Parlamentskorrespondenz Nr. 664 vom 14.06.2022

Bundesratspräsidentin Schwarz-Fuchs sagt weitere humanitäre Hilfe für die Ukraine zu

Präsidentin der Länderkammer betont europäische Perspektive im Gespräch mit ukrainischem Parlamentspräsidenten Stefantschuk

Wien (PK) — Im Rahmen seines derzeitigen Besuchsprogramms in Österreich tauschte sich der Präsident der Werchowna Rada der Ukraine, Ruslan Stefantschuk, mit Bundesratspräsidentin Christine Schwarz-Fuchs über die aktuelle Situation in der Ukraine aus. Die Präsidentin der Länderkammer betonte, dass die Ukraine und ihre Bevölkerung in der derzeitigen schwierigen Situation mit der ungebrochene Solidarität Österreichs rechnen können. Der österreichische Bundesrat habe zum Krieg gegen die Ukraine mit einem Entschließungsantrag von vier Fraktionen zur weiteren Solidarität und Unterstützung der Ukraine klar Stellung bezogen. Zudem habe der EU-Ausschuss des Bundesrates Russlands Bruch des Völkerrechts klar verurteilt.

Stefantschuk: EU-Perspektive ist wichtige moralische Unterstützung für die Menschen in der Ukraine

In ihrer Rolle als Bundesratspräsidentin habe sie bereits eine Reihe wichtiger Gespräche zur Situation in der Ukraine geführt, führte Schwarz-Fuchs aus. Sie sei Teil des Netzwerks der europäischen Parlamentspräsidentinnen und setze sich in diesem Rahmen für die Hilfe vor allem für die zahlreichen geflüchteten Frauen und Kinder der Ukraine ein. Bei einem Besuch in Polen habe sie sich vor Kurzem vor Ort ein Bild von der Lage der Flüchtlinge machen können. Das österreichische Parlament und insbesondere seine zweite Kammer als Vertretung der Länder sei bereit, zusätzlich Unterstützung zu leisten. Mehr als 9.000 Kinder aus der Ukraine besuchen derzeit Schulen in Österreich. Davon würden manche zusätzlich dem Online-Unterricht an ihren Schulen in der Ukraine folgen. Der Schutz und die Unterstützung der Kinder, die auch unter schwerer psychischer Belastung stehen, sei aus ihrer Sicht eine vordringliche Aufgabe. Schwarz-Fuchs fragte, wie Österreich hier helfen könne.

Parlamentspräsident Stefantschuk dankte für die Unterstützung Österreichs und die freundliche Aufnahme von mehr als 70.000 Vertriebenen aus der Ukraine in Österreich. Von anderen Flüchtlingen würden sich seine Landsleute dadurch unterscheiden, dass der überwiegende Teil von ihnen so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren wolle. Das Problem sei, dass aufgrund der massiven Zerstörungen viele der Geflüchteten keinen Ort mehr hätten, an den sie zurückkehren könnte. Stefantschuk griff die Idee von Schwarz-Fuchs zur Initiierung von Städtepartnerschaften auf und sagte, er habe bereits angeregt, dass nach Beendigung des Krieges jedes europäische Land die Schirmherrschaft über eine Region der Ukraine übernehmen könnte. Er könne sich sehr gut vorstellen, dass auch die österreichischen Bundesländer in dieser Weise konkrete Wiederaufbauprojekte unterstützen könnten, etwa ein Spital, eine Schule oder einen Kindergarten.   

Von zentraler Bedeutung sei die EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine, betonte Stefantschuk. Daher werbe er auf seiner Besuchsreise bei jeder Gelegenheit für die Unterstützung des EU-Beitritts seines Landes. Der Status als Beitrittskandidat würde eine enorme moralische Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung darstellen, betonte der ukrainische Parlamentspräsident. Auch Europa würde von einer Mitgliedschaft der Ukraine, deren Bevölkerung die europäischen Werte teile, wesentlich profitieren, gab er sich überzeugt. Die Ukraine zahle zur Stunde für ihre pro-europäische Haltung den höchsten denkbaren Preis in Form von zahllosen Menschenleben. Am wichtigsten sei es daher, den Krieg so rasch wie möglich zu beenden. Ein klares Signal in Form einer EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine würde dazu beitragen, meinte Stefantschuk.

Bundesratspräsidentin Schwarz-Fuchs unterstrich, dass Österreich den Wunsch der Ukraine unterstütze, Teil des europäischen Modells zu werden. Die Entscheidung über den Kandidatenstatus der Ukraine liege bei der Europäischen Kommission. Über der Frage der Ukraine dürfe man die Westbalkan-Staaten jedenfalls nicht aus den Augen verlieren. Die Ausweitung der Europäischen Union sei von großer geostrategischer Relevanz. Europa müsse seine Stellung in der Welt behaupten. Daher gelte es, die Zusammenarbeit mit der EU Schritt für Schritt zu stärken und in Bereichen wie Handel, Energie, Klima, Verkehr, Wissenschaft, Bildung, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu vertiefen.

Stefantschuk berichtete, dass der Außenminister der Ukraine bereits Gespräche mit seinen Amtskollegen der Westbalkanländer geführt habe. Die Ukraine unterstütze eine Beitrittsperspektive für alle Länder und sei mit den Ländern des Westbalkans zu einer Verständigung gelangt, wonach die EU-Ambitionen der jeweiligen Länder in keinem Widerspruch zueinander stünden, sondern vielmehr einander ergänzen könnten.

Österreich vor dem Krieg unter den sechs wichtigsten Investorenländern in der Ukraine

Stefantschuk und Schwarz-Fuchs hoben die guten ökonomischen Beziehungen zwischen der Ukraine und Österreich hervor und waren sich einig, dass es gelte, diese weiter auszubauen. Stefantschuk wies darauf hin, dass Österreich vor dem Krieg zu den sechs wichtigsten Investorenländern in seinem Land gehört habe. Vor allem auf dem Banken- und Versicherungssektor habe Österreich bereits eine starke Stellung in der Ukraine.

Auf die Fragen von Schwarz-Fuchs in Bezug auf die derzeitigen Exportschwierigkeiten von ukrainischen landwirtschaftlichen Produkten, insbesondere von Getreide, sagte Stefantschuk, die Ukraine unternehme alles, um die Lebensmittelsicherheit von Millionen Menschen zu garantieren, die auf die Ukraine angewiesen seien. Trotz des Krieges sei es gelungen, 75% der landwirtschaftlichen Flächen zu bebauen. Die Ukraine sei stets ein verlässlicher Handelspartner gewesen, unterstrich Stefantschuk. Derzeit sei das größte Problem die Blockade der Häfen am Schwarzen und am Asowschen Meer, die erst entmint werden müssten. Hier brauche es internationale Sicherheitsgarantien, um die notwendigen humanitären Korridore für den Getreideexport einrichten zu können, sagte der ukrainische Parlamentspräsident. Nur auf Garantien Russland könne sich die Ukraine angesichts der negativen Erfahrungen mit der russischen Politik jedenfalls nicht verlassen. (Schluss) sox

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