Parlamentskorrespondenz Nr. 954 vom 19.08.2021

2. Erwachsenenschutz-Gesetz: Kosten höher als erwartet

Justizministerium legt Nationalrat Evaluierungsbericht vor

Wien (PK) – Einer Entschließung des Nationalrats kommt das Justizministerium mit dem vorliegenden Bericht zur Evaluierung der finanziellen Auswirkungen des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes nach, das am 1. Juli 2018 in Kraft getreten ist. Leitgedanke der grundlegenden Reform des damaligen Sachwalterrechts war die Förderung der Selbstbestimmung von Menschen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind.

In diesem Sinn wurden laut Bericht (III-376 d.B.) die Möglichkeiten zur autonomen Vorsorge und zur selbstbestimmten Entscheidung erweitert. Außerdem hat man mit dem Gesetz den Geltungsbereich des Heimaufenthaltsgesetzes auf Einrichtungen zur Pflege und Erziehung Minderjähriger erweitert, um eine häufig kritisierte Rechtsschutzlücke zu schließen.

Eine zentrale Rolle bei der Verwirklichung der mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz angestrebten Ziele kommt den vom Justizministerium zu finanzierenden Erwachsenenschutzvereinen zu, die, wie es im Bericht heißt, zu einer "Drehscheibe der Rechtsfürsorge" ausgebaut werden sollen und deren Aufgaben daher erheblich erweitert wurden. Diese Aufgabenerweiterung machte einen substanziellen Personalausbau bei den Erwachsenenschutzvereinen und eine deutliche Anhebung der Förderung durch das Justizministerium erforderlich.

Kalkulierter Mehraufwand überschritten

Konkret ist der kalkulierte Mehraufwand für diesen Bereich seit 2019 überschritten worden, was laut Bericht vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen ist. Zum einen war die beschlossene Erweiterung des Geltungsbereichs des Heimaufenthaltsgesetzes auf Einrichtungen zur Pflege und Erziehung Minderjähriger in der Regierungsvorlage noch nicht enthalten – der Mehraufwand für den Personalausbau bei den Erwachsenenschutzvereinen wäre demnach von vornherein um 3,4 Mio. € höher anzusetzen gewesen.

Zum anderen hat sich die Annahme, dass die Erwachsenenschutzvereine durch den Rückgang der gerichtlichen Erwachsenenvertretungen ab 2020 deutlich entlastet werden können, nicht bewahrheitet. Vielmehr habe sich einerseits ein massiver und kontinuierlicher Anstieg des Aufgabenumfangs der Vereine in den Bereichen Clearing/Beratung/Registrierung sowie Bewohnervertretung und andererseits kein Rückgang bei den von den Vereinen in der gerichtlichen Erwachsenenvertretung vertretenen Personen gezeigt, berichtet das Justizministerium.

Für die kommenden Jahre sei tendenziell mit einem weiter anhaltenden Anstieg bzw. zumindest mit einer Stabilisierung auf hohem Niveau zu rechnen, sodass die den Vereinen zur Umsetzung des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes zur Verfügung gestellten Kapazitäten zumindest mittelfristig nicht reduziert werden können, sondern sogar ein leichter Ausbau notwendig erscheine.

Insgesamt wird der finanzielle Mehraufwand durch das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz dem Bericht zufolge von rund 9,6 Mio. € im Jahr 2018 auf etwa 16,9 Mio. € im Jahr 2022 steigen. Zusammen mit dem - valorisierten - Finanzierungsbedarf bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes geht das Justizressort von einem Gesamtförderbedarf für diesen Bereich für das Jahr 2022 von etwa 58,85 Mio. € aus.

Zu einer deutlichen Einsparung ist es laut Bericht demgegenüber bei den überwiegend aus Amtsgeldern zu bezahlenden Sachverständigenkosten gekommen, die noch stärker ausgefallen sind als angenommen. Schätzungen zufolge hat es hier etwa im Jahr 2020 gegenüber 2017 Einsparungen von rund 4,5 Mio. € gegeben. Für die Folgejahre sei allerdings vorübergehend wieder mit einer leichten Zunahme der Kosten zu rechnen, so der Bericht. (Schluss) mbu