Parlamentskorrespondenz Nr. 868 vom 11.07.2022

Tagungsbilanz 2021/22: Normalisierung nach COVID-19-Erleichterungen und Herausforderungen durch neue internationale Krisen

Aktivitäten und Veranstaltungen des Nationalrats abseits der Gesetzgebung

Wien (PK) - Als Haus der Demokratie ist das österreichische Parlament nicht nur der Sitz der Gesetzgebung, sondern auch ein Ort der Wissensvermittlung, der Information und des Diskurses zu demokratiepolitischen Fragen und der Pflege internationaler Beziehungen. Wie im Jahr davor, war auch in der abgelaufenen Tagung von Anfang September 2021 bis Mitte Juli 2022 das parlamentarische Geschehen stark von den Maßnahmen gegen die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie geprägt. Das Internet-Angebot des Parlaments war bereits 2020 als Reaktion auf die umfassenden Lockdowns stark ausgeweitet worden. Ab Frühjahr 2022 trat mit dem Krieg in der Ukraine ein neues Thema in den Vordergrund, was auch die parlamentarischen Besuchs- und Reiseaktivitäten deutlich prägte.

Wieder mehr Besuche und Reisen zur Pflege der interparlamentarischen Beziehungen

Die Pflege des internationalen Austausches ist ein wichtiger Teil der Tätigkeit der Parlamentarier:innen. In der Tagungsperiode 2020/21 konnte der Großteil der Treffen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und österreichischen Parlamentarier:innen mit Vertreter:innen anderer Parlamente und internationaler Organisationen pandemiebedingt nur virtuell stattfinden. In der Tagungsperiode 2021/22 war wieder ein reger internationaler Besuchsaustausch zu verzeichnen. Ab Herbst 2021 fanden wieder vermehrt Auslandsreisen statt. Sie führten den Nationalratspräsidenten nach Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Dubai, Frankreich, Israel, Italien, Liechtenstein, Polen, Schweden, die Schweiz, Slowenien, Tschechien, die Türkei und ins Vereinigte Königreich.

Der zweite Teil der Fünften Weltkonferenz der Interparlamentarischen Union (IPU) der Parlamentspräsident:innen in Wien fand von 6. bis 8. September 2021 im Austria Center Vienna (ACV) statt. Die Veranstaltung bot dem Nationalratspräsidenten Gelegenheit, mit einer Reihe von Amtskolleg:innen vertiefende Gespräche zu führen, wie dem südkoreanischen Parlamentspräsidenten Park Byeong-seug und dem Präsidenten des ägyptischen Repräsentantenhauses Hanafy Ali Gebaly.

Zu den weiteren Politiker:innen, die im vergangenen Parlamentsjahr bei ihren Wienbesuchen auch das Hohe Haus besuchten, gehörten der Schweizer Bundespräsident Ignazio Cassis, der irische Staatspräsident Michael D. Higgins, der armenische Parlamentspräsident Alen Simonyan, der Präsident des Schweizer Nationalrats Andreas Aebi, der slowakische Parlamentspräsident Boris Kollár und der kosovarische Parlamentspräsident Glauk Konjufca.

Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures empfing eine hochrangige chinesische Delegation sowie das niederländische Königspaar im Hohen Haus.

Eine fraktionsübergreifende parlamentarische Delegation, geleitet von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundesratspräsidentin Christine Schwarz-Fuchs reiste Anfang März 2022 nach Indien.

Eine Delegation aus Vertreter:innen aller Fraktionen reiste zur 144. IPU-Versammlung. Diese fand von 20. bis 24. März 2022 im indonesischen Nusa Dua unter dem Titel "Getting to zero: Mobilizing parliaments to act on climate change" statt. Die Parlamentarier:innen einigten sich auf die Annahme der Nusa Dua-Deklaration, die die nationalen Parlamente zur Implementierung des Pariser Klimaabkommens aufruft.

Ukraine als Schwerpunkt der parlamentarischen Diplomatie

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 rückte eine neue internationale Krise ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Nationalratspräsident Sobotka beteiligte sich Anfang März an einer Videokonferenz der EU-Parlamentspräsident:innen mit Ruslan Stefantschuk, dem Präsidenten des ukrainischen Parlaments, der Werchowna Rada. Anfang April reiste Sobotka nach Prag zu einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses des tschechischen Parlaments Markéta Pekarová Adamová und dem stellvertretenden Präsidenten des slowakischen Nationalrats Milan Laurenčík. Zu dem Treffen wurde auch der ukrainische Parlamentspräsident per Videokonferenz zugeschaltet.

