Parlamentskorrespondenz Nr. 819 vom 29.06.2021

Wirtschaftsausschuss beschließt COVID-19-Regelungen für BilanzbuchhalterInnen, SteuerberaterInnen und WirtschaftsprüferInnen

Zahlreiche Anträge der Opposition vertagt oder abgelehnt

Wien (PK) – Zwei Initiativanträge der Koalitionsparteien fanden heute einhellige Zustimmung im Wirtschaftsausschuss. Damit wird klargestellt, dass BilanzbuchhalterInnen, SteuerberaterInnen und WirtschaftsprüferInnen zur Beratung, Vertretung und zur Ausstellung von Bestätigungen im Zusammenhang mit COVID-19-Maßnahmen berechtigt sind. In diesem Zusammenhang soll auch eine Haftungsbeschränkung für diese Tätigkeiten eingeführt werden. Die Regelungen sind für die Zeit der Corona-Hilfsmaßnahmen befristet.

Der Großteil der Anträge der Opposition wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. In die Warteschleife verwiesen wurden die Entschließungsanträge der SPÖ, die Maßnahmen gegen eine zu erwartende Welle von Unternehmensinsolvenzen fordert. Die SozialdemokratInnen sprechen sich für eine Verlängerung des Härtefallfonds und der Stundungsmöglichkeiten bis Jahresende aus. Weiters wollen sie Kaskadeneffekte bei Insolvenzen vermeiden. Sie fordern auch Hilfen für die Veranstaltungsbranche sowie ein Gutscheinheft, mit dem die ÖsterreicherInnen besonders Kleinunternehmen unterstützen können (1410/A(E)).

Die FPÖ kritisiert "Privilegienskandale" der Wirtschaftskammer und fordert eine bessere Zahlungsmoral des Bundes. Ihre Anträge dazu wurden vertagt. Von den anderen Fraktionen abgelehnt wurde ein FPÖ-Antrag mit Vorschlägen für COVID-19-Hilfen für Betriebe, Lehrlinge und ArbeitnehmerInnen.

Vertagt wurden auch mehrere Anträge der NEOS. Sie fordern neben einer Gewerbeordnung NEU und einem One-Stop-Shop für Unternehmensgründungen die Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten. Außerdem sprechen sie sich für Obergrenzen der Rücklagen der Wirtschaftskammern sowie für die Auflösung der bestehenden Rücklagen aus.

BilanzbuchhalterInnen, SteuerberaterInnen und WirtschaftsprüferInnen sind zu Mitwirkung bei COVID-19-Hilfen berechtigt

Auf Initiative von ÖVP und Grüne soll sowohl für BilanzbuchhalterInnen, als auch für SteuerberaterInnen und WirtschaftsprüferInnen klarstellt werden, dass sie zur Beratung, Vertretung und zur Ausstellung von Bestätigungen im Zusammenhang mit COVID-19-Maßnahmen berechtigt sind. Die dazu notwendigen Änderungen im Bilanzbuchhaltungsgesetz (1750/A) und im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (1751/A) fanden heute die einhellige Zustimmung des Wirtschaftsausschusses. Dabei wurden zwei Abänderungsanträge mit redaktionellen Klarstellungen berücksichtigt.

In diesem Zusammenhang soll auch eine Haftungsbeschränkung für diese Tätigkeiten betreffend Corona-Maßnahmen eingeführt bzw. die Haftung auf Fälle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit beschränkt werden. Da das Risiko angesichts der Krisensituation kaum einschätzbar sei, könne der einzelne Berufsangehörige mitunter der Verpflichtung einer ausreichenden Versicherung dem Grunde und der Höhe nach im Einzelfall gar nicht nachkommen, was im Zweifel dazu führen müsste, dass der Auftrag abgelehnt werden müsste. Dies wiederum wäre zum Nachteil der Unternehmen, die für die Inanspruchnahme der vorgesehenen Unterstützungen und Entschädigungen auf die vorgesehenen Entschädigungen angewiesen sind. Demnach sei eine Haftungsbeschränkung sowohl aus Sicht der BeraterInnen als auch der Beratenen zweckmäßig, so die Argumentation von ÖVP und Grünen. Die Haftungsbeschränkung umfasst aber keine Bestätigungsvermerke bzw. Prüfberichte im Rahmen gesetzlicher Abschlussprüfungen sowie sondergesetzlich anderweitig geregelte Haftungsbeschränkungen.

