Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 47

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sich in fünf Punkte gliedert: eine Beschäftigungsoffensive, die mit einer Aufwertung des Wirtschaftsstandortes Hand in Hand gehen soll, die Konsolidierung des Staatshaushaltes, Österreichs Rolle als EU-Mitglied, Sicherheitsaspekte und ein offensives Reformprogramm in allen Gesellschaftsbereichen.

Zweifelsohne ist der Mittelpunkt dieser Regierungserklärung aber das Belastungspaket, das hier verschönt als Konsolidierung des Staatshaushaltes dargestellt wird und das – diesen Aspekt möchte ich hier besonders unterstreichen – eine betont familienfeindliche Haltung aufweist. Es war die Rede davon – ob es tatsächlich soweit kommt, wird sich zeigen –, daß durch eine Verfassungsbestimmung das Familiensplitting verhindert werden soll, indem die Individualbesteuerung festgeschrieben wird. Kinderabsetz-, Unterhaltsabsetz- und Alleinverdienerabsetzbetrag und die Geburtenbeihilfe werden gestrichen, die Karenzgeldregelung wird verschlechtert. Es wird eine Strom- und Gassteuer eingeführt, die hier nur am Rande erwähnt wird, aber die sehr wohl die Familien stark trifft. All das zeigt – unter Anführungszeichen – "die soziale Ausgewogenheit", Herr Bundesrat Kone#ny, und ich werde im Protokoll darauf achten, daß das auch unter Anführungszeichen dort aufscheint. Sie können sich das auch vormerken, damit Sie sehen, wenn Sie das Protokoll kontrollieren, daß das dort auch richtig wiedergegeben ist. Ich habe aber überhaupt keine Zweifel, weil ich den Damen und Herren des Stenographendienstes dieses Hauses vertraue.

Aber die starke Betonung der Politik als Leitfaden für die Handlungsweise und das Unterstreichen der Bemerkungen, daß eine gute und ökonomische und soziale Absicherung erfolgt und die Möglichkeit geschaffen wird, sich selbst zu entfalten, führen Sie dann in weiterer Folge im sogenannten Strukturanpassungsgesetz – den Titel muß man sich erst auf der Zunge zergehen lassen, wenn man weiß, was dort drinnensteht – ad absurdum. Dieses Strukturanpassungsgesetz nimmt die letzten Möglichkeiten, die von Ihnen hochgepriesene und in der Regierungserklärung besonders stark herausgestrichene Eigenvorsorge wirklich in die Hand zu nehmen und zum Beispiel für die Altersvorsorge nach der berühmten Zweidrittel-, Eindrittelregelung auch privat Maßnahmen zu treffen. Dieses Gesetz nimmt die letzten Möglichkeiten, hier etwas zutun! Die private Eigenvorsorge wird durch den Wegfall aller steuerlichen Möglichkeiten regelrecht diskriminiert.

Sie sprechen von der Bedeutung der Bildung, von der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens. Was geschieht wirklich? – Der Sparkurs an den Universitäten ist zweifelsohne ein berechtigtes Anliegen. Er findet in Teilen selbstverständlich auch die Billigung der Opposition. Aber die Art der Vorgangsweise, die von der von Ihnen repräsentierten Bundesregierung jetzt betrieben wird, zeigt, daß man auf die einzelnen Bedürfnisse überhaupt keine Rücksicht nimmt und den Spielraum, die Autonomie, die man einmal den Universitäten eingeräumt hat, nicht nützt. Die Streichung von Unterrichtsstunden in den Schulen, inbesondere von Fremdsprachen, zeigt auch, daß die Fremdsprachenoffensive, die Sie für das Export- und Tourismusland Österreich immer wieder verlangen, nicht wirklich ernstgenommen wird, weil die Einführung einer Englischstunde pro Woche in den Volksschulen kann dafür wirklich kein Ausgleich sein. (Bundesrat Ing. Penz: Sie lesen keine Zeitungen, Herr Kollege!)

Die ganz große Herausforderung, für eine gute Ausbildung zu sorgen, führt sich auch hier ad absurdum. Herr Bundeskanzler! Die von Ihnen angekündigte neue Offensive für Wachstum und Beschäftigung, die Sie als eines der ganz großen Ziele dieser Bundesregierung darstellen – Sie sagen, daß der Standort Österreich ausgebaut und die Beschäftigung gesichert werden soll –, konterkarieren Sie selbst mit Ihren Maßnahmen im Strukturanpassungsgesetz. Es ist interessant, festzustellen, daß in der Regierungserklärung der sogenannte Beschäftigungsgipfel keinerlei Erwähnung findet, obwohl Sie, Herr Bundeskanzler, und andere Mitglieder der Bundesregierung lautstark die Schaffung von zusätzlichen 80 000 Arbeitsplätzen angekündigt haben. Das kommt in der Regierungserklärung gar nicht mehr vor. Und wenn Sie sehr diskret von einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und der Schließung von Steuerlücken sprechen, dann ist das letztlich nichts anderes als die Erschließung neuer Einnahmequellen in Form höherer steuerlicher Belastungen.


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