Parlamentskorrespondenz Nr. 417 vom 27.04.2022

Nationalrat beschließt Verlängerung des COVID-19-Maßnahmengesetzes bis Ende Juni 2023

Minister Rauch will nicht unvorbereitet in den Herbst hineingehen und spricht von einer Vorsichtsmaßnahme

Wien (PK) – Das COVID-19-Maßnahmengesetz, das zu Lockdown-Zeiten große Bedeutung hatte und Ende Juni ausgelaufen wäre, wird nun bis Mitte kommenden Jahres gelten. Eine nochmalige Verlängerung um maximal sechs Monate bis 31. Dezember 2023 ist per Verordnung durch die Bundesregierung möglich. Der entsprechende Initiativantrag der Koalitionsparteien wurde heute mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ im Plenum des Nationalrats beschlossen. Damit werden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um sich auf die jeweilige Entwicklung der Corona-Lage im Herbst vorzubereiten und allenfalls Maßnahmen treffen zu können, unterstrich Gesundheitsminister Johannes Rauch.

Kritik an der Gesetzesinitiative kam von Seiten der FPÖ und der NEOS. Statt die bisherige Politik fortzuschreiben, sollten nach Auffassung des freiheitlichen Gesundheitssprechers Gerhard Kaniak zunächst einmal die in der Vergangenheit gesetzten Maßnahmen evaluiert und für eine valide Datenbasis gesorgt werden. Weiters erneuerte er seine Forderung nach einem Ausbau der Behandlungskapazitäten, einer Aufstockung des Personals und einer Stärkung des niedergelassenen Bereichs. Mit der Verlängerung der gesetzlichen Ausnahmeregeln um ein weiteres Jahr beschreite Österreich wieder einmal einen Sonderweg in Europa, beklagte NEOS-Vertreter Gerald Loacker. Man müsse endlich lernen, mit dem Virus zu leben.

Eine große Mehrheit fand das EU-Berufsanerkennungsgesetz, das europarechtliche Vorgaben umsetzt und einen partiellen Berufszugang zu bestimmten Gesundheitsberufen gewährleistet. Die FPÖ lehnte als einzige Partei die Regierungsvorlage kategorisch ab, da laut Gerhard Kaniak eine bedingte Berufszulassung in der Praxis kaum umsetzbar sei. In der Minderheit blieb ein im Zuge der Sitzung eingebrachter Entschließungsantrag der Freiheitlichen, in dem ein sofortiges Ende der Maskenpflicht insbesondere im Handel verlangt wurde.

Verlängerung des COVID-19-Maßnahmengesetzes bietet rechtlichen Rahmen für mögliches Infektionsgeschehen im Herbst

Da die Corona-Krise noch nicht vorbei sei, brauche es weiterhin einen rechtlichen Rahmen für die Pandemiebekämpfung in Österreich, brachte Abgeordneter Ralph Schallmeiner (G) als Argument für die Verlängerung des COVID-19-Maßnahmengesetzes vor. Das Ressort arbeite intensiv an der Entwicklung von verschiedenen Szenarien, um sich gut auf ein mögliches Infektionsgeschehen im Herbst vorzubereiten. Sollten wieder Maßnahmen erforderlich sein, dann brauche es auch geeignete gesetzliche Grundlagen. Daran anschließend betonte auch Josef Smolle (V), dass vorausschauend und zeitgerecht gehandelt werden müsse. Reagiert werde nur dann, wenn es notwendig ist, versicherte er. Überdies müssten sämtliche Maßnahmen, die in die persönliche Freiheit eingreifen, wieder vom Hauptausschuss des Nationalrats bestätigt werden.

