Parlamentskorrespondenz Nr. 545 vom 20.05.2022

Neu im Verfassungsausschuss

ÖVP und Grüne legen kleines Wahlrechtspaket vor, SPÖ beantragt Neuwahlen

Wien (PK) – ÖVP und Grüne schlagen kleinere Änderungen im Wahlrecht vor. So wollen sie etwa Vorsorge dafür treffen, dass Menschen ohne klare Geschlechtsidentität nicht von Wahlen ausgeschlossen werden. Die SPÖ sieht die Koalition hingegen am Ende und hat einen Neuwahlantrag eingebracht.

Wahlrechtsänderungsgesetz 2022

Mit dem von ÖVP und Grünen vorgelegten Wahlrechtsänderungsgesetz 2022 (2574/A) sollen die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz, das Volksabstimmungsgesetz, das Volksbefragungsgesetz, das Volksbegehrengesetz, das Wählerevidenzgesetz, das Europa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden.

Konkret geht es etwa darum, Vorsorge dafür zu treffen, dass auch Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zugehörig fühlen bzw. dieses nicht angeben wollen, an Wahlen teilnehmen können. Aus diesem Grund sollen aus den Wahlgesetzen alle Bezeichnungen entfernt werden, die auf "Männer" und "Frauen" abstellen oder eine Unterscheidung zwischen "männlich" und "weiblich" treffen. Vielmehr ist nur noch von "Personen" die Rede, das Geschlecht einer wahlberechtigten Person wird künftig nicht mehr erfasst. Von der Alternative, eine dritte Personenstandskategorie – etwa "divers" oder "inter" – einzuführen, wurde laut Erläuterungen Abstand genommen, und zwar nicht nur, weil sich das Wählerverzeichnis in manchen Gemeinden auf einen sehr kleinen Personenkreis erstreckt, sondern auch, weil es gemäß einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zur Eintragung des Geschlechts im Personenstandsregister auch möglich sein muss, das Geschlecht aus legitimen Gründen nicht anzugeben.

Ein weiterer Punkt der Novelle betrifft die Lage einzelner Wahlsprengel. Bei der Europawahl 2019 hat sich herausgestellt, dass sich bundesweit insgesamt 14 Wahllokale außerhalb der jeweiligen Gemeindegrenzen befanden, meist historisch gewachsen. Rechtlich ist das derzeit allerdings nicht abgedeckt, das wollen ÖVP und Grüne ändern. Demnach sollen künftig im Einzelfall Wahllokale auch in einer angrenzenden Gemeinde eingerichtet werden können, wenn das die Ausübung des Wahlrechts wesentlich erleichtert, etwa wenn das Gemeindeamt auf dem Gebiet der Nachbargemeinde liegt. Außerdem müssen die Gemeindewahl- bzw. Bezirkswahlbehörden künftig verpflichtend dafür Sorge tragen, das sämtliche Wahlsprengel-Ergebnisse im Internet veröffentlicht werden. In der Vergangenheit war das gemäß den Erläuterungen nicht durchgängig sichergestellt.

Um die Abgrenzung und Administration der Wahlsprengel zu erleichtern, soll es künftig ein Zentrales Wahlsprengeltool (ZeWaT) geben, das vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen bereitzustellen ist. Das Bundesamt führt schon jetzt ein (geocodiertes) Adressregister im Rahmen des Grenzkatasters. Das Tool soll den vollziehenden Behörden dazu dienen, die Zuordnungen neu errichteter Gebäude zu den einzelnen Wahlsprengeln vorzunehmen und die Lage sowie die Ausstattung der Wahllokale bzw. Eintragungslokale zu erfassen. Genutzt werden soll es sowohl für Wahlen als auch für Volksbegehren. Auch die Administration der sogenannten "zweiten Chance" soll über das Tool erfolgen: Dabei geht es um die Rückholung und Bereitstellung jener Wahlkarten durch die Gemeindewahlbehörden, die in geschlossenen Postämtern gestrandet sind, weil sie von den Wahlberechtigten nicht rechtzeitig abgeholt wurden.

Darüber hinaus werden im Vermessungsgesetz einige weitere anstehende Anpassungen vorgenommen. Das betrifft etwa die Möglichkeit der Bereinigung von Verwaltungsgrenzen und die Aufnahme von Gebäudehöhen in das Adressregister. Zudem soll im Bereich der für Verkehrsrouting maßgeblichen Graphenintegrationsplattform (GIP) sichergestellt werden, dass für jede Adresse in Österreich einheitliche Voraussetzungen gelten. Auf der GIP baut etwa der Pendlerrechner des Finanzministeriums auf.

Neuwahl-Antrag der SPÖ

Die SPÖ hat die jüngste Regierungsumbildung zum Anlass genommen, um Neuwahlen zu beantragen (2508/A). Nach Meinung von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und dem stellvertretenden Klubvorsitzenden Jörg Leichtfried ist die Koalition nicht in der Lage, die aktuellen Krisen zu bewältigen, es gebe weder Ziel noch Plan. Sollte "Türkis-Grün" bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben, drohten zwei verlorene Jahre für Österreich und ein enormer Schaden für die Menschen, warnen sie.

Im Detail wirft die SPÖ der Regierung unter anderem vor, bei der Bekämpfung der aktuellen Teuerung zu versagen. Die Inflation sei auf einem Rekordhoch, damit steige auch die Armut, gibt Rendi-Wagner zu bedenken. Mittlerweile seien fast alle Haushalte in Österreich von der Teuerung betroffen. Statt aktiv gegenzusteuern, lasse die Regierung die Österreicherinnen und Österreicher jedoch im Stich. Zudem ortet die SPÖ "Inkompetenz und Chaos" bei der Bewältigung der Corona-Pandemie sowie Stillstand bei wichtigen Zukunftsthemen wie Klimaschutz, Energiewende und Pflege. Auch gebe es keine Maßnahmen, die das Wohnen in Österreich leistbarer machten oder Schieflagen im Steuersystem beseitigten. Die Regierung sei nicht mehr handlungsfähig. Ein Unternehmen, das in zwei Jahren dreimal seinen Vorstandsvorsitzenden wechselt und 14 Mal Änderungen im Vorstand vornimmt, wäre bereits in Konkurs, so das Conclusio der SPÖ. (Schluss) gs