Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 14

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Es ist keine Frage, daß es legitim ist, in diesen Prozeß auch klare nationale Interessen einzubringen, und es ist keine Frage, daß Österreich als eines der kleinen Mitgliedsstaaten der Union Modellen, bei denen die großen Mitgliedsstaaten sozusagen in den Vordergrund treten würden, nichts abgewinnen kann. Weder das Modell einer kollektiven Präsidentschaft, bei dem – um es wienerisch zu sagen – die kleineren Mitgliedstaaten nur als "Beiwagerln" bei einem großen mitlaufen könnten, ist für uns akzeptabel, noch die völlige Aufgabe von qualifizierten Mehrheiten im Rat, was die Kleinen ihrer Mitbestimmungsmöglichkeit vielleicht nicht berauben, aber sie doch stark herabsetzen würde.

Ich sage sehr ehrlich dazu: Auch dort, wo es um die Übertragung von Rechten auf das Parlament geht, werden wir uns in wohlerwogenem österreichischen Interesse nicht von der Begeisterung mitreißen lassen dürfen, denn es ist keine Frage, daß wir im Rat ein proportional höheres Mitbestimmungsrecht haben, als dies unseren 3 Prozent Stimmenanteilen im Parlament entspricht.

Ich sage das auch bewußt an dieser Stelle, weil mit Schlagworten allein nicht erfolgreich Politik gemacht werden kann. "Demokratisierung der EU" klingt hervorragend, wenn es auf irgendeinem Marktplatz der Republik gesagt wird, aber es muß auch ausgesprochen werden, daß das eine Reduzierung unserer Mitbestimmungsrechte bedeutet, wenn bestimmte Aufgaben dem Parlament übertragen werden, weil wir dort nur mit 21 Personen vertreten sind. Das spricht nicht gegen einen stärkeren parlamentarischen Einfluß, wahrlich nicht. Wir sprechen uns dafür aus, die Bundesregierung hat sich dafür ausgesprochen. Aber wo und in welchen Fällen, das muß wohl überlegt werden.

Ein drittes: Wir finden ein unendlich komplexes Verfahren der Entscheidung in der Europäischen Union vor. Die Aufgabenbereiche der Union sind in Säulen unterteilt, und in jeder dieser Säulen laufen die Entscheidungsmechanismen anders – einfach sind sie nicht. Da ist eine Straffung im Interesse einer höheren Transparenz des politischen Prozesses in Europa notwendig, da ist eine Straffung im Interesse einer effizienteren und rascheren Reaktionsmöglichkeit der Union erforderlich. Diese Straffung, diese Klärung institutioneller Fragen, zu denen heute sicher noch eine Menge gesagt werden wird, ist auch eine entscheidende Voraussetzung dafür, daß die Union fähig wird, neue Mitglieder aufzunehmen und dennoch ihre institutionelle Kraft zu bewahren.

Es ist an dieser Stelle – wir sprechen auch das in unserer Entschließung an – besonders Wert darauf zu legen, gerade aus dem österreichischen Staatsverständnis heraus, daß die Europäische Union zwar ein Verbund von Nationalstaaten ist, aber die Gliederung mit der nationalstaatlichen Ebene ja nicht zu Ende ist, sondern daß unsere föderalistische Struktur, die nicht in allen Mitgliedsländern eine Entsprechung findet, für uns wichtig ist und, wie wir glauben, auch eine Bereicherung des europäischen Prozesses darstellt.

Ich sage aber an dieser Stelle dazu, daß es eine Illusion wäre – keine Illusion, eine gefährliche Illusion –, zu glauben, den ohnehin komplizierten Entscheidungsprozeß der Europäischen Union um eine weitere Dimension bereichern und etwa für die Regionen oder für wen auch immer zusätzliche Entscheidungsebenen einbauen zu können. Dieses De-facto-Zweikammersystem – wenn wir den Rat als eine quasi parlamentarische, wenn auch sehr starke Kammer in Brüssel betrachten – durch eine dritte und vierte Kammer zu komplizieren, wäre undenkbar. Wir müssen in Wirklichkeit versuchen, das umzusetzen, was in unserem eigenen Land im Bereich der Sozialpartner so hervorragend funktioniert und wofür es in Brüssel mit dem Wirtschafts- und Sozialausschuß auch eine sehr eindrucksvoll wirkende Institution gibt, sozusagen eine Regionalpartnerschaft, wenn ich das so sagen darf, mit der Einfluß genommen wird, Stellung genommen wird, die aber nicht den stromlinienförmiger werden müssenden Entscheidungsprozeß noch einmal um einen barocken Schnörkel bereichert.

Wir müssen uns – und ich spreche auch das an – sehr ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen – gerade im Zusammenhang mit dem, was ich über die soziale Dimension und die Beschäftigungspolitik gesagt habe –, was Subsidiarität eigentlich heißen kann und soll. Wir bekennen uns auch in diesem Entschließungsantrag zu diesem für die EU zentralen Prinzip.


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