Lauren Pöttinger (ÖVP) erklärte, die Änderungen seien notwendig, um Bedenken von Verwaltungsgerichten auszuräumen, ob die betreffenden Berufsgruppen zur Ausstellung der Bestätigungen berechtigt sind. Die Regelungen würden nur für die Dauer der Corona-Hilfsmaßnahmen gelten. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter zeigte sich verwundert, dass die Regelung erst jetzt getroffen wird, signalisierte aber Zustimmung. Mittelfristig müsste das Problem der Haftungsbeschränkungen grundsätzlich angegangen werden, da sich dahinter ein Versicherungsproblem verberge, das einer Lösung bedürfe. Seitens des Wirtschaftsministeriums wurde die späte Durchführung der Regelung damit begründet, dass die bisherige gesetzliche Grundlage an sich für ausreichend erachtet worden sei. Da aber ein Verwaltungsgericht Bedenken angemeldet habe, müsse eine Klarstellung vorgenommen werden. Die Regelung werde grundsätzlich bis zum Abschluss der Förderansuchen gelten.

NEOS wollen Gewerbeordnung Neu sowie Obergrenze und Reduktion der Rücklagen der Wirtschaftskammer

Die Gewerbeordnung als "ein Musterbeispiel an anachronistisch anmutendem Bürokratismus" müsse endlich reformiert werden, fordert Gerald Loacker (1607/A(E)). Eine Regulierung von Gewerben sollte nur zum Schutz von Leib und Leben sowie Vermögen und Umwelt vorgesehen werden. Die Bundesregierung solle in diesem Sinne möglichst rasch ein übersichtliches und anwenderfreundliches Regelwerk zur Entlastung der UnternehmerInnen und zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes Österreich vorlegen. Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) sah in der Gewerbeordnung eine Garantie für die Qualität von Leistungen für KundInnen, die man nicht aufs Spiel setzen sollte.

Die NEOS üben außerdem Kritik an der Höhe der Rücklagen der Wirtschaftskammer und Fachorganisationen und schlagen eine Änderung des Wirtschaftskammergesetzes mit einer Rücklagenobergrenze in der Höhe der durchschnittlichen Monatsaufwendungen vor. (308/A) Weiters fordern die NEOS, dass die Rücklagenauflösung der Wirtschaftskammern zugunsten der Pflichtmitglieder gemäß den Forderungen der "Grünen Wirtschaft" vorangetrieben wird (748/A(E)). Gesamt würden die Rücklagen der Wirtschaftskammern mittlerweile 1,7 Mrd. € betragen, stellte Gerald Loacker (NEOS) fest. Krisenbedingt komme es bereits zu einer Auflösung der Rücklagen, hielt ihm Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) entgegen. Die drei NEOS-Anträge wurden von ÖVP und Grünen vertagt.

FPÖ ortet "Privilegienskandal" in der Wirtschaftskammer

Zu einer lebhaften Debatte führte ein FPÖ-Antrag, der auf Medienberichte zu einem Prüfbericht des Kontrollausschusses der Wirtschaftskammer Bezug nimmt. Die Zuschüsse der Wirtschaftskammer für Mitgliedschaften in Golf-, Jacht- oder Sportvereinen, Schulgeld für Kinder von MitarbeiterInnen sowie hohe Beratungskosten weisen auf einen "Mega-Privilegienskandal in der ÖVP-dominierten Wirtschaftskammer" hin, meinte FPÖ-Abgeordneter Erwin Angerer. Die Wirtschaftsministerin müsse im Rahmen ihres Aufsichtsrechts Auskünfte von den Wirtschaftskammern anfordern, die gesetzmäßige Führung der Geschäfte und ordnungsgemäße Verwaltung prüfen und dem Nationalrat über die Ergebnisse berichten (1533/A(E)).

