Parlamentskorrespondenz Nr. 213 vom 03.03.2022

Datenschutz-Fachtagung: VerfassungssprecherInnen der Fraktionen legen Positionen dar

Austausch im Spannungsfeld zwischen Rechtsschutz und Kontrollfunktion

Wien (PK) – Im Rahmen der heutigen Fachtagung über "Datenschutz im Bereich der Gesetzgebung" erläuterten die VerfassungssprecherInnen die Standpunkte ihrer Fraktionen zu diesem Themenkomplex. Neben mehreren international besetzten Expertenrunden, die die Anwendbarkeit der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in der österreichischen Legislative beleuchteten, diskutierten die BereichssprecherInnen ihre jeweiligen Sichtweisen auf die datenschutzrechtliche Praxis im parlamentarischen Betrieb. In der vom Sprecher der Parlamentsdirektion Karl-Heinz Grundböck moderierten Diskussion herrschte weitgehende Einigkeit, dass Handlungsbedarf bestehe, dem am besten mit einer unabhängigen, außerparlamentarischen Instanz begegnet werden könne. Divergenzen betrafen die Gewichtung der datenschutzrechtlichen Aspekte einerseits und der Wahrung der Kontrollfunktion bzw. dem Interpellationsrecht andererseits. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka betonte die Wichtigkeit, die notwendigen weiteren Schritte gemeinsam zu setzen.

Nationalratspräsident Sobotka: Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie die DSGVO angewandt wird

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zog eingangs sein Resümee aus den vorangegangenen Fachreferaten und stellte fest, dass es nicht mehr die Frage sei, ob man sich mit der Umsetzbarkeit der DSGVO in der Gesetzgebung auseinandersetzen müsse, sondern nur mehr in welcher Form dies zu erfolgen habe. In Erwartung des EuGH-Urteils sei es nun wichtig, sich in alle Richtungen vorzubereiten. Seiner Einschätzung nach wäre die Regelung dieser Thematik durch eine politisch besetzte Instanz, etwa in Gestalt eines eigenen Ausschusses oder über die Präsidiale weniger zielführend, als die Einrichtung einer eigenen, unabhängigen Stelle. Dabei sollten die Instanzenzüge jenen von außerparlamentarischen Stellen nachgebildet werden, so Sobotka. Er begrüßte den darauf folgenden Austausch unter den VertreterInnen der Parlamentsfraktionen, da es entscheidend sei, eine einvernehmliche Lösung zu finden und die dafür notwendigen Schritte gemeinsam zu setzen.

Gerstl (ÖVP): Vertrauen ist Grundthema der Diskussion

In Hinblick auf zuletzt offenbar gewordene Missstände und die aktuelle Verhaftung eines ehemaligen Regierungsmitglieds hob Wolfgang Gerstl das Vertrauen – sowohl in Personen als auch in Institutionen – als Grundthema der Diskussion hervor. Dieses sei unter anderem durch Rechtsschutzdefizite innerhalb und außerhalb des Parlaments immer mehr untergraben worden. So seien beispielsweise Informationen an die Öffentlichkeit gelangt, die nicht hätten publiziert werden dürfen. Deshalb müsse es wie in anderen Bereichen auch im parlamentarischen Prozess für Betroffene die Möglichkeit geben, einen Instanzenzug zu beschreiten, um ihre Rechte zu wahren. Wolgang Gerstl äußerte übereinstimmend mit Nationalratspräsident Sobotka seine Präferenz für eine außerparlamentarische Stelle für datenschutzrechtliche Fragen, da bei der Einrichtung eines parlamentarischen Organs die Gefahr parteipolitischen Agierens nicht von der Hand zu weise wäre. Weiters regte Gerstl die Idee eines Rechtsschutzbeauftragten innerhalb dieser Stelle an, der unabhängig und verfassungsrechtlich weisungsfrei handeln können solle.

