Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 100

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Diese Entwicklung steht aber auch im Gegensatz dazu, was Repräsentanten aus der ÖVP-Bundesratsriege in ihren Reden ausdrücken. Ich darf das auch bestätigen. Ich habe aus ihrem Mund noch nie anderes gehört, aber die Landeshauptleute sprechen eben mit anderer Zunge. – Ich ersuche Sie, Herr Professor Schambeck, und Ihre Kollegen seitens der ÖVP um klärende Aussagen zu diesen Äußerungen des Landeshauptmannes Zernatto.

Lassen Sie mich aber nun zu einem dritten Punkt kommen, der die Effektivität einer "landeshauptmännerkonferenzähnlichen Einrichtung" darstellt.

Der Beitritt Österreichs zur EU führt unbestrittenerweise zu einer Delegierung von Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder nach Brüssel. Um den Einfluß der Parlamente dennoch in – wenn auch beschränktem Ausmaß – zu sichern, wurden die sogenannten Mitwirkungsverfahren eingeführt. Der Nationalrat wirkt durch seinen EU-Hauptausschuß, der Bundesrat durch seinen EU-Ausschuß an EU-Vorhaben mit, die bundesgesetzliche Maßnahmen betreffen. Der Nationalrat hat sich mit einer Menge von Verhandlungsgegenständen in 14tägigen Sitzungen herumgeschlagen und immerhin 18 bindende Stellungnahmen in zirka sechs Monaten Tätigkeit beschlossen.

Wir müssen selbstkritisch anmerken, daß der Bundesrats-EU-Ausschuß bei einzelnen Verhandlungsgegenständen noch keine analoge Aktivität aufgenommen hat, dafür aber immerhin unter Mitwirkung fast aller wesentlichen Regierungsmitglieder die österreichische Stellung zur Regierungskonferenz 1996 in drei Sitzungen abgehandelt hat und heute der daraus resultierende Bericht im Bundesrat breit diskutiert wurde. – Eine hämische Anmerkung: Der Nationalrat hat sich mit dieser Angelegenheit bisher noch nicht befaßt.

Vielleicht ist es auch gar keine unglückliche Aufgabenteilung, daß sich der Nationalrat verstärkt um die Einzelvorhaben und der Bundesrat um die sogenannten großen Würfe kümmert. Jedenfalls haben beide Kammern Aktivitäten im Bereich der EU-Vorhaben gesetzt.

Vor zirka drei Jahren hat die sozialdemokratische Bundesratsfraktion vorgeschlagen, daß der Bundesrat oder sein EU-Ausschuß auch die Interessen der Länder im Bereich der EU-Vorhaben wahrnimmt. Dies wurde jedoch weder von den Ländern noch von der ÖVP-Bundesratsfraktion unterstützt. Es kam daher in Folge zur Einrichtung der sogenannten Integrationskonferenz der Länder, die sich aus den neun Landeshauptleuten mit Stimmrecht und den neun Landtagspräsidenten zusammensetzt. Gnädigerweise hat das Bundesratspräsidium ein Beobachtungsrecht bekommen.

Analysiert man nun ein Jahr nach EU-Beitritt die Aktivitäten der Integrationskonferenz der Länder, so sieht man, daß sich die Länder durch die Schaffung dieses zwar hochrangigen, aber sonst äußerst unflexiblen Gremiums ihrer Mitwirkungsrechte begeben haben. Es wurden keine Stellungnahmen beschlossen. Die Länder haben an EU-Vorhaben nicht mitgewirkt.

Auch hier hämisch angemerkt: Hätte man das Modell der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion gewählt, daß nämlich der EU-Ausschuß des Bundesrates die Interessen der Länder wahrnehmen soll, wäre das Ergebnis jedenfalls besser gewesen, da es unmöglich ist, ein schlechteres als die Integrationskonferenz der Länder zu erzielen.

Was ich damit sagen möchte, ist: Es reicht nicht aus, mehr Rechte für die Länder zu fordern. Man muß sich dabei auch überlegen, wie diese bestmöglich wahrgenommen werden sollen. Und die letzte Analyse – Mitwirkung bei EU-Vorhaben – hat gezeigt, daß landeshauptmännerkonferenzähnliche Einrichtungen nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluß sein mögen.

Ich appelliere daher an die Länder, dem Bundesrat mehr Vertrauen entgegenzubringen. Ich bin überzeugt, daß in unserer Kammer sehr viel Potential steckt, mit welchem wir die Länder in vielen Angelegenheiten unterstützen und die Interessen der Länder vertreten könnten. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Eisl. )

Ich ersuche auch jede Bundesrätin und jeden Bundesrat, also Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, diesen Appell in Ihrem jeweiligen Bundesland zu unterstützen. Die Länder sollen dem


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