Elisabeth Götze (Grüne) und Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) verwiesen auf die Leistungen der Wirtschaftskammer bei der Unterstützung von Unternehmen in der Corona-Krise und sahen eine einseitige Berichterstattung. Eine Neiddebatte bringe niemandem etwas, meinte Jeitler-Cincelli. Christoph Matznetter (SPÖ) plädierte dafür, bei der Kritik das Augenmaß zu wahren. Tatsächlich gebe es nur einen Fall, der tatsächlich eine missbräuchliche Anwendung von Spesenregeln vermuten lasse und der geprüft werde. In praktisch allen anderen Fällen handle es sich um die Unterstützung von Handelsdelegierten, die an schwierigen Standorten sehr viel für die Exportwirtschaft leisten. Die Mitgliedschaften seien keine Freizeitvergnügen, sondern würden dazu dienen, ihnen Zutritt zu notwendigen beruflichen Netzwerken zu ermöglichen und ihnen und ihren Familienmitgliedern in unsicheren Ländern ein gesichertes Umfeld zu bieten. Gerald Loacker (NEOS) erwiderte, diese Spesenzahlungen wären nur dann kein Problem mehr, wenn Wirtschaftstreibende sich auch freiwillig für die Zugehörigkeit zu einer Interessensvertretung und damit für diese Verwendung ihrer Beiträge entscheiden könnten.

NEOS fordern One-Stop-Shop für Unternehmensgründungen

Eine umfassende Modernisierung der Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen fordern die NEOS (1617/A(E)). Aufgrund des Reformstaus in diesem Bereich befinde sich Österreich auf Platz 127 im Starting-a-Business-Ranking der Weltbank, zeigte NEOS-Mandatar Gerald Loacker auf. Er fordert eine Modernisierung des Gesellschaftsrechts und die Schaffung eines One-Stop-Shops und ein Bekenntnis zu Mitarbeiterbeteiligungen. Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) begründete ihren Vertagungsantrag mit dem Hinweis auf das Unternehmensserviceportalgesetz, das demnächst im Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung debattiert werden soll und das zahlreiche Vereinfachungen der Meldepflichten von Unternehmen bringen werde.

NEOS für Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten

Starre Ladenöffnungszeiten würden den Onlinehandel begünstigen und die Realität ignorieren, argumentieren die NEOS mit einem weiteren Entschließungsantrag und fordern rasch Maßnahmen für eine Flexibilisierung (1720/A(E)). Österreich habe in ganz Europa das rigideste System, eine Flexibilisierung hätte zahlreiche positive Effekte sowohl für ArbeitnehmerInnen als auch für Unternehmen, den Arbeitsmarkt und den Tourismus. Der Antrag wurde von den Koalitionsparteien vertagt. In Österreich herrsche ein breiter Konsens, dass das Wochenende als arbeitsfreie Zeit möglichst gewahrt bleiben solle, argumentierte Elisabeth Götze (Grüne).

FPÖ fordert Förderung der heimischen Betriebe, Lehrlinge und ArbeitnehmerInnen

Aufgrund der gravierenden wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie fordern die FPÖ-Abgeordneten Erwin Angerer und Axel Kassegger (1628/A(E)) eine Bevorzugung von heimischen Firmen bei der Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen, da diese auf dem weltweiten Markt knapp seien, was es Unternehmen teils unmöglich mache, Aufträge anzunehmen. Dem Fachkräftemangel müsse durch eine Lehrlingsoffensive in Österreich mit weniger behördlichen Vorschriften und einem Blum-Bonus neu entgegengewirkt werden, sagte Angerer. Die Senkung der Abgaben auf Arbeit sowie der Lohnnebenkosten stellen die dritte Forderung der FPÖ-Abgeordneten dar.

ÖVP-Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli betonte, es habe in der Pandemie eine beispiellose Lehrlingsoffensive gegeben, die auch Wirkung zeige. Der Antrag fand nur die Unterstützung der FPÖ-Abgeordneten und wurde abgelehnt.

