Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 48

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Es heißt dann an anderer Stelle: Österreich hat in den letzten Jahren den großen Strukturwandel hervorragend bewältigt. Wie schaut denn dieser Strukturwandel aus? – Wir haben Budgetprobleme, die Sie selbst zugeben. Wir haben den Höchststand an Staatsverschuldung erreicht. Wir weisen sinkende Beschäftigungszahlen, eine Rekordarbeitslosigkeit in der Größenordnung von 300 000 Beschäftigungslosen auf, und wir haben Zahlungsbilanzprobleme. Die österreichische Zahlungsbilanz ist zum vierten Mal in ununterbrochener Reihenfolge – derzeit erreichen wir ein Rekorddefizit – defizitär. All das verkaufen Sie den Bürgerinnen und Bürgern als hervorragende Bewältigung eines großes Strukturwandels.

In diesem Sinne sehen Sie auch jene Vorhaben, die Sie unter dem Kapitel Technologieoffensive zusammenfassen, ein Thema, das mich viele Jahre, schon bevor ich hier in dieses Haus gezogen bin, beschäftigt hat. Ich höre eigentlich immer wieder die gleichen Absichtserklärungen: eine stärkere Verbindung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung, eine Aufwertung der Innovation. Es gibt ein Technologiekonzept der Bundesregierung, über dessen Realisierung man wenig oder gar nichts hört. Es gibt die Erklärung des Wirtschaftsministers – diese wird man sich noch sehr genau anschauen müssen –, daß 1 Milliarde Schilling aus Privatisierungserlösen für mehr Forschung zur Verfügung gestellt werden soll. Es gibt jetzt ein Mammutministerium, in dem Sie das Wissenschafts- und Verkehrsministerium zusammengelegt haben, bei dem Sie jetzt um eine Bezeichnung ringen, weil Ihnen selbst, glaube ich, die Bezeichnung Zukunftsministerium nicht mehr ganz sinnvoll erscheint. Sie wollen eine Selbständigenoffensive betreiben, und Sie erhöhen die Mindestbesteuerung für die kleinen GesmbHs. Die junge Wirtschaft kritisiert, daß die Zahl der Selbständigen sinkt, spricht davon, daß sie die Regierung im Stich läßt. All das wird uns hier als Aufbruch in die Zukunft verkauft. Sie sprechen von stabilen Lohnnebenkosten, Sie erhöhen den Beitrag zum Pleitefonds von 0,5 auf 0,7 Prozent. Ursprünglich war sogar von 0,8 Prozent die Rede. Das geht aber jetzt alles unter, darüber redet man natürlich nicht.

Man redet auch nicht darüber, daß die Arbeitslosigkeit dazu geführt hat, daß dieser Pleitefonds mit rund 6 Milliarden Schilling verschuldet ist. All das sind die Schwächen, die Sie versuchen, in Ihrer Regierungserklärung zuzudecken.

Wenn Sie im Zusammenhang mit der Investorenwerbung von der Kostenwahrheit im Verkehr sprechen, dann bleibt wirklich offen, ob uns die vom Zaun gebrochene Diskussion über die Maut diesbezüglich weiterbringt. Das Road-pricing, wenn es so kommt, wie beabsichtigt, verteuert jedenfalls den Standort Österreich. Es wird sehr viel Fingerspitzengefühl bedürfen, das Sie und die Mitglieder Ihrer Bundesregierung aber bisher in dieser Frage vermissen lassen, um diese Dinge auch tatsächlich umzusetzen.

Daß Umwelt- und Energiepolitik in größerem Sinn zusammengehören, ruft keinen Widerspruch hervor. Aber es wäre ganz interessant zu wissen – auch aus der Sicht der Bundesländer und der Gemeinden –, wie Sie etwa dem Siedlungswasserbau und der Altlastensanierung neue Mittel zuführen wollen, ohne die Belastungen für die Wirtschaft zu erhöhen. Heute haben wir schon gehört, daß der Altlastensanierungsbeitrag in einem exorbitanten Ausmaß erhöht werden soll.

Aber wie gesagt: Außer der Erwähnung der Tatsache wird von Ihnen kein Wort zum Thema Gas- und Stromsteuer gesprochen. Auch diese ist, so wie sie konzipiert ist, nicht der immer wieder geforderte Schritt in Richtung einer Ökologisierung des Steuersystems. Sie treffen auch damit wieder die Kleinen und die Familien. Letztlich ist eine solche Steuer, wie Sie von Ihnen konzipiert wurde, wettbewerbsfeindlich und richtet sich auch gegen die österreichische Wirtschaft.

Ein paar Worte noch zur Außen- und Sicherheitspolitik und zur Frage der engeren Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Staaten Zentral- und Osteuropas. Immerhin ist Österreich schon mehr als ein Jahr Mitglied der Europäischen Union. Wenn Sie jetzt in Ihrer Regierungserklärung davon sprechen, daß es notwendig ist, die österreichische Förderung stärker nach den Gesichtspunkten der EU-Kofinanzierung auszurichten, dann frage ich mich, was eigentlich im letzten Jahr geschehen ist. Was ist eigentlich in Vorbereitung auf den Beitritt in dieser Richtung geschehen? Die Nachrichten, daß Österreich in Brüssel nicht das


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