Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 27

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treffend diese Frage einer ablehnenden Mehrheit gegenüberstehen werden. Ich nehme in diesem Fall die Sozialdemokraten nicht grundsätzlich aus. Es ist mir aber doch ein echtes Bedürfnis, darauf hinzuweisen, daß mit dieser Feststellung nicht jene Damen und Herren gemeint sind, die die Sozialpolitik federführend gestalten, sondern daß wir diese eigenartige frauenfeindliche Haltung eher in der breiten Mittelschicht unserer Funktionäre finden, auch bei den Sozialdemokraten.

Die frauenfeindliche Politik in den Reihen der ÖVP tut mir vor allem deshalb besonders weh, weil ich weiß, daß in den Reihen der ÖVP-Gewerkschafter auch andere zu finden sind. Von einer Frauenpolitik im Kreis der FPÖ habe ich bis jetzt überhaupt noch nichts gemerkt. Darüber kann und will ich mich auch nicht äußern.

Ich bekenne mich jedenfalls, trotz der spezifischen Belastungen, zum Strukturanpassungsgesetz. Denn Strukturanpassung ist für mich die Reaktion auf Entwicklungen, die nicht mehr adäquat sind. Ich denke, daß dieser Terminus dem Grundsatz, der damit ausgedrückt werden soll, angemessen ist. Es gibt natürlich Berufsgruppen und Bevölkerungsgruppen, die nebst der genannten spezifischen Gruppe jetzt besonders betroffen sind. Die Einschränkung der steuerlich absetzbaren Kosten für Familienheimfahrten bei Pendlern zum Beispiel wird sicherlich für einige Gruppierungen eine schwere Belastung sein. Die Abschaffung der Berücksichtigung der Sonderausgaben an und für sich ist für Gruppierungen mit nicht hohen Einkommen auch eine Erschwernis.

Für die generelle Befristung der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension habe ich – das gebe ich ganz offen zu – überhaupt kein Verständnis. Ich sehe keine Begründung dafür, daß jetzt eine Veränderung vorgenommen wird. Es hat befristete Invaliditätspensionen gegeben, und die damit verbundenen Untersuchungen wurden durchgeführt. Vielleicht fehlt mir in diesem Zusammenhang ein Argument, das mir jemand nachliefern könnte.

Die fehlende Ausnahmeregelung für den Bezug der Familienbeihilfe bis zum 27. Lebensjahr bei Studierenden sehe ich für Familien ebenfalls als gravierende Erschwernis. Wir sind davon ausgegangen, jeder Einkommensgruppierung die Weiterbildung und die entsprechende Berufsausbildung, vor allem ihrer Kinder, zu ermöglichen.

Unzureichende Kompensationsmaßnahmen für den Wegfall der Schüler- und Studentenfreifahrten: Alle, die Kinder haben und in dieser Situation sind, wissen, was ich damit meine. Die Herabsetzung der Altersgrenze im Studienförderungsbereich sehe ich für alle Fälle der Weiterbildung im Erwachsenenbereich als ein Erschwernis an, besonders für jene Menschen, die im zweiten Bildungsweg ihre Qualifikation erwerben. Qualifikation wird übrigens ununterbrochen von der Wirtschaft gefordert, wenn sie allerdings konkret Leistungen beisteuern soll, schaut das schon wieder etwas anders aus. Ich kann mich noch sehr gut an unangenehme Diskussionen im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen erinnern, als es darum gegangen ist, Weiterbildungsmaßnahmen – zum Ziel der nötigen Qualifikation in den Betrieben – zu fördern. Sie waren unerfreulich, um das mit einem einzigen Ausdruck zusammenzufassen.

Meine Damen und Herren! All das, was ich jetzt aus meiner Sicht als ernstgemeinte Kritik – ich betone: als sachliche Kritik – angeführt habe, trifft im besonderen Ausmaß die Arbeitnehmer. – Vor allem deshalb, weil es im Bereich der unselbständig Erwerbstätigen keine Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Den Vorwurf, ich greife wieder die Wirtschaft an, möchte ich nicht auf mich nehmen, aber das ist Faktum. Ein Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Verhältnisse lückenlos jeder entsprechenden Behörde, jeder Einrichtung klarzulegen. Er hat keine Entscheidungsfreiheit, dies zu gestalten.

Die Frage der Einbeziehung der Werkverträge in die Sozialversicherungspflicht wurde heute positiv vermerkt. Auch ich halte das durchaus für positiv, möchte jedoch darauf hinweisen, daß die Frage, ob jemand im Rahmen eines Werkvertrages oder eines Dienstvertrages beschäftigt wird, sehr oft überhaupt nicht vom Arbeitnehmer zu entscheiden ist. Ich erinnere Sie nur an jene Fälle, in denen man Fleischhauern das Tranchieren von Schweinehälften in Form von Werkverträgen zugeordnet hat. Daß der Arbeitnehmer, wenn er diese Tätigkeit ausüben will und muß,


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