Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 13

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klare soziale Offensive stattfindet, weitestgehend einheitliche Standards erreicht werden und insbesondere sichergestellt wird, daß der Entkoppelung von wirtschaftlichem Wachstum und Beschäftigung ein Riegel vorgeschoben wird.

Wir können nicht glauben, daß es der wahrhaftige Qualifikationsbeweis eines Managers ist, daß er die Beschäftigtenzahlen seines Betriebes ins Bodenlose schrumpft. Wir Sozialdemokraten können nicht glauben, daß Wirtschaftswachstum nach oben geht, während Beschäftigung nach unten geht. Wir meinen, daß Arbeit ein konstitutives Element dieser Gesellschaft ist, ein Element, über das sich Menschen in ihrem Selbstwert definieren. Und deshalb muß diese Union alle Anstrengungen unternehmen, alle Ressourcen bündeln, um unionsweit ein Projekt der Beschäftigung einzuleiten, neue Impulse zu geben und dafür zu sorgen, daß die bedrohlich angestiegenen Arbeitslosenzahlen wieder reduziert werden können, daß junge Menschen, die am Beginn ihrer Berufslaufbahn stehen, tatsächlich eine Perspektive auf einen Beruf gewinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Projekt Europa ist darüber hinaus auch ein Projekt der Demokratie, der Bürgerrechte und der vernünftigen Verteilung von Aufgaben auf die einzelnen Ebenen der einzelnen Staaten und dieses gemeinschaftlichen Verbundes.

Wir übersehen, wenn wir die billigen Schlagworte über die "Bürokraten in Brüssel" nachplappern, daß es ein hohes Maß an zusätzlicher Rechtssicherheit, auch für den einzelnen, auf der europäischen Ebene gibt, daß die Wahl von Abgeordneten zum Europäischen Parlament – wir werden uns heute noch damit zu beschäftigen haben – eine zusätzliche demokratische Dimension in das Bouquet von Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger einbringt.

All diese Elemente des Projekts Europa sind das Entscheidende, sind die Zielsetzung, die wir sehen müssen. Und erst dann – ich sage es noch einmal –, wenn wir diese klar vor uns haben, können wir die wichtigen Fragen, über die wir heute zu diskutieren haben, in ihrer richtigen Dimension erkennen.

Nur dann, wenn wir diese klare Zielsetzung dem Bürger nahebringen, werden wir ihn auch für dieses Projekt gewinnen und begeistern können. Die Sachinformation darüber, wie Institutionen der Union zu gestalten sind, welche Einzelmaßnahmen notwendig sind, wollen wir ihm deshalb nicht vorenthalten, ganz im Gegenteil, aber sie müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden.

Wenn in einem Monat in Turin die Arbeiten der Regierungskonferenz beginnen, kann sie sich auf eine Fülle von Vorarbeiten stützen, die freilich die Probleme nicht kleiner gemacht und das Ausmaß an Konvergenz nicht gerade erhöht haben.

Wir werden heute einen Entschließungsantrag – so nehme ich doch an – annehmen, in dem wir unsere Vorstellungen als Bundesrat an die Bundesregierung als Anregung für ihre Verhandlungsführung im Rahmen der Regierungskonferenz definieren.

Ähnliche Initiativen haben sicher alle Parlamente aller Mitgliedsstaaten unternommen. Das Europäische Parlament arbeitet – und wird diese Arbeit Mitte März abschließen – an einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit der künftigen Entwicklung der Union. Die Reflexionsgruppe hat in einer langwierigen und durch viele Querverbindungen bereicherten Arbeit ein Dokument hergestellt, das bei dieser Regierungskonferenz den Rahmen setzt.

Aber es ist schon klar, daß es angesichts dieser Fülle von Anregungen nicht leicht ist, den Erwartungen, die an diese Konferenz gerichtet werden, Rechnung zu tragen.

Klar ist, daß es darum geht, die schwierige Aufgabe, die Union handlungsfähiger, leistungsfähiger, effizienter zu machen, mit der Perspektive auf eine Erweiterung – also die Aufnahme neuer Mitglieder – zu verbinden – das betrifft zwei quantitativ maßvolle Fälle im Mittelmeerraum und die wirtschaftlich und sozial sich am raschesten entwickelnden Staaten Mittel- und Osteuropas.


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