Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 56

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Meine sehr Verehrten! Schauen wir uns den europäischen Durchschnitt – man hat sich darüber geärgert, wie lange die Regierungsbildung gedauert hat – an: Meine Damen und Herren! Schauen Sie es sich in anderen demokratischen Staaten mit einer pluralistischen Demokratie an – das heißt, verschiedene Mehrparteienstaaten –, so bemerken Sie, daß die Zeit, die wir für die Regierungsbildung nach der Dezemberwahl gebraucht haben, weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Das war keine lange Zeit! Schauen Sie sich zum Vergleich andere Staaten an. Schauen Sie sich die Situation eines anderen EU-Mitgliedlandes, welches ich heute abend zu betreten habe, an, schauen Sie sich nämlich die Situation einer provisorischen italienischen Regierung an, die jetzt den Vorsitz in der EU hat! Schauen Sie sich die Situation in Schweden an, und schauen Sie sich die Situation, die wir heute mit dieser starken Regierung, die eine Zweidrittelmehrheit hat, an, und schauen Sie sich das Budget und den Finanzplan, der vorgelegt wurde, an.

Es ist dies in verhältnismäßig kurzer Zeit – in der Länderkammer sei das nicht verschwiegen – in einem Miteinander mit den zuständigen Vertretern der Städte, der Gemeinden und der Länder zustande gekommen, und – das wurde vor einem Jahr leider in diesem Maße parallel versäumt – auch mit den Sozialpartnern. Ich glaube, daß zwei ganz entscheidende Momente diese Zweite Republik mitgetragen haben: die Partnerschaft von Bund, Länder und Gemeinden und die der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. In wertvoller Weise haben sich diese mit eingebracht, sodaß dieses Budget zustande kommen konnte.

Meine sehr Verehrten! Nach dem Abgang des Finanzministers Dr. Staribacher, von dem Sie von der SPÖ heute gar nicht mehr reden wollen, der aber Teil Ihrer Geschichte und Ihrer Tragik ist – das darf Ihnen ehrlich sagen –, ist erst mit aller Deutlichkeit in den Raum gestellt worden – das haben wir von der ÖVP schon befürchtet –, daß ein Sanierungsbedarf in Höhe von 100 Milliarden Schilling gegeben ist, der in einem Zeitraum von zwei Jahren gefunden werden mußte.

Ein ausgewogenes Paket wurde nach langen Verhandlungen geschnürt, welches zu zwei Dritteln durch Spaßmaßnahmen realisiert werden muß. Ich sage Ihnen, daß ich – auch als Hochschullehrer – es selbst weiß, daß das nicht leicht ist, weil man das allen Betroffenen mitteilen wird müssen. Glauben Sie mir: Wir haben seit Jahrzehnten Leuten Wünsche erfüllt, die sie gar nicht geäußert hatten; so wie es einen vorauseilenden Gehorsam gibt, so hat es auch das Erfüllen von Wünschen auf verschiedensten Gebieten gegeben, die noch gar nicht artikuliert gewesen sind, meine sehr Verehrten! Und heute wird Verschiedenes als nicht mehr möglich erklärt werden müssen.

Ich habe vergangene Woche in meinem jahrzehntelangen Hochschullehrerleben ein bisher eher seltenes Erlebnis gehabt, nämlich auch meine Lehrveranstaltung wurde gestürmt. Nachdem ich nicht Heinz Fischer heiße, war bei mir nicht das Fernsehen dabei, aber ich darf Ihnen versichern, dieselben Leute sind kostümiert, mit Tschinellen und so weiter aufgetreten – die Hörer waren ganz entsetzt. Ich habe sie gewähren lassen, nach zehn Minuten sind sie wieder abgezogen, ich begann die Vorlesung dann mit den Worten: Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt ein Maß an Formlosigkeit, die nur eine milde Form des Terrors ist.

Man steht das durch und beginnt dann, die Arbeit fortzusetzen. Mir tun auf akademischem Boden – glauben Sie es mir! – die Studenten und die Eltern leid, die nämlich im Sommersemester ihre Studien weiterführen oder ihre Studien abschließen wollen, denn diese verlieren jetzt verschiedene Möglichkeiten, wenn ihnen durch Streikmaßnahmen bestimmte Lehrpersonen entzogen werden. Ich bin daher allen auf Regierungsseite und allen auf der lehrenden und lernenden Seite sehr dankbar, die gerade jetzt mit den Verantwortlichen im Gespräch stehen.

Sie, Herr Bundesrat Dr. Kapral, haben auf die Autonomie der Universitäten hingewiesen. Es ist auch von Regierungsseite – das möchte ich dankbar unterstreichen – darauf hingewiesen worden, daß die Universitäten in ihrem autonomen Bereich das Ihre einbringen können, wie in einem Miteinander der Rahmen des Sparpakets auf akademischem Boden durchgesetzt werden kann, wobei ich glaube, daß es gut wäre, das nicht alleine auf der Straße zu tun – obwohl man


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