Parlamentskorrespondenz Nr. 519 vom 18.05.2022

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im Austausch mit Kardinal Schönborn und Vertretern der unierten Ostkirchen

Gespräche über Integration, soziales Engagement und den Krieg in der Ukraine

Wien (PK) – Das Parlament in der Hofburg war gestern Schauplatz des erstmaligen Austausches zwischen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Kardinal Christoph Schönborn und Vertretern der verschiedenen mit Rom unierten Ostkirchen. An der Zusammenkunft nahm neben den 22 Priestern auch der Generalvikar des "Ordinariats für die Gläubigen der katholischen Ostkirchen in Österreich" teil. Im Zentrum standen das Kennenlernen der verschiedenen Gemeinden, ihr soziales Engagement, ihre Herausforderungen und ihre Rolle im Integrationsprozess. Die Gespräche standen im Zeichen des Krieges in der Ukraine.

Sobotka und Schönborn betonen Rolle der Ostkirchen bei der Integration

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zeigte sich erfreut darüber, dass dieser erste Gedankenaustausch mit einer derartigen Vielfalt an Konfessionen stattfinden konnte. Ihm sei der Begriff "katholisch" in seiner ursprünglichsten Form (von altgriechisch katholikós für "allumfassend") nun noch plastischer bewusst geworden. Er betonte die Relevanz des regelmäßigen Austausches mit allen Religionsgemeinschaften im Sinne des Dialoges zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Durch den Krieg in der Ukraine seien bisher 72.000 Menschen nach Österreich gekommen. Viele von ihnen würden auch ihre Erlebnisse in Form von Traumata mitnehmen, die noch über Generationen hinweg wirken könnten. Auch deshalb käme den Seelsorger:innen, die die Fähigkeit hätten, diese Menschen aufzufangen und somit wesentlich zu deren Integration beizutragen, eine so große Bedeutung zu.

Kardinal Schönborn bedankte sich für die Gelegenheit im Rahmen des Parlaments über das wichtige Thema der Arbeit der vielfältigen katholischen Kirchen sprechen zu können und für das Zeichen, welches das Parlament damit setze. Die 23 katholischen Ostkirchen seien Kirchen "sui iuris" mit eigenständigen Traditionen, stünden aber dennoch mit Rom in Verbindung. Die anwesenden Priester repräsentierten die Wirklichkeit der Christen im Nahen Osten und in Osteuropa, die Schönborn als Tragödie bezeichnete. Dementsprechend würden viele von ihnen nicht freiwillig ihre Heimat verlassen und nach Österreich kommen. Die hier aktiven Ostkirchen seien ein wichtiger Faktor, damit diese Menschen in Österreich ihre zweite Heimat finden und sich dementsprechend integrieren können, so Schönborn. Er plädierte dafür, das Potential in diesen Menschen zu erkennen.

Generalvikar Kolasa über die ostkirchlichen Gemeinden und deren soziales Engagement

Generell werden die unierten Ostkirchen in byzantinisch-katholische und in orientalisch-katholische eingeteilt. Zu den in Österreich vertretenen byzantinisch-katholischen Ostkirchen zählen die ukrainische, rumänische, slowakische und melkitische griechisch-katholische Kirche sowie vereinzelt Gläubige der griechisch-katholischen Kirche in Ungarn, der griechisch-katholischen Kirche in Serbien sowie der griechisch-katholischen Eparchie von Mukachevo (Ukraine). Den orientalischen unierten Ostkirchen in Österreich gehören die chaldäische Kirche, die syrisch-maronitische Kirche, die syro-malabarische und die Syro-malankarische katholische Kirche, die äthiopisch-katholische und die eritreisch-katholische Kirche sowie die Armenisch-katholische Kirche und einzelne Gläubige der koptisch-katholischen und syrisch-katholischen Kirche an.

Alle unierten Ostkirchen sind kirchenrechtlich im "Ordinariat für die Gläubigen der katholischen Ostkirchen in Österreich" organisiert, welchem derzeit 43 von insgesamt 80 Priestern angehören. Der Erzbischof von Wien (derzeit Kardinal Christoph Schönborn) steht den katholischen Ostkirchen als Ordinarius vor. Generalvikar des Ordinariats ist Erzpriester Yuriy Kolasa.

