Parlamentskorrespondenz Nr. 1193 vom 27.10.2021

Verwaltungsgerichtshof: Arbeitsaufkommen stagniert auf hohem Niveau

Tätigkeitsberichte 2019 und 2020 liegen Nationalrat vor

Wien (PK) – Die jahrelange Steigerung der Verfahrenszahl am Verwaltungsgerichtshof scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Der Neuanfall an Rechtssachen stagniere, wenn auch auf hohem Niveau, heißt es sowohl im Tätigkeitsbericht von 2019 als auch in jenem von 2020 (III-451 d.B.). In beiden Jahren kamen mehr als 7.000 neue Fälle zum Höchstgericht, allerdings wurden, 2020 anders als im Jahr davor, mehr Fälle abgearbeitet, als neu hinzukamen.

Essentiell für die zügige Fallabwicklung trotz Kontaktbeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie war aus VwGH-Sicht die Möglichkeit der Beschlussfassung im Umlaufweg. Weiters machte der Verwaltungsgerichtshof verstärkt von der – als Pilotprojekt gestarteten - elektronischen Aktenführung, von Homeoffice und von Videokonferenzen für Beratungen Gebrauch. Besonders komplexe Verfahren, die einer ausführlichen Beratung bedürfen, konnten im Jahr 2020 jedoch nur in geringerer Zahl erledigt werden, merkt der VwGH an. Eine Verlängerung der Verfahrensdauer in kommenden Jahren als Folge der Pandemie wolle man daher nicht ausschließen.

Meiste Verfahren im Asylbereich

Wie schon in den Vorjahren betraf 2020 laut Bericht der größte Teil an Verfahren – rund 2.700 - Asylangelegenheiten; 2019 waren es rund 2.900 Verfahren. Die weiterhin hohe Zahl an neuen Verfahren in Asylsachen führt der Verfassungsgerichtshof auf die zahlreichen Anträge auf internationalen Schutz zurück, die ab 2015 in Österreich gestellt wurden. Durch die personelle Aufstockung sowohl des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wie auch des Bundesverwaltungsgerichtes sei es zu einem Anstieg der Erledigungszahlen durch diese Instanzen gekommen, wird der Anstieg an Anfallszahlen beim Verwaltungsgerichtshof erklärt. Angesichts der Bemühungen des Bundesverwaltungsgerichtes, seine Rückstände abzubauen, erwartet der VwGH in nächster Zeit keine Änderung dieser Entwicklung. Vielmehr sei unabhängig von der Zahl an gestellten Asylanträgen in den kommenden Jahren mit einer etwa gleichbleibenden Belastung zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund mahnt der Verwaltungsgerichtshof einmal mehr Verbesserungen im Personalstand ein, für den über 90% des Budgets gebunden seien. 2020 habe man wie schon in den Vorjahren die Möglichkeiten von Einsparungen im Personalbereich vollständig ausreizen müssen. Zwecks Einhaltung der budgetären Vorgaben seien Nachbesetzungen von freien Stellen oft mit beträchtlicher zeitlicher Verzögerung erfolgt, was die Aufgabenbewältigung erschwere.

Geschäftsjahre 2019 und 2020

Aus dem Tätigkeitsbericht 2019 geht hervor, dass in diesem Jahr 7.726 neue Rechtssachen beim Verwaltungsgerichtshof eingingen bzw. Verfahren wiedereröffnet wurden; aus den früheren Jahren waren 2.696 Verfahren offen. Zu Jahresende 2019 standen 7.256 abgeschlossenen Verfahren 3.166 anhängige Fälle gegenüber, um 19% mehr als noch 2018. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 3,7 Monate.

Für das Jahr 2020 weist der diesbezügliche Tätigkeitsbericht 7.014 neue Rechtssachen beim Verwaltungsgerichtshof aus; aus den früheren Jahren seien im Vorjahr 3.166 Verfahren offen gewesen. Durch 7.051 erledigte Verfahren habe man ein Zuwachs an Rückständen im Ergebnis vermeiden können. Rund 354 Verfahren wurden im Jahresverlauf 2020 wiedereröffnet. Ende 2020 waren damit laut Bericht insgesamt, inklusive der wiedereröffneten Verfahren, 3.483 Verfahren anhängig. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 4,1 Monate.

Sowohl 2019 als auch 2020 entschied der Verwaltungsgerichtshof in 16% der abgeschlossenen Fälle im Sinne der Beschwerdeführenden, geht aus den Berichten hervor (2019: 1.128 Stattgaben, 2020: 1.129 Stattgaben). Dazu kam es in beiden Jahren bei 3% der Fälle zu Abweisungen (2019: 206,  2020: 198). In 2.710 Fällen bzw. bei 38% entschied der VwGH im Vorjahr für eine Zurückweisung (2019: 2.579, 35%), in 512 Fällen bzw. bei 7% für eine Einstellung (2019: 563, 8%). 2.502 Fälle bzw. 36% betrafen sonstige Erledigungen wie Entscheidungen über Anträge auf Verfahrenshilfe (2019: 2.780, 38%).

Die am häufigsten 2020 an das Höchstgericht herangetragenen Materienbereiche waren neben dem Asylrecht mit 2.691 Fällen (2019: 2.966) und dem Fremdenrecht mit 931 Fällen (2019: 739), das Baurecht (2020: 454, 2019: 427) und das Abgabenrecht (2020: 392, 2019: 578). Das Glücksspielrecht, von dem für 2019 noch 270 Verfahren aufgelistet werden, reihte sich 2020 nicht mehr unter die anlassfallbezogen häufigsten Materien des Geschäftsjahres.

EU-Recht als Richtschnur

In mehreren der im Detail ausgeführten Rechtssprüche in den Berichten verweist der Verwaltungsgerichtshof auf Sprüche des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie Grundsätze des Europäischen Rechts, die er als Grundlage für seine Erkenntnisse heranzog.

Bei der Entscheidung über eine Beschwerde gegen den Bau einer dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat hob der VwGH  2019 das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auf, das eine Genehmigung der dritten Piste aus Klimaschutzgründen untersagt hatte. Das Recht der Europäischen Union setze mit dem sogenannten "Emissionshandelssystem" auf eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen durch die Luftfahrtgesellschaften, so die Erklärung, nicht aber durch die Flughafenbetreiber.

Der Frage, ob gegen einen Café-Betreiber, der ohne Bewilligung zwei Glückspielautomaten aufgestellt hatte, zu hohe Strafen verhängt worden waren, stellte sich 2020 der Gerichtshof vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des EuGH in diesem Bereich. Anders als in einem vergleichbaren EuGH-Fall, bei dem die Strafe wegen der Verletzung einer bloßen Anmelde- oder Umtauschverpflichtung als überzogen zurückgewiesen wurde, wertete der VwGH im gegenständlichen Fall die Strafe als gerechtfertigt. Das Sanktionsziel sei nämlich gewesen, eine unrechtmäßige Handlung zu unterbinden, die eine hohe Sozialschädlichkeit aufweise. (Schluss) rei