Parlamentskorrespondenz Nr. 855 vom 07.07.2021

Pflege: Nationalrat schafft einstimmig rechtliche Grundlage für Community-Nurses

Wohnpaket gegen Delogierungen sowie Verlängerung von Corona-Sonderregelung für Freiwilligendienst im Ausland ebenfalls beschlossen

Wien (PK) – Der Nationalrat hat heute einstimmig die rechtliche Grundlage für innovative Projekte im Bereich der Pflege geschaffen, etwa für Community-Nurses.

Eine Mehrheit gab es auch für ein Wohnpaket, mit dem Delogierungen aufgrund der Corona-Krise verhindert werden sollen. Die Corona-Sonderregelung im Freiwilligengesetz wurde zudem einstimmig verlängert.

Keine Mehrheit gab es für zwei FPÖ-Entschließungen für eine bundesweite Genossenschaft für Pflege und Betreuung sowie für eine Änderung der Sozialhilfegesetze der Länder. Zwei im Zuge der Debatte von den NEOS eingebrachte Entschließungsanträge für einen Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung und für School-Nurses blieben ebenfalls in der Minderheit.

Rechtliche Grundlage für innovative Projekte wie Community-Nurses

Einstimmig beschlossen wurde eine Novelle zum Bundespflegegeldgesetz, mit der eine rechtliche Grundlage für die Förderung innovativer Projekte im Bereich der Pflege durch das Sozialministerium geschaffen wird. Im Fokus haben die Abgeordneten dabei insbesondere die Etablierung von sogenannten Community-Nurses, die in Gemeinden als zentrale Ansprechpersonen in allen Bereichen der Pflege zur Verfügung stehen sollen. Wichtig ist den Abgeordneten, dass die geförderten Projekte bestehende Angebote ergänzen und nicht ersetzen.

Auf das Projekt der Community-Nurses sei er besonders stolz, so Sozialminister Mückstein. Denn er habe in seiner eigenen Praxis gesehen, dass das Konzept funktioniere. Community-Nurses würden einen Beitrag zu einer niederschwelligen und bedarfsorientierten Versorgung im Pflegebereich leisten und durch proaktive Hausbesuche auch die Gesundheitsprävention stärken. Starten soll das Pilotprojekt laut Mückstein im Herbst mit 150 Community-Nurses. Die 54 Mio. € zur Finanzierung stammen aus dem Wiederaufbauprogramm der EU.

Bedrana Ribo (Grüne) bezeichnete die gesetzliche Grundlage für Community-Nursing als Meilenstein in der Pflege. Oft wüssten die Menschen bei einem Pflegebedarf nicht, wohin sie sich wenden können. Community-Nurses sollen eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene und ihre Angehörigen sein. Ribo betonte, dass es sich nicht um Konkurrenz für bestehende Angebote handle. Für Ernst Gödl (ÖVP) ist es höchst an der Zeit, in der Pflege etwas weiterzubringen. Er sprach das Bedürfnis vieler Menschen an, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden gepflegt zu werden. Community-Nurses könnten durch ihre präventive Arbeit dazu beitragen, die Pflegebedürftigkeit hinauszuschieben. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) sprach sich ebenso für eine Aufwertung der Pflege zu Hause aus, insbesondere, was leistbare Angebote betrifft. Es sei gut, dass nun Schwung in die Pflegereform komme, sagte sie. Man müsse aber noch mehr für das Pflegepersonal und pflegende Angehörige tun.

Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) begrüßte die gesetzliche Grundlage für Community-Nurses, die jedoch nur ein kleiner Stein eines großen Pflegereformbedarfs sei. Sie sprach sich dafür aus, anstelle eines Pilotprojekts gleich eine breitere Umsetzung zu starten. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) drückte ebenso ihre Zustimmung aus, zeigte sich jedoch enttäuscht, dass in der Pflege nichts weitergehe. Aus ihrer Sicht fehlt ein Gesamtkonzept. Fiona Fiedler (NEOS) bezeichnete die Novelle zwar als grundsätzlich gut, jedoch zu unspezifisch. Sie schlug zwei Maßnahmen vor, die sich auch ohne EU-Förderung von selbst rechnen würden und mit denen man aus ihrer Sicht längst beginnen hätte können. Ihre im Zuge der Debatte eingebrachten Entschließungsanträge für einen Abrechnungskatalog für die Primärversorgungspflege mit der Sozialversicherung sowie für School-Nurses an Österreichs Schulen blieben jedoch in der Minderheit.

Wohnpaket gegen Delogierungen mehrheitlich beschlossen

Mit einer mehrheitlich beschlossenen Novelle zum COVID-19-Gesetz-Armut sollen Delogierungen von MieterInnen verhindert werden, die infolge der Corona-Krise Mietrückstände aufgebaut haben. Für entsprechende Projekte sollen in den Jahren 2021, 2022 und 2023 bis zu 24 Mio. € bereitgestellt werden. Das Geld soll zum einen für Beratungen zur Verfügung stehen, es sollen aber auch Mietrückstände samt angefallener Nebenkosten, wie etwa Gerichtskosten, beglichen werden können, wenn die MieterInnen dazu nicht in der Lage sind und ihnen deshalb eine Delogierung droht.

Damit wollen die Abgeordneten Wohnungslosigkeit verhindern, wobei von den gesetzlichen Bestimmungen sowohl privat vermietete Wohnungen als auch der gemeinnützige Wohnsektor umfasst sind. Die genauen Förderrichtlinien und Auszahlungsmodalitäten sollen von Sozialminister Wolfgang Mückstein im Einvernehmen mit Finanzminister Gernot Blümel festgelegt werden. Ausdrücklich ausgenommen sind Geschäftsraummieten.

FPÖ und NEOS brachten im Zuge der Debatte noch Abänderungsanträge ein. Die FPÖ war der Ansicht, dass private MieterInnen nicht umfasst seien, und wollte sicherstellen, dass alle MieterInnen Unterstützungsleistungen erhalten können. Sozialminister Mückstein hielt dem entgegen, dass private Mietwohnungen sehr wohl umfasst seien. Die NEOS wollten eine zielgerichtete Anwendung auf förderbedürftige Personen garantieren. So sollte etwa eine Förderung nur bei Mietrückständen aufgrund der Pandemie gewährt werden. Beide Abänderungen fanden keine Zustimmung.

Sozialminister Mückstein bezeichnete Obdachlosigkeit als die schlimmste Form von Armut. Es würde laut ExpertInnen zu einer Welle an Räumungsklagen und Delogierungen kommen, wenn man nun nichts unternehme. Deshalb seien 24 Mio. € Soforthilfe für Beratungsleistungen und Delogierungsprävention vorgesehen. Mückstein betonte, dass damit nicht nur viel persönliches Leid und hohe Kosten für die Betroffenen vermieden werden, sondern auch gesamtgesellschaftlich die Folgekosten von Obdachlosigkeit minimiert würden.

Dass Wohnen ein menschliches Grundbedürfnis und ein Grundrecht sei, gilt für Meri Disoski (Grüne) in der Krise umso mehr. Deshalb müsse man drohenden Räumungsklagen und Delogierungen entschlossen gegensteuern, was mit der Novelle passiere. Michael Hammer (ÖVP) betonte, dass es sich um eine Kooperationsmaterie von Bund und Ländern handle und man gemeinsam Anstrengungen unternehme, um Wohnungslosigkeit zu verhindern.

Für Gerald Loacker (NEOS) klinge das Gesetz zwar gut, habe aber einen Fehler. Es garantiere nämlich nicht, dass die Mittel jenen Menschen zugutekommen, die sie brauchen. Er sprach sich für ein zielgerichtetes Gesetz mit objektiven Förderkriterien aus. Peter Wurm (FPÖ) zeigte sich überzeugt, dass die einfachen Leute die Zeche für die Corona-Krise zahlen. Er kritisierte, dass Anträge etwa zu den Kreditstundungen oder zur Hacklerregelung im Ausschuss vertagt und damit auf die lange Bank geschoben würden.

Verlängerung der Corona-Sonderregelung im Freiwilligengesetz

Im vergangenen Jahr hat der Nationalrat eine Notfallregel für jene Jugendlichen beschlossen, die einen Freiwilligendienst im Ausland wie ein soziales Jahr oder einen Gedenkdienst aufgrund der Corona-Pandemie vorzeitig beenden mussten bzw. müssen. Betroffenen TeilnehmerInnen ist es seither möglich, ihren Auslandsdienst im Inland fortzuführen, wenn dies aufgrund von "Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfangs und außerordentlichen Notständen" erforderlich ist. Dieses Sicherheitsnetz wird nun bis Ende Dezember 2022 verlängert werden. Gleichzeitig wird festgelegt, dass geänderte Einsatzvereinbarungen der Zustimmung des Sozialministers bedürfen. Die entsprechende Änderung im Freiwilligengesetz wurde einstimmig beschlossen.

Ehrenamtliche Tätigkeit habe in Österreich zurecht einen hohen Stellenwert, sagte Kira Grünberg (ÖVP). Es brauche daher Rechtssicherheit für jene jungen Menschen, die das Ehrenamt auch im internationalen Kontext leben. Auch Ralph Schallmeiner (Grüne) bezeichnete die Verlängerung der Sonderregelung als wichtig. Man müsse jedoch weitere Anstrengungen unternehmen, um den freiwilligen Auslandsdienst besser voranzutreiben.

Auch Yannick Shetty (NEOS) begrüßte die Fristverlängerung, forderte aber mehr Taten für Freiwillige. Elisabeth Feichtinger (SPÖ) 

Feichtinger betonte, dass die Pandemie gezeigt habe, wie wichtig ehrenamtliches Engagement sei, etwa bei der Organisation von Massentests. Auch sie drückte ihre Unterstützung für die Verlängerung aus.

FPÖ-Entschließungsanträge abgelehnt

Keine Mehrheit fand ein Vorschlag der Freiheitlichen für eine bundesweite Genossenschaft für Pflege und Betreuung, der bereits einmal vom Nationalrat abgelehnt worden war. Nach Vorstellung der FPÖ könnte die Genossenschaft PflegerInnen und BetreuerInnen beschäftigen und den Pflegebedürftigen zur Verfügung stellen. Ebenso könnte sie Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen organisieren.

Erneut abgelehnt hat der Nationalrat außerdem einen weiteren Entschließungsantrag der FPÖ zum Thema Sozialhilfe. Die Freiheitlichen pochten darin weiter drauf, dass die Sozialhilfe-Gesetze der Länder – unter Bedachtnahme auf das einschlägige VfGH-Erkenntnis – an das Grundsatzgesetz des Bundes angepasst werden und für die vom VfGH aufgehobenen Gesetzesteile auf Bundesebene verfassungskonforme Regelungen beschlossen werden. (Fortsetzung Nationalrat) kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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