Kolasa ging näher auf die katholischen Ostkirchen und ihre Tätigkeiten in Österreich ein. Hier verzeichne die ukrainische griechisch-katholische Kirche die meisten Mitglieder. Vor dem Ukraine-Krieg sei die Zahl aller Gläubigen des Ostkirchenordinariats auf 22.000 geschätzt worden. Laut Kolasa habe sich dieser Zahl mittlerweile vervielfacht, doch genaue Daten gebe es nicht. Die Zahl der Gottesdienstbesucher habe sich jedenfalls verzehnfacht.

Die Frage der Integration stelle für 25 ostkatholische Gemeinden ein ernsthaftes Anliegen dar, wie Kolasa erklärte. Diese würden sich vor allem im sozialen Bereich sehr engagieren, was sich mit dem Ukraine-Krieg noch verstärkt habe. Hunderte Tonnen an Hilfsgütern seien bereits in die Ukraine befördert worden und oftmals stellten die Gemeinden die erste Anlaufstelle für Geflüchtete dar. In diesem Bereich habe es eine sehr gute Zusammenarbeit mit den entsprechenden Stellen des Bundes und der Länder gegeben, führte Kolasa aus und sprach der österreichischen Bevölkerung seine Dankbarkeit für die "spontane Welle der Solidarität" aus.

Austausch über die Herausforderungen der katholischen Ostkirchen

Im Gespräch mit den Vertretern der unierten Ostkirchen fragte Wolfgang Sobotka nach den größten Herausforderungen speziell im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Der ukrainisch-katholische Pfarrer Taras Chagala aus Wien berichtete in diesem Kontext von den Anstrengungen seiner Gemeinde, um sowohl den Menschen in der Ukraine als auch den nach Österreich Geflohenen zu helfen. Viele seien privat untergebracht, doch diese Lösung könne nicht über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden. 1.700 Ukrainer:innen würden täglich ihr Land verlassen und 800 jeden Tag wieder zurückkehren. Laut Chagala würden 90% der Geflohenen eine möglichst baldige Heimkehr bevorzugen, was in vielen Fällen jedoch nicht möglich sei. Habe die Hilfsbereitschaft der Österreicher:innen zu Anfang des Krieges noch ein sehr hohes Ausmaß erreicht, sei diese bereits wieder im Sinken begriffen. Neben seiner Hauptsorge, den Geflüchteten eine Unterkunft zu organisieren, befasse sich seine Gemeinde vornehmlich mit der Linderung des seelischen Leides.

Sobotka sprach von 4.000 Quartieren für Geflüchtete, die zum Teil aus den Jahren ab 2015 stammen und die der Bund wieder reaktivieren könne. Er interessierte sich auch für den Integrationsprozess insbesondere der orientalischen unierten Christen aus dem Nahen Osten, die auch in diesen Jahren nach Österreich kamen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten sei ein Großteil von ihnen gut integriert, erklärte ein Vertreter dieser Gemeinden. Probleme gebe es aber nach wie vor mit einer aus seiner Sicht überbordenden Bürokratie, was die Asylverfahren bzw. den Einbürgerungsprozess betreffe. Sobotka zeigte Verständnis für die individuelle Sicht auf diese Fälle, erklärte aber, dass die Politik einen ganzheitlicheren Blick anwenden müsse. Österreich habe in den letzten Jahren enorm viele Menschen aufgenommen, so, dass mittlerweile 25% der Menschen einen Migrationshintergrund aufwiesen – so viele wie in keinem anderen EU-Land. Oftmals stehe Österreich in der Kritik, Fremden gegenüber abweisend zu sein, so Sobotka. Ein Blick auf die nüchternen Zahlen würde jedoch ein anderes Bild ergeben. Er gestand jedoch zu, dass die Wartezeiten in den Asylverfahren reduziert werden müssten.

Weitere Themen waren das humanitäre Bleiberecht, der gemeinsame hohe Wert der Familie in den verschiedenen Konfessionen und das Zölibat. (Schluss) wit

HINWEIS: Fotos von diesem Austausch finden Sie auf der Website des Parlaments.