Parlamentskorrespondenz Nr. 906 vom 20.07.2022

Neu im Justizausschuss

Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehren

Wien (PK) - In Sorge um grassierende Korruption, fragwürdige politische Kultur und Angriffe auf den Rechtsstaat zeigen sich die Initiator:innen des "Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehrens", das mit 307.629 Eintragungen dem Nationalrat vorliegt (1626 d.B.). Mit 72 Vorschlägen sprechen sich Bürger:innen für Reformen zu Anstand und Integrität in der Politik, zur Stärkung des Rechtsstaats und der Unabhängigkeit der Justiz bzw. der Ermittlungs- und Kontrollbehörden, für eine umfassende Antikorruptions- und Transparenz-Gesetzgebung sowie für Pressefreiheit, Medienförderung und gegen Inseratenkorruption aus. Österreich habe seit Jahrzehnten ein unübersehbares und strukturelles Problem mit Korruption, so die Stoßrichtung. Das Land laufe damit zunehmend Gefahr, zu einem rechtsstaatlichen Außenseiter Europas zu werden.

Umfassende Forderungen für den Rechtsstaat

So soll zum Thema Anstand und Integrität in der Politik beispielsweise die Nichtbefolgung von höchstgerichtlichen oder sonstigen rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen durch höchste Organe des Staates einen Funktionsverlust nach sich ziehen. Um eine Weiterentwicklung der Regeln zur Unvereinbarkeit geht es den Unterzeichnenden bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, ebenso wie etwa um das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Neben einem Sanktionsregime zu den Verhaltensregeln für Nationalratsabgeordnete und Bundesrät:innen fordern die Initiator:innen eine Anwendbarkeit des Verhaltenskodex des öffentlichen Dienstes auch auf politische Mandatsträger:innen sowie einen zweckmäßigen Sanktionsmechanismus zur Offenlegung von Vermögensverhältnissen. Ein Compliance Management System in den Parteien mit Prüfungsmöglichkeit durch den Rechnungshof zählt ebenso zu den Forderungen wie etwa Regelungen zur Parteienfinanzierung im Sinne der Transparenz samt entsprechender Sanktionierbarkeit. Auch volle Prüfkompetenzen hinsichtlich der Parteienfinanzierung für den Rechnungshof ist in den umfassenden Forderungen enthalten, sowie personelle und budgetäre Höchstgrenzen der politischen Kabinette und für die Öffentlichkeits- und Informationsarbeit der Bundesministerien.

Eine Stärkung wird für das Parlament in seiner Funktion als Gesetzgeber und Kontrollorgan gefordert. Um mehr Transparenz geht es dem Volksbegehren unter anderem bei Stellenbesetzungen beim Bund, wobei insbesondere Vorgänge in Richtung "Parteibuch-Wirtschaft" sanktioniert werden sollten.

Abzulehnen sei im Bereich der Justiz etwa das angedachte Institut der "dissenting opinion", da es lediglich zu einer Verpolitisierung der Höchstgerichte, im Speziellen des VfGH, führen würde. Insbesondere der WKStA sei verfassungsgesetzlich die Unabhängigkeit einzuräumen sowie die Staatsanwaltschaften durch die Einführung einer Bundesstaatsanwaltschaft vom Justizministerium zu entkoppeln. Die Forderungen zielen unter anderem auch auf unabhängige und transparente Ernennungsverfahren bei Richter:innen und Staatsanwält:innen und auf einen "Rat der Gerichtsbarkeit" ab.

Nachschärfungen fordern die Initiator:innen im Hinblick auf die Vorfälle rund um das "Ibiza-Video" unter anderem im Korruptionsstrafrecht etwa durch Verankerung von Kandidat:innenbestechung und -bestechlichkeit sowie "Mandatskauf" als Delikte sowie im Lobbying-Gesetz. Auch die erforderliche Informationsfreiheit müsse gewährleistet sein.

Inseratenkorruption, politische Abhängigkeiten und (partei)politischer Druck auf Medien seien Gift für Demokratie und Rechtsstaat, so die weitere Stoßrichtung. Daher brauche es eine Objektivierung der Medienförderung und Inseratenvergabe durch öffentliche Stellen, insbesondere nach Qualitätskriterien. Weitere Forderungen betreffen unter anderem die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, etwa durch eine Entpolitisierung des Stiftungsrats. (Schluss) mbu