Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 42

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rigkeiten zu kämpfen. In Summe lassen sich jedoch alle erheblichen Vorteile für Österreich eindeutig ermessen.

Zur eigentlichen Beurteilung unserer EU-Mitgliedschaft ist es aber wert, daran zurückzudenken, daß wir nicht wegen einiger Preisvorteile oder Lebensmittelkennzeichnungen beigetreten sind. Vielmehr haben wir ja die Grundidee für richtig gehalten, mit anderen Europäern eine Gemeinsamkeit zu errichten, innerhalb derer alle Lebens- und Politikbereiche zu bestmöglicher Entfaltung kommen sollen. Diese Gemeinsamkeit dient vor allem dazu, nach tausenden Jahren Krieg in Europa den tragfähigen Frieden für alle Zeiten herbeizuführen.

Deshalb stellt sich die Frage "ja oder nein zum gemeinsamen Europa" heute nicht mehr, sondern nur die Frage nach dem zukünftigen "Wie in Europa".

Im übrigen haben wir noch nicht überall die richtige Einstellung zur Europäischen Union gefunden. Zu oft herrscht noch das "hier Wien, da Brüssel" vor und umgekehrt. In Wirklichkeit sind wir selbst Brüssel oder zumindest ein Teil davon, denn als eines von fünfzehn gleichberechtigten Mitgliedsländern am Tisch der Union können wir die großen Linien der europäischen Politik mitgestalten und mitbestimmen.

Für vitale österreichische Interessen ist es selbstverständlich oberste Pflicht der Bundesregierung, bei Entscheidungen innerhalb der Union für dieselben einzutreten. Andere Mitgliedsstaaten tun das auch. Daher kommt es auch, einmal mit uns, einmal mit anderen Mitgliedstaaten, zu Auseinandersetzungen. Das geht im Lauf der Zeit jedem Mitgliedsland so. Und politische Auseinandersetzungen gibt es auch im Inland genug.

Meine Damen und Herren! Weder Klassenletzter noch Musterschüler sind hier geeignete Kategorien. Wahrnehmung von Interessen auf dem Boden der durch die Mitgliedschaft erworbenen Rechte und eingegangenen Verpflichtungen: Das ist unsere politische Aufgabe, damit ist unsere politische Position beschrieben.

Es wird jedenfalls auch eine Hauptaufgabe der Bundesregierung sein, europäische Prozesse transparenter zu machen. Zu diesem Zweck werden wir demnächst eine neue Informationsaktion der Bundesregierung starten. Dabei wollen wir vor allem den Dialog mit der Bevölkerung über die Zukunft der Union und unsere Rolle dabei führen.

Osterweiterung, Währungsunion, Regierungskonferenz 1996 und die Präsidentschaft Österreichs 1998 werden dabei die besonderen Anliegen sein, die es mit der Bevölkerung zu diskutieren gilt.

Das Problem der inakzeptabel hohen Arbeitslosigkeit in Europa, das Problem ökologischer Ungleichgewichte und das Problem mangelnder Sicherheit werden – besonders dank des österreichischen Engagements – auf der Tagesordnung der Regierungskonferenz stehen.

Für ein Land wie Österreich, das aufgrund seiner stabilitätsorientierten Währungspolitik auch eine sehr erfolgreiche Beschäftigungspolitik betrieben hat, ist die Währungsunion eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Export- und damit Beschäftigungspolitik. Österreich wird deshalb danach trachten, bei den ersten Ländern zu sein, die der Währungsunion angehören, sich außerdem aber auch dafür einsetzen, daß das Sozialabkommen des Maastrichter Vertrags in den neuen Vertrag aufgenommen wird, um Wettbewerbsverzerrung durch Sozialdumping zu vermeiden.

Ohne Einbindung der mittel- und osteuropäischen Staaten werden sich soziale und ökologische Ungleichgewichte innerhalb der Union noch drastischer im Verhältnis der EU zu diesen Ländern ausbilden. Dies wiederum ist der gesamteuropäischen Stabilität abträglich. Deshalb sollten bald nach Abschluß der Regierungskonferenz die Beitrittsverhandlungen mit den erwähnten Ländern aufgenommen werden.

Hoher Bundesrat! Hinsichtlich der detaillierten Darstellung der Vorhaben der österreichischen Bundesregierung in den einzelnen Aufgabenbereichen ersuche ich Sie, auf meine Regierungs


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