Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 10

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Berichterstatter Anton Hüttmayr: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Der in Artikel N des EU-Vertrages enthaltene Beschluß auf Einberufung einer Regierungskonferenz im Jahr 1996 ist politisch darauf zurückzuführen, daß im Zuge der Vertragsverhandlungen über eine Reihe von Punkten, denen verschiedene Mitgliedsstaaten großes Gewicht zumaßen, keine Einigung erzielt werden konnte und somit die neuerliche Behandlung dieser Fragen in naher Zukunft zu einem wesentlichen Teil des Kompromißpaktes von Maastricht wurde.

Aufgrund des verzögerten Inkrafttretens des Europavertrages am 1. November 1993 wird die Regierungskonferenz zu einem Zeitpunkt stattfinden, zu dem nur beschränkte Erfahrungen mit dem Funktionieren dieses Vertrages vorliegen. Zahlreiche Bestimmungen sind noch nicht voll umgesetzt. In anderen Bereichen sind die Schwierigkeiten der Anlaufphase noch nicht überwunden. Dazu kommt, daß bei einer Reihe der im Vertrag vorgesehenen Themenstellungen die bei den Verhandlungen im Jahr 1991 aufgetretenen Gegensätze bis heute nicht ausgeräumt werden konnten.

Die Bedeutung der Regierungskonferenz geht jedoch über eine bloße Überprüfung von einzelnen Vertragsbestimmungen des EU-Vertrages hinaus. Österreich sieht in ihr eine weitere wichtige Etappe in der Weiterentwicklung der Integrationspolitik und in der Anpassung der EU an die tiefgreifenden Veränderungen der politischen Realitäten Europas. Um die Regierungskonferenz zum Erfolg zu führen, müssen die richtigen Lehren aus den Erfahrungen mit der Umsetzung des EU-Vertrages gezogen werden. Insbesondere gilt es aber, die richtigen Antworten auf die seit der letzten Regierungskonferenz neu hinzugekommenen beziehungsweise stärker hervorgetretenen Herausforderungen zu finden:

Erstens: Demokratie und Bürgernähe,

zweitens: innere und äußere Sicherheit der Union,

drittens: Erweiterung und Funktionsfähigkeit,

viertens: Modelle differenzierter Integration,

fünftens: Arbeitslosigkeit und Umwelt.

Die Regierungskonferenz 1996 ist die erste wichtige Weichenstellung im Integrationsprozeß, an der Österreich teilnehmen wird. In ihr manifestiert sich erstmals die durch den EU-Beitritt gewonnene Möglichkeit, für die Zukunft Gesamteuropas wesentliche Entscheidungen gleichberechtigt mitzugestalten. In vollem Bewußtsein der schwierigen Ausgangsposition der Regierungskonferenz glaubt Österreich doch, daß die Aufgaben, mit denen sich die Union in den nächsten Jahren konfrontiert sehen wird, wesentliche Fortschritte in der Europäischen Integration erfordern. Es wird daher darum gehen, Positionen zu entwickeln, die in ihren Ambitionen diesen Herausforderungen gerecht werden, die gleichzeitig aber auch den Aspekt der Realisierbarkeit und der Konsensfähigkeit der EU berücksichtigen.

Ein aktives Engagement für ein signifikantes Ergebnis der Regierungskonferenz entspricht dem Interesse Österreichs an einer handlungsfähigen und bürgernahen Union.

Der gegenständliche Bericht gliedert sich in vier Schwerpunkte. Während als erster Themenkreis die Politikbereiche der ersten Säule behandelt werden, widmet sich ein weiterer Schwerpunkt den institutionellen und finanziellen Fragen der Gemeinschaft. Als drittes Thema wird die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik diskutiert, und zuletzt wird die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres erörtert.

Der EU-Ausschuß hat den vorerwähnten Bericht in seiner Sitzung vom 5. Juli 1995 in Verhandlung genommen und die Beratungen darüber am 25. Jänner 1996 und am 28. Februar 1996 fortgesetzt.


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