Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 71

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auch mit einem Parlamentarier vertreten ist, und dann in einem zweiten Wahlermittlungsverfahren die weiteren Mandate vergeben werden. Aber das haben Sie nicht gemacht, und deshalb wird sich der Bürger die Frage stellen: Wer vertritt mich denn eigentlich in diesem Europäischen Parlament? Wer ist jetzt mein Vertreter, wenn ich diese oder jene Partei gewählt habe, die vielleicht aus seinem Bundesland gar keinen Vertreter in Brüssel hat, so wie es der ÖVP gehen wird. Kollege Jaud lacht, aber ich habe gehört, die ÖVP wird einen Westkandidaten aufstellen, der wahrscheinlich kein Tiroler sein wird. Dann werden sich die Tiroler fragen: Wer ist denn mein Vertreter in Brüssel? Ich glaube, daß es doch wichtig ist, daß eine Identität hergestellt wird zwischen Mandant und Mandatar. Das ist das Wesen der Demokratie. Der Wähler, der Bürger, soll in einer modernen Demokratie wissen: Wer vertritt mich in welchem Gremium? Und das wird durch den Einerwahlkreis sehr aufgeweicht und ist meiner Meinung nach nicht gewährleistet. Ich hätte es viel besser gefunden, wenn man Österreich mit seinen Bundesländern wiederum in mehrere Wahlkreise aufgeteilt hätte.

Das zweite, was mir bedenklich erscheint, ist die Vorzugsstimmenregelung. Kollege Hummer hat es schon angesprochen. Wenn jemand 7 Prozent der von seiner Gruppe erzielten Wählerstimmen als Vorzugsstimmen erreicht, dann wird er als Vorzugsstimmenkandidat ein Mandat erhalten. (Bundesrat Prähauser: Wenn die Gruppe ein Mandat erreicht hat!) – Wenn die Gruppe ein Mandat erreicht, selbstverständlich.

Es wird dann zu Ungleichgewichten bei den einzelnen Parteien kommen. Nehmen wir an, die Sozialdemokraten erzielen zwei Millionen Wählerstimmen. Dann könnte ein Sozialdemokrat mit 7 Prozent, sprich mit 140 000 Vorzugsstimmen, hineinkommen, auch wenn er weiter hinten gereiht ist. Die Ungerechtigkeit sieht man, wenn man sich eine kleinere Partei anschaut, wie das Liberale Forum oder die Grünen zum Beispiel, die vielleicht 200 000 Stimmen erreichen. 7 Prozent davon sind 14 000 Stimmen. Es könnte also jemand von einer kleineren Partei mit 14 000 Vorzugsstimmen ins Europaparlament einziehen. Bei einer größeren Partei würde ein Kandidat mit 100 000 Vorzugsstimmen aber noch immer scheitern.

Ich bin nicht ganz überzeugt davon, daß das dem Gleichheitsgrundsatz entspricht. Ich fürchte, daß im Zuge der Wahlen oder der Wahlauszählung entsprechende Anfechtungen kommen könnten. Und so mancher Sozialdemokrat könnte sich dann sagen: Meine 90 000 Vorzugsstimmen sind nicht so viel wert wie die 15 000 des Kandidaten der Grünen oder des Liberalen Forums.

Das wären meine Kritikpunkte. Trotzdem sind wir froh, daß nunmehr ein Gesetz vorliegt. Wir werden deshalb diesem Gesetzesbeschluß unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Prähauser .)

14.52

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Kapral. Ich erteile dieses.

14.52

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie noch kurz mit den beiden vorliegenden Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates und meiner Stellungnahme dazu aufhalten.

Die Materie ist – das ist heute schon gesagt worden – in der letzten Legislaturperiode im zuständigen Nationalratsausschuß fast ein Jahr schubladisiert worden. Jetzt drängt die Zeit, weil wir uns dem Ende der Übergangsperiode, die uns die EU für die Direktwahl gestellt hat, nähern.

Die Begründungen, warum die Materie in der letzten Legislaturperiode nicht weiter behandelt wurde, sind sicherlich alle nicht wirklich zutreffend. Wenn von Journalisten behauptet wurde – von böswilligen Journalisten; Journalisten sind ja im Prinzip gar nicht böswillig –, daß die Regierungsparteien, die altkoalitionären Regierungsparteien, Angst vor einer EU-Wahl hätten, so ist das sicherlich nicht zutreffend. Aber jetzt zeigt sich, daß die Wahl zwangsläufig zu einem Zeitpunkt stattfinden wird müssen, da die EU-Müdigkeit der österreichischen Bürger und Bür


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