Das ukrainische Parlament verstärkte seine Anstrengungen auf dem Gebiet der parlamentarischen Diplomatie. Eine Delegation ukrainischer Parlamentarier:innen unter der Leitung von Mariia Mezentseva traf bei einem Wienbesuch im Mai zu Gesprächen mit dem OSZE-Sonderbeauftragten Reinhold Lopatka und Vertreter:innen aller Parteien zusammen. Ende Mai konferierten ukrainische Abgeordnete per Videokonferenz mit dem außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats. Am 14. Juni 2022 war der Präsident der ukrainischen Werchowna Rada, Ruslan Stefantschuk zu Gast im Parlament und wandte sich im Nationalratssitzungssaal an die österreichischen Abgeordneten.

Gedenkveranstaltungen im Parlamentsjahr 2021/22

Zum Selbstverständnis des österreichischen Parlaments als Ort gesellschaftlich relevanter Debatten gehört auch, dass es eine besondere Verantwortung in der Pflege der Erinnerungskultur wahrnimmt. Anfang Oktober 2021 nahm eine Delegation des österreichischen Parlaments mit Nationalratspräsident Sobotka an der Eröffnung der neugestalteten österreichischen Ausstellung im staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau teil. Die Planungskoordinierung und Abwicklung des Projekts zur Neugestaltung des sogenannten "Österreich-Pavillons" an der Gedenkstätte oblag dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.

Das jährlich stattfindende Gedenken des Parlaments in Erinnerung an den Novemberpogrom 1938 wurde auch 2021 pandemiebedingt mit einem reduzierten Kreis an Teilnehmer:innen abgehalten. Im Ostarrichipark wurde am 9. November 2021 die Namensmauer zur Erinnerung an die 64.450 jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich, die in der Shoah ermordet wurden, eröffnet. An der Gedenkfeier nahmen neben der österreichischen Staatsspitze auch Vertreter:innen der Israelitischen Religionsgemeinschaft und des Staates Israel teil.

Auch das gemeinsame Gedenken von Nationalrat und Bundesrat zum 27. Jänner, dem "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust", der den Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee in Erinnerung ruft, konnte nicht in der gewohnten Form stattfinden. Auch 2022 wurde dafür unter dem Titel "Zeit zum Reden" das Format einer Podiumsdiskussion im Palais Epstein gewählt.

Das Parlament beteiligte sich außerdem erneut an der weltweiten digitalen Bewusstseinskampagne #WeRemember, die gemeinsam vom World Jewish Congress und der UNESCO initiiert wurde. In diesem Zusammenhang wurde der Schriftzug #WeRemember im Zeitraum vom 25. bis zum 29. Jänner beim Parlamentseingang am Josefsplatz an die Fassade projiziert.

Gedacht wurde auch des 4. März 1933, des Tages, der das Ende der parlamentarischen Demokratie in der Ersten Republik einläutete. Nationalratspräsident Sobotka lud zu diesem Anlass Schüler:innen ein, einen Rundgang durch die Baustelle des historischen Parlamentsgebäudes zu unternehmen und über die Ereignisse des Jahres 1933 zu diskutieren.

Anlässlich des Jahrestags der Befreiung des KZ Mauthausen luden Sobotka und Bundesratspräsidentin Christine Schwarz-Fuchs am 5. Mai zum Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus ins Parlament in die Hofburg ein. Aufgrund der noch immer geltenden COVID-19-Maßnahmen fand die Veranstaltung mit einem reduzierten Kreis von Teilnehmer:innen in einem hybriden Format statt.

Parlamentssanierung geht in die letzte Phase

Die Sanierung des historischen Parlamentsgebäudes ist nun in der Endphase angelangt. Unterdessen sind die Fortschritte der Arbeiten am Haus am Ring auch von außen deutlich sichtbar. Der Bauzaun ist bereits weitgehend abgebaut. Die Statue der Pallas Athene erstrahlt in neuem Glanz. Die beiden hohen Fahnenmasten vor der Rampe wurden wieder montiert und die Restaurierung der vier Rossebändiger sowie der Statuen der Geschichtsschreiber auf der Parlamentsrampe ist abgeschlossen.

