Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 88

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und zwar im Zuge der Regierungsverhandlungen zwischen den altkoalitionären Parteien, zur Ausarbeitung eines Belastungspaketes geführt, das seinesgleichen sucht.

Im Zuge der Diskussion darüber wurde auch die Einbindung und die Mitwirkung der Bundesländer an dieser Sanierungsaktion angeschnitten. Die Vorschläge, die von seiten des Bundes gemacht wurden, sind, gelinde gesagt, sehr weitgehend. So werden die ohnehin für einen föderalen Bundesstaat geringen Kompetenzen der Länder in Frage gestellt, und es wird gefordert, man müsse den Ländern zumindest zeitweise die Kompetenz für die Bezügeregelung der Landesbediensteten entziehen. Vom Bund wird und wurde nicht einmal der Versuch gemacht, auf der Ebene eines gemeinsam erarbeiteten Konsenses eine Lösung dieses Problems zu finden.

Im Bereich des Bundes driften die Probleme auseinander, siehe den Gehaltsabschluß der Eisenbahner, siehe die Sonderwünsche der Post, die in der jüngsten Zeit diskutiert wurden, aber gegenüber den Ländern glaubt man, mit dem Stellwagen agieren zu müssen. Es ist also durchaus angebracht, von einer Aushöhlung des Föderalismus zu sprechen.

Wie katastrophal muß die Lage der Staatsfinanzen sein, wenn sie sich zu Beginn dieses Jahres für die Bürger und Bürgerinnen, die keinen Einblick in alle Details haben, in einer Arbeitslosenzahl von mehr als 300 000 Männern und Frauen dokumentiert, was dazu geführt hat, daß bereits jeder fünfte Österreicher fürchtet, er könne seinen Arbeitsplatz verlieren? Wie katastrophal muß die Lage sein, wenn man glaubt, in dieser Weise mit der Verfassung umspringen zu müssen?

Heute sind Details des sogenannten Budgetbegleitgesetzes bekannt geworden. Es ist damit ein neuer Beweis dafür geliefert worden, daß die Verfassung und die darin gewährleisteten Rechte der Staatsbürger kaum mehr das Papier wert sind, auf das sie gedruckt wurden. Rund 100 Verfassungsbestimmungen enthält diese Regierungsvorlage. Auf Regierungsseite fürchtet man die Kontrolle dieser Bestimmungen durch die Höchstgerichte, weil man in den einzelnen Bestimmungen großzügig darüber hinweggeht, daß so wesentliche Grundsätze wie das Gleichheitsprinzip oder die Rückwirkung von Maßnahmen, die finanzielle Belastungen zur Folge haben, beziehungsweise die Untersagung, solche Rückwirkungen festzulegen, in Frage gestellt werden. Wenn die neue altkoalitionäre Regierung tatsächlich diesen Weg gehen will und sich hier im Hohen Haus – und zwar nicht nur hier im Bundesrat, sondern auch im Nationalrat, da doch diesen beiden Gremien namhafte Rechtsprofessoren angehören – nicht echter Widerstand formiert, dann bedarf es künftig keiner Schreiben mehr aus dem Ausland, wie sie von Generalsekretär Stummvoll kürzlich zitiert wurden, um darzutun, daß es sich bei Österreich um eine "Bananenrepublik" handelt und daß das Politikerwort, mit dem man um ausländische Investoren wirbt, nicht viel wert ist.

Der Höhepunkt der Unverfrorenheit ist es dann, daß sich Politiker, die große Schuld an der Malaise haben, jetzt als die großen Sanierer aufspielen und jeden Einwand gegen all das, was jetzt geschieht und die Wirtschaft – das sind nicht nur die Arbeitgeber, sondern vor allem auch die Arbeitnehmer – belastet, mit der Behauptung, es gehe um die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich, einfach vom Tisch wischen.

Ich darf an dieser Stelle auf Professor Schambeck und auf seine Ausführungen anläßlich der Diskussion des Berichts des EU-Ausschusses zurückkommen und möchte ihn an folgende Daten erinnern:

Im Jahre 1986 – wenn ich mich richtig erinnere, war das jenes Jahr, in dem die große altkoalitionäre Regierungsform wieder tätig wurde – hat der Budgetabgang des Bundes rund 73 Milliarden Schilling betragen. Wenn die endgültigen Zahlen für das Jahr 1995 vorliegen, dürfte sich dieser Betrag 1995 zwischen 110 und 115 Milliarden Schilling bewegen, während es in der Zwischenzeit gelungen war – das muß man den Altkoalitionären anrechnen –, die Abgänge auf rund 63 Milliarden Schilling abzusenken, und zwar in den Jahren 1989, 1990 und 1991. 1993 ist dann die große Explosion erfolgt, aber es stimmt nicht – das hat uns auch schon die OECD in ihrem Prüfbericht bescheinigt –, daß es damals nur darum ging, konjunkturelle


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