Seine Fraktion lehne die Verlängerung des COVID-19-Maßnahmengesetzes aus drei Gründen ab, erklärte der freiheitliche Gesundheitssprecher Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ). So sei man aus demokratiepolitischen Gründen nicht einverstanden damit, dass die Verordnungsermächtigung bis Ende 2023 prolongiert werde. Außerdem werde mit dem Gesetz nicht nur das Chaos im Krisenmanagement fortgesetzt, sondern auch die Diskriminierung von genesenen und gesunden Menschen fortgeschrieben. Internationale Studien würden deutlich belegen, dass die Schutzwirkung der dritten Impfung nach drei Monaten kaum mehr vorhanden sei. Statt den bisherigen Weg weiter zu beschreiten, sollten zunächst einmal die Maßnahmen in der Vergangenheit gründlich evaluiert werden, schlug er dem Gesundheitsminister vor. Dringenden Handlungsbedarf gebe es in Österreich auch hinsichtlich der Datenlage, der Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals, der Ausstattung der Gesundheitsbehörden und der Aufklärung der Menschen. Sein Fraktionskollege Gerald Hauser mahnte eine Rückkehr zur Normalität ein; Corona müsse wie eine Grippe behandelt werden. Außerdem zog er abermals die Wirkung der vorhandenen Impfstoffe in Zweifel, die noch dazu sehr viele Nebenwirkungen aufweisen würden.

Wenig Gefallen an der Verlängerung des Gesetzes fand auch Gerald Loacker (NEOS), weil damit seiner Meinung nach wieder einmal ein Sonderweg in Europa beschritten werde. Alle anderen Länder hätten die Schutzmaßnahmen gegen Corona mittlerweile auf ein Minimum zurückgefahren. Und wer brauche heutzutage noch Zweckzuschüsse, Überbrückungshilfen oder Impfstraßen? Nicht einmal bei den COVID-19-Medikamenten sei es gelungen, den Einkauf auf dem regulären Weg abzuwickeln. Loacker gab zu bedenken, dass die Fortführung des Ausnahmezustands vor allem enorme Kosten verursache. Dennoch stehe Österreich in sehr vielen Bereichen im internationalen Vergleich ziemlich schlecht dar, zeigte Loacker auf. Es mache daher keinen Sinn, unnötige Maßnahmen noch länger aufrecht zu erhalten. Während die Bevölkerung bereits gelernt habe, mit dem Virus zu leben, wolle die Politik noch immer "vom Virus leben".

Es sei richtig, dass die Regierung mit ihrem "Zick-Zack-Kurs" in Sachen Corona vieles falsch gemacht habe, konstatierte SPÖ-Mandatar Philip Kucher, aber Kritik an allem bringe das Land auch nicht weiter. Nachdem nun schon zwei Mal der Sommer verschlafen wurde, müsse das Gesundheitsressort seine Hausaufgaben machen und die rechtliche Basis sicherstellen, falls im Herbst wieder Maßnahmen notwendig sein werden. Dietmar Keck (SPÖ) erinnerte daran, dass in der Vergangenheit eine Flut an oft unklaren Verordnungen erlassen wurde, die zu viel Verunsicherung in der Bevölkerung geführt hätten; dies dürfe in Zukunft nicht mehr passieren. Christian Drobits (S) mahnte ein, dass Maßnahmen rechtzeitig gesetzt werden müssen. Besonderes Augenmerk sollte der Umsetzung einer Datenoffensive, der Einleitung einer Pflegereform sowie der Abfederung der Teuerung im Bereich der Lebensmittel, der Mieten und der Energie geschenkt werden.

Bundesminister Johannes Rauch sprach von einer notwendigen Vorsichtsmaßnahme, da niemand wisse, wie sich die Pandemie im Herbst entwickle. Parallel dazu nehme man Anpassungen bei der Test- und Impfstrategie vor und sorge dafür, dass ausreichend Arzneimittel zur Verfügung stehen. Was die Datenlage angeht, so habe man aus den Fehlern gelernt, versicherte er. Auch wenn die Situation derzeit sehr gut aussehe, da viele Menschen genesen seien, hielt Rauch ein Plädoyer für die Auffrischungsimpfung im Herbst. Der gute Schutz durch die Impfung werde gerade zu einem Zeitpunkt abnehmen, wo wieder mit einer Welle gerechnet werden müsse, warnte er.

Vollständige Umsetzung der EU-Vorgaben in Sachen partieller Zugang zu bestimmten Gesundheitsberufen

Durch das EU-Berufsanerkennungsgesetz-Gesundheitsberufe 2022 (EU-BAG-GB 2022) werden Änderungen in folgenden acht Rechtsmaterien vorgenommen: Ärztegesetz, Apothekengesetz, Apothekenkammergesetz, Gehaltskassengesetz, Hebammengesetz, Tierärztegesetz, Zahnärzte- und Zahnärztekammergesetz. Dabei geht es im Sinne der Förderung des freien Personen- und Dienstleistungsverkehrs um die Verpflichtung, Berufsangehörigen aus anderen Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen einen partiellen Berufszugang zu einem reglementierten Beruf zu gewähren. Die Regierungsvorlage wurde nur von der FPÖ nicht unterstützt und somit mehrheitlich angenommen.

Hintergrund dafür ist, dass Österreich nach Auffassung der Europäischen Kommission die geänderte EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie eine damit im Zusammenhang stehende Verordnung nur unzureichend umgesetzt hat. Dies hat in der Folge zu drei Vertragsverletzungsverfahren geführt. Da in dieser Causa nun auch ein höchstgerichtliches Urteil des EuGH vorliegt und Österreich ein Verfahren ohne Erfolgsaussichten vermeiden will, sollen nun die entsprechenden Bestimmungen auch für die ÄrztInnen, ZahnärztInnen, TierärztInnen, ApothekerInnen und Hebammen nachvollzogen werden. Weiters werden die erforderlichen Anpassungen bei den berufs- und kammerrechtlichen Regelungen vorgenommen.

Mit dem heutigen Beschluss soll EU-Konformität hergestellt werden, erklärte Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP), deshalb müssen Änderungen in acht Gesetzen vorgenommen werden. Da sich Österreich mit seiner Rechtsmeinung bezüglich der Nichtanwendung der Bestimmungen für die sektoralen Berufe nicht durchsetzen konnte, werden nun die entsprechenden Vorgaben umgesetzt. Insgesamt sei davon auszugehen, dass nur eine sehr geringe Anzahl von im EWR-Ausland ausgebildeten Berufsangehörigen die Voraussetzungen für einen partiellen Berufszugang zu einem der betroffenen Gesundheitsberufe erfüllen werden. Auch Ralph Schallmeiner von den Grünen erläuterte die Vorgeschichte, die zur Vorlage des zur Debatte stehenden Gesetzesentwurfs geführt hat. Was die aktuellen Herausforderungen betrifft, so stehe man sicherlich vor einer Herkulesaufgabe, da es oft wenig Veränderungsbereitschaft bei den Beteiligten gebe. Aus seiner Sicht brauche es vor allem eine neue Herangehensweise zwischen der ÖGK und der Ärztekammer, um das Vertragswesen auf moderne Beine zu stellen. 

FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak zweifelte daran, dass die Umsetzung der Richtlinie gut gelungen sei. Er frage sich, wie eine bedingte Berufszulassung in der Praxis funktionieren könne. Könnte es dann z.B. der Fall sein, dass ein Arzt zwar eine Diagnose stelle, aber kein Arzneimittel verordnen dürfe? Oder dass die Hebamme zwar eine Stillberatung mache, aber keine Geburt begleiten könne? Damit sorge man nur für Verwirrung, war Kaniak überzeugt.

Trotz gewisser Mängel werde die SPÖ dem Entwurf zustimmen, der schon lange überfällig war, kündigte Rudolf Silvan (SPÖ) an. Da es nur sehr wenige Personen betreffe, werde es jedoch nichts zur Lösung des Personalmangels im österreichischen Gesundheitswesen beitragen. Da fehle noch immer eine echte Offensive, Probleme würden vor allem in den von Ländern betriebenen Einrichtungen bestehen. Verena Nussbaum (SPÖ) ortete einen Stillstand in der Regierung, die kaum Initiativen setze. Dies zeige sich besonders deutlich im Gesundheits- und Sozialsektor, wo es viele Baustellen gebe.

Abgeordnete Fiona Fiedler (NEOS) hielt die Anpassung des EU-Berufsanerkennungsgesetzes für richtig, weil dadurch die freie Niederlassung in der Europäischen Union mit zugehöriger Berufsanerkennung erleichtert werde. Leider passiere dies mit einer Verspätung von sechs Jahren, wobei sogar ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde. Einen ähnlichen Rückstand gebe es bei der angekündigten Pflegereform, dem Ausbau der Primärversorgungszentren, der Datenlage oder den Lösungen für den eklatanten LandärztInnenmangel. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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