Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 55

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Glauben Sie, daß uns bei der SPÖ alle mit offenen Armen erwartet haben, daß die uns erbeten haben? – Bei Gott nicht, meine sehr Verehrten! Es gibt prominenteste Sozialisten außerhalb der Kohorte des Herrn Dr. Vranitzky, die uns im Jahr 1986 bei Gott nicht in der Koalition haben wollten, sondern diese Koalition mit der freiheitlichen Partei fortsetzen wollten und die jetzt noch, wenn sie schlecht schlafen, von der Ampelkoalition träumen – aber die wird nicht oder noch nicht gespielt, meine Damen und Herren!

Ich möchte Ihnen ganz deutlich sagen, daß die Österreichische Volkspartei ihre Ideen eingebracht hat, was erst mit einem Bundeskanzler der SPÖ Dr. Franz Vranitzky möglich war; denn es war aber nicht mit jedem Sozialisten – so hießen sie damals, 1986 –, jetzt Sozialdemokraten möglich, meine sehr Verehrten, solche Ideen ein- und durchzubringen. Die Österreichische Volkspartei war für den Europakurs. (Bundesrat Dr. Prasch: Die ÖVP hat nie einen Kanzlerkandidaten gehabt!)

Meine Damen und Herren! Schauen Sie sich an, wer von der SPÖ und von der FPÖ gegen den Europakurs gewesen ist. Wir waren die erste Europapartei, das sei nicht verleugnet! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Österreichische Volkspartei hat der Reprivatisierung das Wort gesprochen. Meine Damen und Herren! Mir kann niemand Märchen erzählen, weil ich die Ehre und das "Vergnügen" – unter Anführungszeichen – habe, seit dem Jahr 1969 hier zu sein, und da habe ich die Regierungserklärungen des Dr. Kreisky erlebt. Meine sehr Verehrten! Wenn Sie in einer stillen Stunde – die haben Sie ja jetzt in der vorösterlichen Zeit – die Regierungserklärungen des Dr. Kreisky mit den folgenden Regierungserklärungen vergleichen, dann werden Sie sehen, daß die Idee der Reprivatisierung darin niemals vorgekommen ist und es auch sicher nie wäre. Niemals! Er hat gesagt, lieber einige Milliarden Staatsschulden mehr und sichere Arbeitsplätze als etwas anderes. – Ich habe damals im Bundesrat genauso wie Kollege Koren – er war mein "doppelter" Kollege, weil wir schon in Innsbruck an derselben Fakultät und dann hier im Haus beisammen waren, er hat ab 1975 die Kohorte der Nationalräte, ich die der Bundesräte geführt – gesagt: Ein Staat, der mehr für den Zinsendienst an Staatsschulden zahlen muß als für die Rückzahlung der Staatsschulden, wird auf die Dauer nicht berühmt, meine sehr Verehrten! Wir haben es erkannt, und wir danken dafür, daß die Sozialistische Partei im Jahr 1986, als Sie die Regierung übernommen haben, Herr Dr. Vranitzky, bereit war, diesen Kurs auch nach ÖVP-Vorstellungen zu ändern – und den werden wir fortsetzen, sonst sind wir nicht koalitionswillig, Hohes Haus! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. Prasch: Kniefall!)

Das nächste, meine sehr Verehrten, ist die Steuerpolitik: Wir haben auch versucht, das Unsere zur Steuerpolitik entsprechend einzubringen, worauf ich noch zu sprechen kommen werde. Wenn wir im Herbst des Jahres 1995 anstelle des Herrn Dr. Staribacher Herrn Mag. Klima als Visavis gehabt hätten (Bundesrat Dr. Prasch: Sie haben doch Dr. Staribacher im Parlament mehrfach das Vertrauen ausgesprochen!), dann wären sicherlich andere Ergebnisse vor Weihnachten möglich gewesen und man hätte sich die Auseinandersetzungen ... (Bundesrat Dr. Prasch: Zwei Mißtrauensanträge!)

Herr Kollege! Lassen Sie mich ausreden, Sie kommen sowieso noch zu Wort! Das Haus hat ja das Glück, Sie noch zu erleben, und daher bitte ich Sie, daß Sie mich aussprechen lassen, obwohl ich Sie nötigenfalls auch überschreien kann. Aber wir wollen uns doch einigermaßen herrenmäßig begegnen. Dieser Raum war übrigens einstens ein Teil des Herrenhauses – damit wir es nicht vergessen. Ich würde gerne auch Teil des "Damenhauses" sagen, aber Sie wissen, das aktive und passive Frauenwahlrecht war erst die Morgengabe der Republik; wir haben erst jetzt das Glück, mit Ihnen beisammen sein zu können und freuen uns darüber – auch auf der Regierungsbank darf ich sagen.

Meine Damen und Herren! Die Situation, in der wir uns befanden – dieses "wir" bezieht sich auf die Österreichische Volkspartei –, war, daß wir von der SPÖ im September, im Oktober, noch gar nicht all das gehört haben, was wir erst nach dem 17. Dezember und den Verhandlungen zur Regierungsbildung zu hören bekamen, was notwendig für den Kassasturz war.


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