Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 45

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Bundesrepublik Deutschland beispielsweise hat man die Absicht, um 50 Milliarden Mark – das sind mehr als 350 Milliarden Schilling – zu kürzen, in Schweden soll um umgerechnet 48 Milliarden Schilling gekürzt werden, in Großbritannien um 65 Milliarden und in Italien um umgerechnet 66 Milliarden. Das zeigt, daß das nicht ein österreichisches Phänomen ist, sondern ganz Westeuropa betrifft. Ich möchte gar nicht davon reden, was sich im vergangenen Jahr in Frankreich gerade auf diesem Sektor abgespielt hat.

Wenn hier immer wieder gesagt wurde, daß die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Kreditwürdigkeit Österreichs im Vordergrund steht, dann möchte ich hinzufügen, daß diese Priorität für alle zu gelten hat. Denn nur wenn wir Arbeitsplätze haben und die Wirtschaft gesichert ist, können auch andere Maßnahmen, die es uns ermöglichen, die sozialen Standards aufrechtzuerhalten, gesetzt werden.

Ich glaube, man sollte es sehr neutral und sehr objektiv sehen: Es gab auch in der Vergangenheit im Bereich des Sozialen Veränderungen, Kürzungen und Rücknahmen. Jetzt sind wir natürlich besonders gefordert, denn es hat sich noch nie um ein vergleichbares Ausmaß an Kürzungen gehandelt. Insgesamt haben wir mit dem Sozialkapital 30 Milliarden budgetwirksam und budgetstabilisierend in den Vorschlägen verankert. Ich glaube aber, daß in der Struktur dieses Programmes eindeutig erkennbar ist, daß keine einseitigen Belastungen entstehen, daß alle Bevölkerungsgruppen betroffen sind und daß ausdrücklich Wert darauf gelegt werden wird, daß in der Gewichtung die Einkommensschwachen, also die Schwächeren in unserer Gesellschaft, geschont beziehungsweise nur zu einem wesentlich geringeren Ausmaß betroffen sind. Ich meine, das ist ganz wichtig, um jene soziale Ausgewogenheit zu erhalten, die wir zu Recht aus sozialpolitischer Sicht verlangen. Gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen, daß Arbeit für den Menschen mehr als eine reine Existenzgrundlage ist: Arbeit ist darüber hinaus ein Teil dessen, was allgemein als Sinn des Lebens bezeichnet wird.

In diesem Strukturanpassungsgesetz haben wir einen Schritt gesetzt, arbeitnehmerähnliche Arbeitsverträge sozialrechtlich abzusichern. Ich sage bewußt: Das war ein erster Schritt, und wir müssen weitere Regelungen anstreben, um die Umgehung arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen und Absicherungen weiter zu verhindern. Dazu gehört die Lösung für die Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte genauso wie das Zusammentreffen von mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen auch bei Werkverträgen.

Diese Maßnahmen werden auch die Lebenssituation der Frauen verbessern. Trotz einzelner Maßnahmen in diesem Strukturanpassungsgesetz, die schmerzhaft sind, finden wir auch emanzipatorische – zugegebenermaßen würde ich mir mehr davon wünschen –, vor allem aber beschäftigungssichernde Maßnahmen.

Hinsichtlich Bundespflegegeldgesetz beruhigt mich, daß es Stichproben geben wird, anhand derer überprüft werden soll, ob das Pflegegeld zu Recht bezahlt wird oder ob etwas geändert werden muß. Es stimmt mich traurig, daß zu solchen Maßnahmen gegriffen werden muß, aber es wurde mit dem Pflegegeld sehr viel Schindluder getrieben, sodaß dies ganz einfach notwendig geworden ist.

Eine Bemerkung zu den Pensionen: Die Entwicklung, nicht nur im materiellen Bereich, in den letzten 40 Jahren ist gewaltig. Wir haben 1959 in Summe zirka 900 000 – genau: 875 447 – Pensionisten zu verzeichnen gehabt. Ende 1995 hat sich diese Summe verdoppelt. Ich brauche die Begründung dafür nicht anzuführen, warum es diese rasante Entwicklung im Bereich der Pensionisten und Pensionistinnen gibt, wegen der wir es nicht geschafft haben, daß mit der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und auch der Budgetentwicklung in gleichem Maße Schritt gehalten werden konnte. Eines, so glaube ich, müssen wir aber immer wieder herausstreichen: Es wird nach Abschluß dieser Verhandlungen zu keinen Kürzungen bei den bestehenden Pensionen kommen. In den letzten Monaten ist in der Öffentlichkeit immer wieder das Gerücht herumgegeistert, daß es eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge bei den Pensionisten geben wird, weil sie auch mehr Kosten verursachen. – Dazu sage ich sehr deutlich: Die Pensionisten haben über Jahre und Jahrzehnte ihre Beiträge bezahlt und haben sicher in jungen Jahren entsprechende Leistungen weniger in Anspruch nehmen können. Jetzt, da sie verstärkt


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