Umfangreiches Angebot zum Parlamentsgeschehen über die Parlamentswebsite und Social Media

Über die Parlamentswebsite und ein Newsletter-Abonnement informieren die Aussendungen des Pressedienstes regelmäßig über die parlamentarische Arbeit und die Termine im Hohen Haus. Von Mitte Juli 2021 bis zum Tagungsende 2022 wurden auf diesem Weg rund 1.500 Beiträge der Parlamentskorrespondenz zum parlamentarische Geschehen veröffentlicht. Das Parlament ist auch auf Social Media aktiv und verfügt über eigene Accounts bei Facebook, Twitter, Instagram, LinkedIn und YouTube.

Das Team zur Beantwortung von Bürger:innenanfragen ist eine weitere wichtige Auskunftsstelle. Eines der wichtigsten Tools für die Information von Bürger:innen über das parlamentarische Geschehen ist nach wie vor die Parlamentswebsite, die laufend hohe Zugriffszahlen verzeichnet.

Die pandemiebedingte Verlagerung von Veranstaltungen in den virtuellen Raum betraf 2021 auch den traditionell am Nationalfeiertag, dem 26. Oktober, stattfindenden Tag der offenen Tür. Die Bürger:innen konnten das Hohe Haus im Rahmen von virtuellen Führungen erkunden. Neben Statements der Nationalratspräsident:innen, des Bundesratspräsidenten und der Klubobleute wurden Videos und Podcasts zum Jahresschwerpunkt Ehrenamt, zum zentralen Thema Grundrechte sowie zur Sanierung des historischen Parlamentsgebäudes angeboten.

Parlament setzt verstärkt auf multimediale Inhalte

Das multimediale Angebot des Parlaments wurde auch während der vergangenen Tagungsperiode 2021/22 weiter ausgebaut. Im Zentrum des Videoangebots steht die Mediathek des Parlaments und hier vor allem die Übertragungen aller Nationalrats- und Bundesratssitzungen. Darüber hinaus wurde im vergangenen Jahr verstärkt auf Live-Übertragungen von Ausschusshearings gesetzt. Gemeinsam mit Veranstaltungen, wie etwa Gedenkveranstaltungen oder Treffen zwischen dem Parlament und internationalen Organisationen, veröffentlichte das Parlament je 43 Livestreams in der Mediathek und auf YouTube.

Das Diskussionsformat Politik am Ring ging in seine zweite Staffel und erlangte pro Folge durchschnittlich über 50.000 Views auf Facebook, YouTube und der Mediathek. In der jeden dritten Montag im Monat, jeweils um 21.00 Uhr, ausgestrahlten Sendung diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aller Parlamentsfraktionen aktuelle politische Themen. Expertinnen und Experten bringen sich mit Daten und Fakten in die Sendung ein. Politik am Ring gibt den Seherinnen und Sehern Einblick in die Arbeit der Abgeordneten und in die Ausschüsse des Nationalrats. Die Themenpalette reichte im vergangenen Jahr von der österreichischen Sicherheitspolitik vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs über den Kampf gegen Frauentötungen bis hin zu Maßnahmen gegen die Teuerung und Armut.

Das Parlament baut auch sein Podcast-Angebot weiter aus. Mit den 26 neuen Folgen von "Parlament erklärt" umfasst das Podcast-Format mittlerweile 75 Episoden. Daneben werden auch die Sendungen von Politik am Ring sowie das neue Hintergrundformat für Medienvertreter:innen Inside Parlament als Podcast angeboten.

Für das junge Publikum ist ebenfalls etwas dabei: Die Demokratiewebstatt setzt zur Vermittlung ihrer Schwerpunktthemen, vermehrt Video-Interviews und Animationsvideos ein, um Demokratie und deren Themen niederschwellig zu vermitteln. Behandelt werden etwa Fake News und Verschwörungstheorien oder Umwelt.

Barrierefreier Zugang zu Informationen über das Parlament

Dem Parlament ist es wichtig, auch ein barrierefreies Angebot an Informationen anzubieten. Dazu gehört etwa, dass bei regulären Sitzungen des Nationalrats von 9.00 bis 19.00 Uhr Gebärdendolmetscher:innen zum Einsatz kommen und in die österreichische Gebärdensprache übersetzen. Auch Sondersitzungen werden gedolmetscht.

Das Parlament bietet auf seiner Website unter dem Titel "Aktuelle Themen — einfach verstehen" außerdem Meldungen über die Arbeit des Parlaments in einfacher Sprache an. Texte in einfacher Sprache sind klar und einfach aufgebaut. Fremdwörter werden vermieden oder erklärt. Zielgruppen dieser Texte sind Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwächen, Menschen mit einfacher Bildung und Menschen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist. Dieses Angebot nützt aber auch allen, die sich rasch informieren möchten. Seit Herbst 2021 wurden rund 230 Aktuelle Themen in einfache Sprache übersetzt.

