Bundesrat Stenographisches Protokoll 610. Sitzung / Seite 69

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programm sind, hier herinnen dieses Programm der großen Koalition so lauthals huldigen und Sie von seiten der ÖVP einen Kniefall vor dem Herrn Bundeskanzler hinlegen, der sich gewaschen hat. Das frage ich mich wirklich. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. )

Kollege Kaufmann! Das Verhalten der Wirtschaftskammer ist in der Frage Doppelmaut noch schlimmer. Der Kärntner Arbeiterkammerpräsident Quantschnigg hat wenigstens an alle Bundesräte, Abgeordnete zum Landtag und Nationalrat einen Brief geschrieben und darin appelliert, daß man wenigstens noch einmal versuchen sollte, dieses Thema Doppelmaut vom Tisch zu bekommen, während die Wirtschaftskammer eiskalt ihre eigene Unterschriftenaktion – allein in Kärnten sind 13 000 Unterschriften zusammengekommen – über Bord geworfen hat und das jetzt stillschweigend zur Kenntnis nimmt, weil sich Herr Wirtschaftsminister Ditz einbildet, daß auf diese Art und Weise die Probleme im Straßenverkehr endlich gelöst werden können. Das wird er eh nicht können; er dürfte auch vergessen haben, daß die österreichischen Autofahrer die Autobahnen bereits einmal mit ihrem Steuergeld sauer bezahlt haben.

Meine Damen und Herren! Mich wundert eigentlich überhaupt nichts mehr, muß ich ehrlich sagen, und ich möchte Sie auch auf etwas hinweisen, was mir im Koalitionsprogramm sehr negativ aufgefallen ist: Beide Fraktionen – SPÖ und ÖVP – führen ja ständig das Wort vom freien Mandat im Mund und sprechen ständig von der notwendigen Belebung des Parlamentarismus. Gleich vorne im Koalitionsabkommen findet sich ein Absatz, der sich mit dem Thema Umgang mit Anträgen, die von anderen Parteien kommen, befaßt. Das ist hier in der kleineren Kammer, im Bundesrat, vielleicht nicht solch ein großes Problem für Sie, aber im Nationalrat gibt es ja immerhin drei Oppositionsparteien, die durchaus auch wertvolle Arbeit leisten, indem sie konstruktiv sind, eigene Anträge einbringen und Initiativen starten.

In diesem Koalitionsabkommen, das Sie so begeistert aufgenommen haben – Professor Schambeck beinahe überschwenglich –, steht in einem gesonderten Absatz: Anträge der Opposition sind gemäß Ziffer 5 zu behandeln. Unter Ziffer 5 steht, daß noch vor Einbringen der Anträge durch die anderen Parteien sich die Klubobleute von SPÖ und ÖVP tunlichst zusammenzusetzen haben, um diese Anträge gleich von vornherein vom Tisch zu wischen. (Ruf bei der ÖVP: Das steht aber nicht drinnen!)

Ich verwahre mich dagegen, daß die Leute, die diesem Koalitionsabkommen so heftig applaudieren und es begrüßen, noch ein einziges Mal das Wort vom freien Mandat in den Mund nehmen, weil das ist nämlich in Wahrheit das Begräbnis des lebendigen Parlamentarismus, das in diesem Koalitionsprogramm niedergeschrieben wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich dann noch anschauen, was aus dem von der ÖVP so sehr heraufbeschworenen koalitionsfreien Raum geworden ist, so finden Sie lächerliche drei Punkte, ein bißchen etwas zur Homosexualität, ein bißchen etwas zum Alkoholismus und ein bißchen etwas zur Promillegrenze. Ansonsten ist alles schon vorher zwischen SPÖ und ÖVP abgesprochen. – Da frage ich mich wirklich, was die ÖVP von diesem neuen Koalitionsabkommen gehabt hat.

Zuletzt noch ein Wort zum Konsultationsgremium. Ich verstehe Professor Schambeck nicht, wenn er unserer Meinung ist, daß er dieses neue Konsultationsgremium nicht haben will. Es ist ein Vorschlag des ÖVP-Landeshauptmannes von Kärnten gewesen, der dieses Konsultationsgremium als erster haben wollte und damit den ersten Steinwurf gegen den Bundesrat gemacht hat. Jetzt steht das aber gleichzeitig im Koalitionsabkommen drinnen. Und ich verstehe nicht, daß Leute wie Professor Schambeck, die sich schon seit Jahren mit dem Föderalismus, mit der Aufwertung des Bundesrates befassen, hier heraußen eine Stunde lang diesen Koalitionspakt loben, den Bundeskanzler huldigen, anstatt daß sie schon in den Koalitionsverhandlungen – nicht jetzt, wo schon alles unterzeichnet ist! – über die entsprechenden Leute, die in den Verhandlungsteams gewesen sind, entsprechend massiven Druck gemacht hätten, damit nicht durch die Hintertüre – ich sage es deutlich: durch die Hintertüre – der Bundesrat obsolet gemacht wird. Wir müssen genau darüber nachdenken, was die Einführung dieses Konsultationsgremiums eigentlich bedeutet.


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