Bundesrat Stenographisches Protokoll 611. Sitzung / Seite 51

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Zur Frage 15:

Die bestehenden Mautpläne wurden bereits dem verantwortlichen Beamten des zuständigen EU-Kommissärs Kinnock in Brüssel vorgestellt und von diesem positiv aufgenommen. Insbesondere die Darstellung der Vignette als Übergangslösung mit späterem Übergang auf die fahrleistungsabhängige Bemautung fand in Brüssel Zustimmung. Zusätzliche Gespräche mit Minister Wiesheu in Bayern und Telefonate mit Minister Wissmann in Bonn haben mir eigentlich die Überzeugung gegeben, daß wir, gerade was die Vignette betrifft, von der Europäischen Kommission keine Probleme zu erwarten haben.

Ich habe aber in diesen Gesprächen ganz deutlich gemacht, daß es einem kleinen Land im Herzen Europas, das einen großen Transitanteil zu tragen hat, einfach nicht zu verwehren ist, daß es verlangt, daß auch die ausländischen Benützer einen gewissen Beitrag zur Finanzierung des österreichischen Straßennetzes leisten. Es ist nicht einsehbar, daß Österreich in jedem anderen Land zahlt – ob das Tschechien ist, die Schweiz, Ungarn, Italien, Frankreich oder was immer man hier aufzählen will; ausgenommen die Bundesrepublik Deutschland –, aber selbst keine Gebühren zur Finanzierung einheben sollte. Ich würde nicht akzeptieren können, daß man Österreich diese Einhebung verwehrt, nur weil wir technisch aufgrund einer anderen Bauweise unserer Autobahnen in den sechziger und siebziger Jahren nicht in der Lage sind, ein Road-pricing-System einzuführen.

Ich sehe daher diese Diskussion mit Brüssel auch als eine offensive Strategie, um die österreichische Position sowohl hinsichtlich der LKW-Problematik als auch hinsichtlich der PKW-Problematik klar definieren und darstellen zu können. Ich glaube wirklich, daß die Wegekostenrichtlinie, wie sie jetzt besteht, auf große, zusammenhängende Autobahnnetze abgestellt ist, wie beispielsweise die Italiener, die Franzosen sie haben, wie sie Österreich nie haben kann. Daher müssen wir danach trachten, daß hier andere Gesichtspunkte, beispielsweise ökologische Gesichtspunkte, in die Wegekostenrichtlinie miteingebaut werden, und als vollwertiges Mitglied der Europäischen Union werden wir diesen unseren Standpunkt sicher offensiv und selbstbewußt vertreten.

Zur Frage 16:

Es geht nicht um einen "blauen Brief", sondern um ein Mahnschreiben, das im Gegensatz zu Presseankündigungen bis jetzt im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten noch nicht eingetroffen ist. Grundsätzlich wird aber versucht werden, die Mauterhöhung mit folgenden Argumentationslinien zu rechtfertigen:

Erstens hinsichtlich der bestehenden EU-Wegekostenrichtlinie mit der innerhalb der EU sonst nicht vorkommenden Netz- und Finanzierungssituation Österreichs. Ich glaube – ich habe das vorher erwähnt –, wir müssen darauf verweisen, daß es einfach nicht angeht, zu sagen, auf dem Brenner dürfe nur jener Betrag eingehoben werden, den man für die Erhaltung und für die Ausfinanzierung der Strecke benötigt, weil die Strecke enorm kurz ist und daher eine nur sehr niedrige Maut zu erheben wäre, andererseits Österreich erhebliche Lücken in anderen Autobahnbereichen – Süd Autobahn, Pyhrn Autobahn – hat, man muß das Gesamtnetz sehen.

Zweitens muß man auch sehen, daß Österreich diesbezüglich dringend einen Lenkungseffekt benötigt. Ich habe diese letzte Mauterhöhung nicht aus Jux und Tollerei gemacht, sondern ich darf Sie daran erinnern, daß das eine Willenserklärung aller Parteien Tirols war, die dann auch im Nationalrat zu entsprechenden Entschließungsanträgen geführt hat: Ich habe dann in der Bundesregierung die Entscheidung herbeigeführt, ob wir diesen Weg der Mauterhöhung – vor allem auch den Weg einer sehr starken Erhöhung des Nachttarifs – gehen oder ob wir aufgrund von Problemen mit der EU-Konformität diesen Weg nicht gehen. Die Bundesregierung war der Meinung, es sei notwendig, diesen Weg zu gehen, um deutlich zu machen, daß wir mittlerweile, wenn wir das nicht machen, ein Akzeptanzproblem in Tirol haben, weil die Zunahme des Verkehrs in den letzten Jahren um fast 25 Prozent beziehungsweise im Durchschnitt um mehr als 12 Prozent ein Problem darstellt, das man nicht ignorieren kann.

 


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