Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 22

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vollständigen Realisierung des gemeinsamen Marktes darstellt und die Diskussion darüber einen hohen Grad an Sensibilität erfordert.

Dies ist ebenso der Fall – und das ist ein sehr wesentlicher Punkt der Regierungskonferenz 1996 – bei der Frage der Erweiterung der Europäischen Union, wobei die beiden Kandidaten, die sozusagen an der Spitze der Kandidatenliste stehen, nämlich Zypern und Malta, nicht die gleichen Probleme aufwerfen wie jene Beitrittskandidaten, die sich aus den Ländern Mitteleuropas und Osteuropas zusammensetzen.

Und all das konkurriert natürlich auch mit der Frage der sogenannten Vertiefung, nämlich der Reform im institutionellen Bereich, wobei in all diesen Bereichen, in all diesen Fragen die Bewahrung der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union die vordringliche Aufgabe ist.

Ein weiteres Problem, das ich kurz anreißen möchte – es ist auch bei den Vorrednern schon angeklungen –, ist natürlich, daß die Akzeptanz bei den Bürgern durch Mängel in der Transparenz, in der Transparenz der Verfahrenstechniken eher schwach ist. Ich habe mir unlängst sagen lassen, daß es insgesamt im Augenblick 22 unterschiedliche Möglichkeiten der Verfahrensregelung, die zwischen dem Rat und dem Parlament Platz greifen, gibt und daß es auch eine wesentliche Zielsetzung sein muß, hier eine Strukturvereinfachung in die Wege zu leiten, um die gewünschte Bürgernähe zu zeigen.

Hier kommt natürlich auch dem in Maastricht I formulierten Ziel einer subsidiären Betrachtungsweise, einer subsidiären Vorgangsweise eine große Bedeutung zu. Ich kann daher Herrn Bundesrat Kone#ny in seinen Ausführungen nicht folgen. (Bundesrat Kone#ny: Gott sei Dank!) Es freut mich, Ihren Zwischenruf laut zu wiederholen: Gott sei Dank. Aber vielleicht werden Sie etwas anderes denken, wenn Sie meine Begründung, warum ich Ihnen da nicht folgen kann, hören, denn die hat nämlich mit irgendwelchen parteipolitischen Überlegungen herzlich wenig zu tun, sondern basiert darauf, daß ich in diesem Begriff "Subsidiarität" doch einen sehr wesentlichen Aspekt der Bürgernähe sehe. Es ist dies ein Anliegen, glaube ich, das allen drei hier im Haus vertretenen Fraktionen ein sehr naheliegendes ist.

Ein globaler Zuschnitt, das heißt, eine Regelung der Materien im Gesamtrahmen aller Mitgliedsländer in Brüssel, ist sicherlich dann erforderlich, wenn es darum geht, das Funktionieren des gemeinsamen Marktes aufrechtzuerhalten und sicherzustellen. Das gilt jedenfalls für den Bereich der ersten Säule. Aber zumindest eine Quelle des Mißbehagens ist, daß sich die Kommission und der Rat, nicht immer aus eigenem Antrieb, sondern oft auch getrieben von vorgeblichen und vermeintlichen Anliegen der Mitgliedsländer, in Materien verzetteln, die keinesfalls wirklich Anliegen sind, die im Zusammenhang mit dem Funktionieren des gemeinsamen Marktes von Bedeutung sind. Gerade hier – und da müssen auch die Mitgliedsländer ein entsprechendes Verantwortungsbewußtsein zeigen – muß die Subsidiarität greifen. Es darf nicht der von den Bürokraten, wo auch immer sie sitzen, gebrauchte Vorwand Platz greifen, daß man nur deswegen agiere und deswegen eine Regelung vorbereite und eine Regelung treffe, weil es doch gelte, den Bürger zu schützen, und weil es notwendig ist, dem Bürger hier Vorteile zu verschaffen. Auf der einen Seite wird immer vom mündigen Bürger gesprochen, der in der Lage und imstande ist, seine Entscheidungen aus freiem Antrieb zu fällen, auf der anderen Seite wird jedoch alles getan, um diesen Bürger zu bevormunden, und dieser Geist hat auch vor Brüssel – was immer das ist – nicht haltgemacht.

Die Reduzierung dieses sehr vielschichtigen Verfahrenskonvoluts, wie es sich zwischen Rat und Parlament eingespielt hat, sollte auf nur drei Verfahren zurückgeführt und auch ergänzt werden dadurch, daß jenen Beratungen im Rat, die letztlich in Gesetzgebungsakte münden, die Öffentlichkeit zuerkannt wird; die Öffentlichkeit zumindest in der Form, daß man nachvollziehen kann, welche Beschlußerwägungen und welche Abstimmungsergebnisse im Rat für die Entscheidung maßgebend waren.

Abgerundet und ergänzt – darüber, so muß ich sagen, geben jedenfalls im Augenblick die uns vorliegenden Leitlinien der österreichischen Position keine Auskunft – müßte das Ganze werden durch einen Grundrechtskatalog, durch klare Vorstellungen hinsichtlich der Rechts- und Innen


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