Jahre lang die zuständige Behörde.

Klagsbefugnis nach der Platform-to-Business-Verordnung

Eine weitere EU-Verordnung, die im Berichtszeitraum gültig geworden ist, ist die P2B-Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche NutzerInnen von Online-Vermittlungsdiensten (Platform-to-Business). Hinsichtlich Suchmaschinen sollen Transparenz, Fairness sowie eine wirksame Rechtsbehelfsmöglichkeit für gewerbliche NutzerInnen von Online-Vermittlungsdiensten und NutzerInnen mit eigener Webseite geschaffen werden. Die Mitgliedstaaten haben Vorschriften über die Maßnahmen zu erlassen, die bei Verstößen anwendbar sind. Organisationen mit berechtigtem Interesse an der Vertretung sowie öffentliche Stellen haben das Recht, die zuständigen nationalen Gerichte anzurufen, um die Nichteinhaltung von Bestimmungen der Verordnung zu beenden oder zu untersagen. In Österreich sind die BWB, die Wirtschaftskammer Österreich und der Schutzverband bei der Kommission als klagsbefugt notifiziert. 

Interdisziplinäres Treffen zum Umgang mit Daten im digitalen Zeitalter

Zum Gedankenaustausch über Digitalisierung, Datenschutz und Wettbewerb trafen sich VertreterInnen von BWB, Datenschutzbehörde, E-Control sowie dem Fachbereich Telekommunikation und Post der RTR. Im Vordergrund stand die Frage nach den Schnittstellen zwischen der Wettbewerbsaufsicht, dem Datenschutz und der Regulierung sowie die Vorstellung laufender Projekte. Daten – ihre Sammlung, Zusammenführung und Auswertung – stehen im Zentrum digitaler Geschäftsmodelle, sie verschaffen einen Wettbewerbsvorsprung und ermöglichen die Diskriminierung von Wettbewerbern. Sich im Zeitalter der Digitalisierung intensiv mit den Chancen und Gefahren im Bereich der Daten zu beschäftigen, sei sehr wichtig, so der Bericht. Gerade interdisziplinäre Kooperationen könnten dafür ein sinnvolles und notwendiges Instrument sein. (Schluss) gst


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