Obrecht (SPÖ): Interpellationsrecht ohne Vorzensur muss gewahrt bleiben

SPÖ-Bundesrat Sascha Obrecht sah hinsichtlich der Rechtsschutzdefizite Handlungsbedarf - unabhängig von der Entscheidung des EuGH. Dieser würde vor allem die Handlungsweisen bei klassifizierten Akten, parlamentarischen Anfragen und Untersuchungsausschüssen betreffen. Ambivalent stand er dem ÖVP-Vorschlag eines eigenen Datenschutzbeauftragten gegenüber, da bei dessen Bestellung die Opposition einfach überstimmt werden könne. Um das zu verhindern, müsse die Bestellung eine Zweidrittelmehrheit voraussetzen. Laut Obrecht brauche es insbesondere im Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Interpellationsrecht, dessen Wahrung für die parlamentarischen Prozesse essentiell sei, ein besonderes Fingerspitzengefühl. Hier dürfe es keine Form der "Vorzensur" geben, was abgefragt werden dürfe und was nicht.

Fürst (FPÖ): Keine Verschiebungen in fragiler Balance zwischen Legislative und Exekutive

Allen Fraktionen sei das Grundrecht auf Datenschutz ein wichtiges Anliegen, schickte die Verfassungssprecherin der FPÖ Susanne Fürst voraus und bemängelte dessen vielfache Verletzung in den letzten Monaten. Hier gebe es offensichtliche Defizite, deren Behebung den Abgeordneten nun Kreativität abverlange. Auch sie sehe die Notwendigkeit, diese Missstände abzuschaffen, sei jedoch vorsichtig, was Eingriffe in die parlamentarischen Prozesse angehe. Es dürfe nämlich keine Verschiebungen in der "fragilen Balance zwischen Legislative und Exekutive geben". Diese wären das Ergebnis einer zu starken Beschneidung der parlamentarischen Kontrollrechte.

Sirkka Prammer (Grüne): Rechtsschutz ist nicht das Gegenstück zu Kontrollrechten

Nicht alles was unangenehm sei, würde einen Missstand darstellen, denn Kontrollrechte seien per se unangenehm für diejenigen, die kontrolliert werden, warf Agnes Sirkka Prammer von den Grünen ein. Auch sie sah das von den VorrednerInnen angesprochene Spannungsverhältnis, wobei sie den Rechtsschutz nicht als Gegenstück zu den Kontrollrechten betrachte, sondern als eine Notwendigkeit für deren Umsetzung. Untersuchungsausschüsse stellten laut Prammer einen "Extremfall" für Fragen des Datenschutzes dar, der grundsätzlich nicht die tägliche Arbeit im Parlament wiederspiegele. Die nun zu findenden Lösungen müssten am parlamentarische Alltag orientiert sein und gleichzeitig auch Regelungen für diese Extremfälle bieten. Prammer sprach sich ebenfalls für eine unabhängige Instanz aus, die einerseits die persönlichen Informationen schütze und andererseits das Interpellationsrecht nicht aushöhlen dürfe.

Scherak (NEOS): DSGVO darf Kontrollfunktion nicht einschränken

Der parlamentarische Betrieb stelle eine Sondersituation dar, die nicht mit anderen Bereichen zu vergleichen sei, hielt NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak fest. Die Kontrollfunktion des Parlaments und insbesondere der Opposition dürfe durch die Anwendung der DSGVO nicht eingeschränkt werden. Den Missständen bezüglich der Verletzung von Persönlichkeitsrechten stünden auch Missstände, was die Vorenthaltung notwendiger Informationen betreffe gegenüber. Auch er erachtete die außerparlamentarische Ansiedlung einer unabhängigen Instanz für sinnvoll, um die Klärung der datenschutzrechtlichen Fragen "von den Politikern wegzuhalten". Eine Schwierigkeit sah er in der Kommunikation der Sonderregelungen für das Parlament nach außen, da die Bevölkerung diese nicht verstehen würden. Generell gebe es in dieser Frage wohl kein Patentrezept und rechtlich würde sie wahrscheinlich nie abschließend geklärt werden, so Scherak.  (Schluss Fachtagung) wit

HINWEIS: Die Fachtagung kann auch via Livestream mitverfolgt werden und ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar. Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments.