Parlamentskorrespondenz Nr. 444 vom 03.05.2022

Sobotka führt hochrangige Gespräche bei zweitägigem Besuch in Rom

Treffen mit dem Staatspräsidenten, Präsidentin des Senats, Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Innenministerin und Südtiroler Abgeordneten

Wien (PK) – Im Rahmen seiner zweitägigen Rom-Visite wurde Nationalratspräsident Wolfang Sobotka gestern Abend vom italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella im Quirinalspalast empfangen. Zentrales Thema des Austausches war der Krieg in der Ukraine sowie dessen Folgen für Europa und die gesamte Weltordnung. Das umfangreiche Besuchsprogramm beinhaltete zudem noch Treffen mit den PräsidentInnen der beiden Parlamentskammern Maria Elisabetta Alberti Casellati und Roberto Fico, Innenministerin Luciana Lamorgese, VertreterInnen der Jüdischen Gemeinde sowie Südtiroler Abgeordneten.

Krieg in der Ukraine: Antwort Europas mit einer Stimme essenziell

Alle Gesprächspartner waren sich einig, dass der Angriff auf die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine aufs Schärfste zu verurteilen sei und weiterhin gemeinsame, europäische Antworten das Ziel sein müssen. Österreich trage alle Sanktionen gegen Russland mit, betonte Sobotka in den Gesprächen, der Druck auf Russland müsse in sämtlichen internationalen Organisationen aufrechterhalten werden. Entscheidend sei nicht nur das gemeinsame Vorgehen der Europäischen Union in dieser Frage, sondern auch die Unterstützung durch Drittstaaten, um das Umgehen von Sanktionen verhindern zu können. Dennoch gelte es weiterhin, alle verfügbaren diplomatischen Kanäle und Plattformen, auch auf parlamentarischer Ebene zu nutzen. In diesem Sinne sei auch die Reise von Bundeskanzler Karl Nehammer nach Moskau zu betrachten, der Wladimir Putin mit Nachdruck mit den Kriegsverbrechen konfrontiert habe. Angesichts der grauenvollen Bilder von erschossenen ZivilistInnen forderte Sobotka eine lückenlose Aufklärung der Kriegsverbrechen.  

Da Sanktionen nur dann sinnvoll seien, wenn sie einen selbst nicht mehr treffen als den zu Sanktionierenden, lehne Österreich ein sofortiges Gasembargo ab. Dies hätte massive Auswirkungen auf die heimische Industrie und Wirtschaft, gab Sobotka zu bedenken. Dennoch sei es auch im Sinne einer klimafreundlichen Zukunft wichtig, langfristig die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl bzw. generell von fossilen Energieträgern deutlich zu verringern. Von italienischer Seite wurde der Vorschlag einer Gaspreisobergrenze sowie ein europäisches System zur Beschaffung und solidarischen Verteilung von Erdgas ventiliert.

Weiters zeigten sich sämtliche Gesprächspartner besorgt über die hohe Zahl an Vertriebenen aus der Ukraine. Man gehe bereits davon aus, dass es sich um die am schnellsten wachsende Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg handelt, stellte Sobotka fest. Österreich leiste umfangreiche humanitäre Hilfe, wobei nicht nur die Ukraine selbst, sondern auch die stark betroffenen Nachbarländer wie z.B. die Republik Moldau unterstützt würden.

Weiterer Ausbau der ausgezeichneten bilateralen Beziehungen wird angestrebt

Bei seinem Gespräch mit Sergio Mattarella, der heuer zum zweiten Mal auf weitere sieben Jahre in Rom zum Staatspräsidenten gewählt wurde, hob Sobotka auch die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Italien auf den verschiedensten Ebenen hervor. Italien sei nicht nur der zweitgrößte Handelspartner für Österreich, sondern auch ein guter und konstruktiver Partner bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der Südtirol-Autonomie. In diesem Zusammenhang dankte der Nationalratspräsident für die Begnadigung von Heinrich Oberleiter durch Mattarella. Man freue sich zudem auf die für 2022 geplanten Feierlichkeiten zu "50 Jahre Zweites Autonomie-Statut" und "30 Jahre Streitbeilegung", an denen hochrangige österreichische VertreterInnen teilnehmen werden. Auch die Zusammenarbeit im Rahmen von Euregio, die grenzüberschreitende Kooperationen möglich mache, sei als besonders positiv zu beurteilen, konstatierte Sobotka.

Weitere Gesprächsthemen: EU-Erweiterung, Flüchtlingspolitik und wichtige EU-Vorhaben

Die aktuelle Situation in der Ukraine sowie deren Auswirkungen auf Italien standen dann auch bei den Unterredungen mit den PräsidentInnen der Abgeordnetenkammer Roberto Fico und des Senats Maria Elisabetta Alberti Casellati im Mittelpunkt. Mit dem Politiker der Fünf-Sterne-Bewegung Roberto Fico, der zuletzt im Vorjahr zu einem offiziellen Besuch beim Nationalratspräsidenten in Wien war, erörterte Sobotka auch den Umgang Italiens mit den EU-Beitrittsansuchen der Ukraine. Sobotka wertete dies als Ausdruck des Wunsches der Bevölkerung nach Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und engeren Beziehungen zu Europa. Wie bei den laufenden Erweiterungsverfahren müsse dieser Prozess, so die Gesprächspartner, in Einklang mit den Bestimmungen der EU-Verträge erfolgen.  Besonders wichtig war beiden Seiten in diesem Kontext auch ein Signal an die Westbalkanstaaten zu setzen und die baldige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien sicherzustellen. Angesprochen wurden zudem der Tourismussektor sowie die geltenden Corona-Bestimmungen, das wirtschaftliche Wiederaufbauprogramm "Next Generation EU" sowie der eingeleitete grüne Wandel hin zu erneuerbaren Energieformen.

Beim Treffen mit Innenministerin Luciana Lamorgese stand der Umgang mit Vertriebenen aus der Ukraine in Italien und Österreich im Vordergrund. Lamorgese betonte insbesondere ihre Sorge über das Schicksal unbegleiteter Minderjähriger aus der Ukraine, weshalb Italien einen eigenen Beauftragten für diesen Themenkomplex ernannt habe. Sobotka wies im Bereich der Migration generell auf das zentrale Anliegen Österreichs hin, die externe Dimension der Migration, insbesondere den integrierten Grenzschutz sowie die Migrationssteuerung in Nordafrika, zu stärken und schlug eine Stärkung der Kooperation zwischen Italien und Österreich vor.   Überdies tauschten sich die Gesprächspartner über gemeinsame Herausforderungen durch das Schlepperwesen aus. (Schluss) red/sue

HINWEIS: Fotos von diesem Besuch finden Sie auf der Website des Parlaments.