Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 57

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Nur möchte ich erneut – ich habe das schon mehrmals getan – heute davor warnen, das Bild des demokratischen Rechtsstaats, das Bild des demokratischen Verfassungsstaates – ich nenne etwa das Werk von Carl Joachim Friedrich über den demokratischen Verfassungsstaat oder das, was Hans Kelsen schon 1927 geschrieben hat, in zweiter Auflage im Jahr 1928 auch schon ins Japanische übersetzt, "Vom Wesen und Wert der Demokratie" – auf die Rechtsordnung der Europäischen Union zu übertragen.

Meine Damen und Herren! Wir würden frustriert nach Hause gehen, mißverstanden werden! Wenn die Europäischen Gemeinschaften so organisiert gewesen wären wie die Staaten, dann wären wir bei der Integration noch lange nicht so weit. Das ist eben der Preis dafür. Schauen Sie, es ist genauso, wenn jemand heiratet: Er ist zweifellos vorher verliebt, und er gibt wegen einer Person alle anderen Personen auf, weil er ein besonderes Treueverhältnis eingeht – nicht alle halten das durch, wie ein Drittel der geschiedenen Ehen zeigt. Aber ich darf Ihnen ehrlich sagen: Wer den Weg der Europäischen Integration beschreitet, der muß gleichzeitig wissen, daß er für den Erfolg dieser Europäischen Integration etwas zu bezahlen hat. Es gibt nichts umsonst. Der Preis für das Leben ist der Tod, und wer etwas sehen will, der muß fliegen, auch wenn es nicht angenehm ist – ich nehme immer ein Schlafpulver, da endet mein Heldentum, soweit ich ein solches mein eigen nennen darf. Aber ich möchte Ihnen ehrlich sagen: Wir müssen genau wissen, was im Zuge der Europäischen Integration auf uns zukommt, in bezug auf die Exekutivlastigkeit und in bezug auf das sogenannte Demokratiedefizit.

Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, da hat sich wenig geändert, denn die Herren beziehungsweise jetzt auch Dame – wir sind stolz darauf –, Altbundesrätin Kollegin Klasnic, die uns jetzt als Landeshauptfrau in Brüssel, oder wo immer der Regionalausschuß tagt, vertritt, das sind Exekutivspitzenorgane. Da besteht wenig Unterschied zwischen einem Bundesminister oder einem Landeshauptmann. Das sind oberste Vollzugsorgane, Exekutivorgane. Und daneben befinden sich auch Vertreter des Gemeinde- und Städtebundes, das sind aber ebenfalls Repräsentationsfiguren der Exekutive. Daß wir uns da keiner falschen Illusion hingeben: Auch dort, im vielzitierten sogenannten Regionalausschuß, sitzen nicht die Landtagspräsidenten, sondern die Exekutivvertreter.

Wir haben allerdings – und in diesem Zusammenhang möchte ich Kollegen Walter Strutzenberger nennen, den ich noch öfters zitieren werde, nicht heute, aber die Gelegenheit ergibt sich, und ich möchte Bundesrat Jürgen Weiss danken, der damals Föderalismusminister war – schon ein Gremium gehabt. Die drei Bundesratspräsidenten sind mit den Landtagspräsidenten und den Landeshauptleuten in einer Integrationskonferenz der Länder beisammengesessen, wobei nur die Landeshauptleute ein Stimmrecht gehabt haben, aber wir sind mit ihnen gemeinsam gewesen.

Ich möchte Ihnen sagen, daß die Entwicklung der EU natürlich eine Auseinandersetzung mit der Exekutivlastigkeit und mit dem Demokratiedefizit mit sich bringt, aber glauben Sie mir: Wenngleich die EU demokratiefern ist, so ist sie nicht demokratiefeindlich, denn die Leute, die dort als Exekutivvertreter auftreten, benötigen die demokratische Legitimation durch ihren allgemeinen Vertretungskörper.

Meine sehr Verehrten! Wir müssen wissen, daß mit Integration auch Zentralismus dabei verbunden ist, und wir haben uns damit auseinanderzusetzen.

Meine sehr Verehrten! Ich habe das heute so schön gehört: Wir sind für die Erweiterung der Mitgliedszahl der Europäischen Union. Das klingt dramatisch. Ich bin zwar versehen mit einer burgenländischen Großmutter, aber ich vertrete nicht das Bundesland Burgenland, sondern Niederösterreich, das ist auch an der Grenze gelegen, aber die Burgenländer erfahren dies vielleicht noch mehr, und sie haben Großes dabei geleistet in der Geschichte, Herr von Weizsäcker weiß das immer dankbar aus deutscher Sicht zu betonen. Es ist eine große Sache von Österreich aus, zu sagen, wir sind für die Aufnahme der Staaten in Mittel- und Osteuropa, damit wir nicht EU-Außengrenze sind.


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