FPÖ fordert bessere Zahlungsmoral des Bundes gegenüber Unternehmen

Die nach Ansicht der FPÖ schlechte Zahlungsmoral des Bundes steht im Mittelpunkt eines weiteren Antrags (1574/A(E)) der Freiheitlichen. Die Rechnungsbegleichung von Bundesländern benötige durchschnittlich 36 Tage, die des Bundes 49 Arbeitstage, führen die Antragsteller an. In Zeiten von Corona seien gerade KMUs aber auf schnelle Finanzflüsse angewiesen, daher brauche man eine "Kultur der unverzüglichen Zahlung". Rechnungen des Bundes sollten so rasch wie möglich, zumindest jedoch innerhalb von 30 Tagen, beglichen werden, sagte Angerer. Grünen-Abgeordneter Martin Litschauer hielt es für sinnvoll, das aufgezeigte Problem zu evaluieren und beantragte die Vertagung des Antrags.

SPÖ erhofft sich Kaufkraftstärkung durch Gutscheine

Geht es nach den SPÖ-Abgeordneten Rudolf Silvan und Christoph Matznetter, soll die Bundesregierung jedem Haushalt in Österreich ein Gutscheinheft im Wert von 1.000 € zur Verfügung stellen, um den Auswirkungen der COVID-19-Krise zu begegnen (1510/A(E)). Die Einlösung sollte laut Silvan bis 31.12.2021 bei Betrieben möglich sein, die ihren Firmensitz in Österreich haben, in Österreich steuerpflichtig sind und zu den besonders betroffenen Branchen (vor allem Tourismus, Gastronomie, Kultur, körpernahe Dienstleistungen sowie Fitnessstudios und Sportstätten) zählen. Auch dieser Antrag wurde von ÖVP und Grünen vertagt. ÖVP-Abgeordneter Andreas Ottenschläger kritisierte, der Vorschlag beruhe auf einem überholten "Gießkannenprinzip" bei Hilfsmaßnahmen.

SPÖ fordert Maßnahmen gegen Insolvenzen in besonders schwer getroffene Branchen

Eine drohende Insolvenzwelle sieht die SPÖ mit dem Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen vor allem auf EPU und KMU in körpernahen Dienstleistungen, im Handel oder in der Tourismus- und Freizeitbranche zukommen. Seine Fraktion fordere daher, die Stundungsmöglichkeiten bis Jahresende 2021 zu verlängern, sagte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Anträge beim Härtefallfonds sollten auch für die Zeit zwischen dem 15. Juni 2021 und Jahresende 2021 ermöglicht werden. Zudem sollten neue und zielgerichtete Hilfsmaßnahmen für Unternehmen, die immer noch unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden, geschaffen werden (1710/A(E)).

Als weiteren Schritt fordert die SPÖ einen Ausfallfonds für EPU und KMU mit weniger als 25 MitarbeiterInnen, die Gläubiger von insolventen Unternehmen sind (1711/A(E)). Dieser Fonds soll laut Matznetter (SPÖ) verhindern, dass Insolvenzen von Unternehmen weitere auslösen. Der Fonds solle daher ähnlich dem Insolvenz-Entgeltfonds ausgestaltet sein und auf einen Höchstbetrag an insolvenzanhängiger Forderung von 200.000 € im Einzelfall beschränkt bleiben. Auch müssten Regelungen für Stundungen gefunden und das Unternehmensreorganisationsgesetz entsprechend angepasst werden.

Als Drittes fordert SPÖ-Abgeordneter Matznetter eine Verlängerung der finanziellen Unterstützungshilfen für die Veranstaltungswirtschaft (1620/A(E)). Die Veranstaltungsbranche mit ihren vielen EPUs und KMUs sei von der Pandemie besonders stark betroffen gewesen und werde dies auch weiterhin bleiben. Die bisher ausgezahlten Wirtschaftshilfen seien außerdem nicht treffsicher gewesen, so der SPÖ-Abgeordnete.

Skeptisch zeigten sich die Abgeordneten der Koalition, die auch für eine Vertagung aller SPÖ-Anträge stimmten. Der Härtefallfonds sei bereits bis September verlängert worden, hielt Götze (Grüne) fest. Die Veranstaltungsbranche erhalte bereits zielgerichtet Unterstützung, weitere Maßnahmen seien vorerst nicht notwendig. Ihr Fraktionskollege Jakob Schwarz betonte, die Regierung setze bereits Maßnahmen, um eine Insolvenzwelle zu vermeiden. Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) wies auf die differenzierten Wirtschaftshilfen hin, die aus ihrer Sicht unterdessen alle Unternehmen erreichen. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) sox


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