Eine weitere Möglichkeit, sich mit dem Parlament vertraut zu machen, ist das Angebot an Führungen durch das Hohe Haus. 2021/22 wurden insgesamt 2.517 Führungen mit 21.653 Besucher:innen abgehalten. Davon waren 11.348 Schüler:innen.

Demokratiewerkstatt: Rückschau auf das abgelaufene Parlamentsjahr

Seit 2007 ermöglicht die Demokratiewerkstatt des Parlaments, dass sich Jugendliche ab acht Jahren mit parlaments- und demokratierelevanten Themen in Workshops auseinandersetzen. Mit dem Lehrlingsforum der Demokratiewerkstatt gibt es seit 2017 auch ein eigenes Programm für Lehrlinge. Seit dem Start der Demokratiewerkstatt 2007 bis Anfang Juli 2022 haben aus ganz Österreich rund 127.000 Teilnehmer:innen die Workshops der Demokratiewerkstatt besucht.

Das abgelaufene Tagungs- und Schuljahr 2021/22 war zum Teil noch von Maßnahmen zu COVID—19 geprägt. Mit Schulklassen aus Vorarlberg und Salzburg fand am 26. November 2021 das Jugendparlament zum Thema Ehrenamt der Zukunft online statt. Am 23. und 24. Mai diskutierten Lehrlinge aus ganz Österreich im Lehrlingsparlament — nun wieder in Präsenz — zum Thema Lehrlingsausbildungsgesetz.

Das für die Demokratiewerkstatt und das Lehrlingsforum während der Pandemie geschaffene Online-Angebot wird aufgrund der großen Nachfrage mit Beginn des Schuljahres 2022/2023 in den Regelbetrieb übernommen werden. Damit wird Schulklassen und Lehrlingsgruppen, die nicht nach Wien reisen können, der digitale Besuch eines Workshops im Parlament ermöglicht. Geplant ist auch, das Angebot an Workshops nach der Rückübersiedlung ins sanierte Parlament weiter auszubauen.

Nach vier absolvierten Werkstätten können Schüler:innen zum Demokratiewerkstatt-Profi ernannt werden. 2022 erlaubte es die COVID-19-Situation wieder, eine persönliche Überreichung der Urkunden für die Demokratiewerkstatt-Profis in der Hofburg durchzuführen. Mittlerweile wurden bereits 6.200 Schüler:innen zum Demokratiewerkstatt-Profi ausgezeichnet.

Im Rahmen der EU-Zukunftskonferenz beteiligte sich das österreichische Parlament mit mehreren Initiativen am Diskussionsprozess für die zukünftige Gestaltung und Ausrichtung der Europäischen Union. In einer Workshop-Reihe der Demokratiewerkstatt des Parlaments diskutierten alle fünf Parlamentsfraktionen mit Schulklassen über jeweils eines der Themen der EU-Zukunftskonferenz und erarbeiteten gemeinsame Ideen.

Demokratiewerkstatt International

Unterdessen gibt es zwei Einrichtungen nach dem Vorbild der Wiener Demokratiewerkstatt in nationalen Parlamenten, nämlich in Montenegro und in Kosovo. Mit weiteren Ländern (Albanien, Nordmazedonien und der Slowakei) wurden bereits vorbereitende Schritte in diese Richtung gesetzt. Angestrebt wird, für den bereits laufenden regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit den genannten nationalen Parlamenten eine gemeinsame Plattform "Democracy Forum" einzurichten.

Workshop-Angebot Demokratie in Bewegung

Unter dem Titel "Demokratie in Bewegung" bietet das Hohe Haus in Kooperation mit dem Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum für Schüler:innen und Lehrlinge Workshops an. Das mobile Bildungsangebot wird für Schulen in ganz Österreich organisiert. Im Modul "Das Parlament kommt zu Dir" wurden im abgelaufenen Parlamentsjahr 274 Workshops über Demokratie und Parlamentarismus mit 2.665 Teilnehmer:innen abgehalten. 114 Workshops mit 1.173 Teilnehmer:innen fanden im Modul "Bildung gegen Vorurteile" statt, das für die Themen Antisemitismus und Rassismus sensibilisiert. (Schluss) sox

Informationen zur Gesetzgebungsbilanz in der Tagung 2021/2022 des Nationalrats finden Sie in der Aussendung Nr. 867/2022. (Schluss) sox