Parlamentskorrespondenz Nr. 999 vom 21.09.2021

Internationale Freiwilligeneinsätze: Trend zu mehr, aber kürzeren Einsätzen

Bundesratspräsident Peter Raggl: Politik muss Menschen motivieren, ehrenamtliches Engagement wieder aufzunehmen

Wien (PK) – Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie wichtig ehrenamtliches Engagement ist. Eine besondere Form des Ehrenamts sind internationale Freiwilligeneinsätze. Welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie hier hatte und welche Rahmenbedingungen die Einsätze benötigen, beleuchtete die Veranstaltung "Internationale Freiwilligeneinsätze 2020 – Rückschau und Ausblicke" gestern Abend im Parlament. Dabei wurden die Ergebnisse des gleichnamigen Berichts von "WeltWegWeiser", einer Servicestelle für internationale Freiwilligeneinsätze, die von der Organisation "Jugend Eine Welt" getragen wird, präsentiert.

Gesetze könnten nicht normieren, dass Freiwillige ein Ehrenamt ausüben, zeigte sich Bundesratspräsident Peter Raggl in seiner Eröffnungsrede überzeugt. Es sei aber – insbesondere nach der COVID-19-Pandemie – Aufgabe der Politik, Menschen zu motivieren, ihr ehrenamtliches Engagement wieder aufzunehmen. Es müsse das Bewusstsein gestärkt werden, dass das Ehrenamt etwas Unverzichtbares für die Gesellschaft sei. Viele Bereiche des öffentlichen Lebens seien ohne diesen Einsatz nicht denkbar.

Organisationen im internationalen Freiwilligeneinsatz hätten das Ziel, die Welt zum Besseren zu verändern, betonte Raggl weiter. Ehrenamtliche würden mit ihrem internationalen Einsatz Solidarität mit jenen Menschen zeigen, die nicht das Glück haben, in einem Staat wie Österreich mit einem dichtmaschigen sozialen Netz und einer fast unglaublichen Anzahl an Ehrenamtlichen leben zu können. Der Bundesratspräsident bedankte sich bei allen im internationalen Freiwilligeneinsatz Engagierten. Sie seien Botschafterinnen und Botschafter Österreichs im Zeichen des Friedens und der Mitmenschlichkeit.

Heiserer: Perlen unserer Gesellschaft zum Leuchten bringen

Der Freiwilligeneinsatz sei eine Erfahrung, die einen ein Leben lang prägt, betonte Reinhard Heiserer, Geschäftsführer und Mitgründer der Organisation "Jugend eine Welt", aus seiner seinerzeitigen Erfahrung als Freiwilliger. Freiwillige würden Brücken in dieser globalisierten Welt schlagen. Sie seien Perlen unserer Gesellschaft, denen eine wichtige Rolle zukomme. Sie würden Kulturen, Länder, Freundschaften und Beziehungen verknüpfen. Genau dieses Zusammenrücken und einen solchen Schulterschluss brauche man heute in Zeiten der Abgrenzung, zeigte sich Heiserer überzeugt. An die Politik appellierte er, auf diese Perlen zu schauen und sie "zum Leuchten zu bringen".

Präsentation des Berichts: Mehr, aber kürzere Einsätze

Der Bericht "Internationale Freiwilligeneinsätze 2020: Rückschau und Ausblicke" zeigt, dass 2020 trotz der COVID-19-Krise die Zahl der Einsätze zwar zurück ging, der Einbruch aber nicht das befürchtete Ausmaß erreichte. Ein weiterer Trend, der beobachtet werden konnte, sei, dass die Einsätze kürzer werden. Dauerten 2015 noch 49% aller Einsätze zwischen zehn und zwölf Monaten, waren es 2018 nur mehr 44%. Es zeige sich ein Trend zu mehr, aber dafür kürzeren Einsätzen. Die geringere Anzahl und teilweise verkürzten Einsätze im Jahr 2020 stehe wohl vorwiegend mit der Pandemie in Verbindung, wird im Bericht angeführt. Die ursprünglich geplante Dauer der Einsätze im Ausland konnte aufgrund von COVID-19 oft nicht eingehalten werden – viele Freiwilligen kehrten verfrüht zurück. Einige von ihnen konnten ihren Einsatz aber in Europa beziehungsweise in Österreich fortführen und abschließen. Die meisten Einsätze fanden in Ecuador gefolgt von Indien sowie Israel und Palästina statt.

Ein Großteil der Freiwilligen ist dem Bericht nach zwischen 18 und 25 Jahren alt (84%). Die Mehrheit der Freiwilligen sind wie in vergangenen Jahren Frauen mit 56,12%, tendenziell scheint sich das Verhältnis zwischen Männern und Frauen aber auszugleichen. 98,4% der Freiwilligen haben Matura oder einen Universitätsabschluss. Künftig wolle man mehr Menschen mit Pflichtschul- oder Lehrabschluss ansprechen, führten Sophia Stanger und Tamia Alcázar von der Servicestelle "WeltWegWeiser" bei der Berichtspräsentation an.

Nach einem massiven Rückgang der Einsätze aufgrund der Pandemie zeigen die Prognosezahlen, dass viele Entsendeorganisationen ab Herbst 2021 wieder deutlich mehr Einsätze planen. Insgesamt brauche es gute gesetzliche Rahmenbedingungen, führte Sophia Stanger aus und setzte hier Hoffnungen in die aktuell nach ihren Ausführungen laufende Evaluierung des Freiwilligengesetzes.

Brandstätter: Freiwilligendienst war eine der besten Entscheidungen

Es sei eine der besten Entscheidungen seines Lebens gewesen, sich für einen internationalen Freiwilligendienst im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres zu entscheiden, berichtete Florian Brandstätter. Vergangenes Jahr arbeitete er in einer Schule, die der armen Landbevölkerung eine gute und günstige Ausbildung ermöglichte. Er habe damit einen einzigartigen Einblick in das Land und seine Bevölkerung erhalten, führte er aus.

Gahleitner: Freiwillige vor Überforderung schützen

Susanne Gahleitner, stellvertretende Obfrau der Organisation "Braveaurora", berichtete über die Projekte ihres Vereins für gefährdete Kinder und deren Familien in Ghana. Sie zeigte sich überzeugt, dass man Freiwillige vor Überforderung schützen müsse. Ihr Verein bemühe sich deswegen um eine gute Begleitung und Vorbereitung angehender Freiwilliger. Dies sei in Corona-Zeiten noch wichtiger geworden. Es gebe vor und während jedes Einsatzes eine Risikoabwägung.

Schwerpunktjahr #ehrenamt2021

Die Veranstaltung fand im Rahmen des Schwerpunktjahrs "Ehrenamt 2021" des Parlaments statt. Das Parlament widmet jedes Jahr einem gesellschaftlich oder historisch wichtigen Thema. 2021 steht das ehrenamtliche Engagement im Mittelpunkt. Dazu gibt es im Laufe des Jahres ein breites Programm an Aktivitäten. So können sich BürgerInnen etwa auf der Crowdsourcing-Plattform des Parlaments zum Thema Ehrenamt bis Ende September einbringen. Am Wiener Heldenplatz ist außerdem eine Freiluftausstellung und -installation zu sehen. Ein Symposium im Oktober wird den Status quo und mögliche Perspektiven thematisieren. Den Abschluss des Schwerpunktjahres wird es rund um den Internationalen Tag des Ehrenamts am 5. Dezember geben. Mehr unter www.parlament.gv.at/EHRENAMT. (Schluss) pst

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments.