Parlamentskorrespondenz Nr. 673 vom 14.06.2022

Nationalrat beschließt EU-weiten Datenaustausch zu Vertriebenen aus der Ukraine

COVID-19-Regelungen im Fremdenrecht verlängert

Wien (PK) – Zur Sicherstellung der Rechte von Vertriebenen aus der Ukraine, stimmte der Nationalrat heute mehrheitlich für die Schaffung der rechtlichen Grundlagen des EU-weiten Datenaustausches im Rahmen der "Temporary Protection Platform". Die Novelle wurde im Innenausschuss per Abänderungsantrag eingebracht. Der ursprüngliche Antrag zielte auf eine sechsmonatige Verlängerung der Corona-Sonderregelungen im Fremdenrecht ab. Die von der SPÖ geforderte Wiedereröffnung der Polizeiinspektion am Bahnhof Wiener Neustadt erhielt keine ausreichende Zustimmung im Plenum.

Drei von der FPÖ eingebrachte Fristsetzungsanträge für den Verfassungs-, den Gesundheits- und den Umweltausschuss fanden keine Mehrheit. Sie forderte Fristsetzungen für einen im Dezember eingebrachten Neuwahlantrag, für das Außerkrafttreten der Impfpflicht und für die Abschaffung der CO2-Bepreisung. Auch ein Fristsetzungsantrag der SPÖ für den Bautenausschuss im Zusammenhang mit einem im Dezember eingebrachten Antrag auf Rücknahme der Richtwerterhöhung bei den Mieten wurde abgelehnt.

Grünes Licht für EU-weiten Datenaustausch zu Ukraine-Vertriebenen und Verlängerung der COVID-19-Sonderregelungen im Fremdenrecht

Auf der Basis eines Regierungsantrages zur Verlängerung der COVID-19-Sonderregelungen im Fremdenrecht stellte die Koalition im Innenausschuss einen Abänderungsantrag, laut dem sichergestellt werden soll, dass Personen, denen nach der sogenannten Massenzustromrichtlinie der EU vorübergehender Schutz zukommt, ihre Rechte in allen Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen können. Vor dem Hintergrund des Aufbaus der sogenannten "Temporary Protection-Platform" soll mit einer Änderung des BFA-Verfahrensgesetzes eine entsprechende Grundlage für den hierfür erforderlichen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union geschaffen werden. Der Informationsaustausch ist laut Begründung unter anderem erforderlich, um einen möglichst raschen Datenaustausch zum Zweck der Familienzusammenführung zu gewährleisten und ohne die vorliegende Gesetzesänderung könne Österreich als einziger Mitgliedsstaat nicht daran teilnehmen.

Der ursprüngliche Antrag zielte auf die im April 2020 verhängten Sonderregelungen im Fremdenrecht ab, die bereits dreimal über ihre ursprüngliche Geltungsdauer bis 31. Dezember 2020 hinaus um jeweils sechs Monate verlängert worden sind. Da sich nun abzeichne, dass die Pandemie auch bis Mitte des Jahres 2022 noch nicht beendet sein würde, beantragten die Regierungsfraktionen nun eine weitere Verlängerung um ein halbes Jahr bis zum 31. Dezember. So soll es beispielsweise im Bereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes auch weiterhin genügen, anstatt des mündlichen Ablegens des Gelöbnisses bei der Staatsbürgerschaftsverleihung, dieses schriftlich an die Behörde zu übermitteln.

FPÖ: Brauchen Paradigmenwechsel im Asylsystem

Hannes Amesbauer (FPÖ) nutzte den Anlass einer Änderung des Asylgesetzes, um über die Asyl- und Migrationssituation in Österreich zu sprechen. In den ersten fünf Monaten diese Jahres seien bereits 86.420 illegale Grenzübertritte von Frontex gemeldet und im ersten Jahresdrittel bereits 16.000 Asylanträge in Österreich gestellt worden – der Großteil von Afghanen und Syrern. Die laut Amesbauer von Sebastian Kurz verkündete Schließung der Balkanroute, die von Karl Nehammer versprochene Nullzuwanderung sowie die nunmehrige Forderung von Innenminister Gerhard Karner nach schnelleren Asylverfahren bezeichnete er als "Hohn" und "Ablenkungsmanöver" der ÖVP. Es gebe keine Asylpolitik, sondern lediglich eine "Asyl-PR". Die illegale Massenzuwanderung zeitige verheerende Auswirkungen auf Österreich, sein Sozialsystem und seine Sicherheitslage, weshalb es einen Paradigmenwechsel im Asylsystem brauche. Man müsse sich von dem Gedanken verabschieden, dass jeder, der über die Grenze komme, nur das "Zauberwort Asyl" auszusprechen brauche, um im Land bleiben zu können.

Amesbauers Fraktionskollege Christian Ries (FPÖ) widmete sich der Verlängerung der Corona-Sonderregelungen im Fremdenrecht, die er kritisch beurteilte. Es gebe genügend Testmöglichkeiten, und wenn es einem/einer österreichischen Arbeitnehmer:in zumutbar sei, diese in Anspruch zu nehmen, dann sollte dies auch bei Asylwerber:innen der Fall sein. Eine hohe Zahl von ihnen würde zudem die Ukraine-Krise ausnutzen, um nach Europa zu gelangen. Der Innenminister habe vor diesem Hintergrund dafür zu sorgen, dass Asylverfahren erst gar nicht gestartet werden, wenn die betreffenden Asylwerber:innen über ein sicheres Nachbarland Österreichs kommen, so Ries.

ÖVP und Grüne: Heutige Asyl-Lage anders als 2015

Bei den Sonderregelungen sei es von Anfang an darum gegangen, sich und andere mittels unbürokratischer, digitaler Maßnahmen durch eine Reduktion des zwischenmenschlichen Kontaktes zu schützen, erklärte Corinna Scharzenberger (ÖVP). Bei der weiteren Verlängerung handle es sich um eine vorbeugende Maßnahme angesichts einer noch unabsehbaren pandemischen Lage. Scharzenberger zeigte sich erfreut über die Anregungen auch anderer Parteien, diese Regelungen ins ständige Recht zu übernehmen. Zum Datenaustausch bezüglich der Ukraine-Vertriebenen erläuterte sie, dass sich die heutige Lage wesentlich von jener 2015 unterscheide. Seien damals hauptsächlich junge Männer "im wehrfähigen Alter" gekommen, würden heute vornehmlich Frauen und Kinder die Grenze überqueren. Der vorliegende Antrag sei wichtig, um den Transfer der Vertrieben unter den EU-Mitgliedsstaaten zu vereinfachen, so Scharzenberger.

Die thematische Überlagerung des Asyl- und Einwanderungsbereiches mit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg, würde nicht bedeuten, dass sich in diesem "weniger tue", konstatierte Andreas Minnich (ÖVP). Er rekurrierte auf die Kritik der FPÖ und nannte den Vorstoß von Innenminister Karner bezüglich der Asylprüfung in Drittstaaten und erinnerte an seine Ablehnung eines europäischen Umverteilungsmechanismus. Dies habe die eindeutige Position Österreichs gezeigt und jene Klarheit eingebracht, die es brauche, um auf europäischer Ebene etwas zu verbessern, so Minnich.

Georg Bürstmayr von den Grünen zeigte auf, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag lediglich um "kleine formale Gesetzesänderungen" handle, was die Rede der Freiheitlich von Massenzuwanderung und Islamismus zu einer "einzigartigen Themenverfehlung" mache.

Heftige Kritik von SPÖ und NEOS an ihrer Meinung nach mangelnder Bereitschaft Karners, Fragen zu beantworten

"Die Pandemie verschafft uns derzeit eine Verschnaufpause, ist aber noch nicht vorbei", sagte Sabine Schatz (SPÖ). Deshalb stimme die SPÖ der Verlängerung der Sonderregelungen zu.  Nach mittlerweile zwei Jahren, die diese Gesetze in Kraft seien, könne es durchaus Erkenntnisse über ihre positiven oder negativen Auswirkungen auf die Praxis geben, um eine Übernahme in den Regelbetrieb erwägen zu können. Doch Innenminister Karner sei nicht bereit gewesen, Auskunft darüber zu geben, wie Schatz, bezogen auf die Sitzung des Innenausschusses am Vortag, bemängelte. Ein solches Verhalten sei nicht nur lähmend für die inhaltliche Debatte, sondern auch bedenklich für den Parlamentarismus an sich.

In die gleiche Kerbe schlug NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper, die von einer "Begegnung der besonderen Art" im Innenausschuss sprach. Man sei es bereits gewohnt, dass von Seiten eines Bundesministers nicht viel Sachwissen, kein Interesse an den Themen des Ressorts oder keine Zugänglichkeit für politischen Diskurs vorhanden sei. "Dass alle drei Punkte zutreffen, hat allerdings nur Karner geschafft", zeigte sich Krisper unzufrieden. Der Innenminister habe nur mit "hohlen Phrasen" aufgewartet und seine Sektionschefs als Auskunftspersonen zu politischen Aussagen gedrängt. Den vorliegenden Antrag kündigte Krisper an zu unterstützen, da sie ihn nach Studium für richtig befunden habe – eine Vorgehensweise, die sie sich auch von Seiten der Regierung gegenüber Oppositionsanträgen wünschen würde.

Wiedereröffnung der Polizeiinspektion am Bahnhof Wiener Neustadt

Im Zentrum eines Entschließungsantrages der SPÖ steht der Bahnhof Wiener Neustadt als einer der größten Bahnknotenpunkte Österreichs. Da die dortige Wachzimmer 2001 im Rahmen von Einsparungsmaßnahmen bei der Exekutive geschlossen worden ist, komme es an diesem "sozialen und sicherheitspolitischen Hotspot" vermehrt zu gefährlichen Situationen. Trotz Einrichtung einer Sicherheitszone im Jahr 2017 häuften sich dort klassische Alltagsdelikte sowie Drogenkriminalität. Die ortsansässige Bevölkerung und PendlerInnen würden sich auf diesem Bahnhof nicht mehr sicher fühlen, so die Soziademokrat:innen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sprechen sie sich für eine ehestmögliche Eröffnung einer Polizeiinspektion am Bahnhof Wiener Neustadt aus. (Schluss) wit