Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 93

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Nun zum Strukturanpassungsgesetz: Frau Kollegin Kainz! Sie haben von einer Scheindebatte gesprochen. Ich wollte Ihnen da nicht widersprechen. (Bundesrätin Kainz: Das hat Ihr Kollege Kapral gesagt!) Sie haben dann gesagt, daß Sie sich gegen das Wort Scheindebatte verwahren. – Wiewohl ich sehr ungern Frauen widerspreche, muß ich Ihnen in diesem Fall widersprechen. Ich habe mir das Arbeitsübereinkommen der Koalitionsparteien ausheben lassen, und darin heißt es unter Punkt zwei: Wichtige Entscheidungen in der Bundesregierung und im Parlament (Nationalrat und Bundesrat) werden gemeinsam erarbeitet und gemeinsam in der Öffentlichkeit vertreten. – Das heißt in die Praxis übersetzt, daß Sie Ihres freien Mandates entbunden sind, daß Sie de facto gemäß Punkt 8 dieses Abkommens dem Arbeitsausschuß zu folgen haben und Ihr Abstimmungsverhalten danach zu richten haben. Meine Damen und Herren! Das ist kein Schritt in die Zukunft. Meine Damen und Herren! Das ist ein Schritt zurück in eine Demokratur, die wir eigentlich in Österreich nicht notwendig haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deswegen glaube ich, daß in Anbetracht der Debatte, die hier teilweise geführt wird, Kollege Kapral durchaus zu Recht behauptet hat, daß diese eine Scheindebatte ist. Ich bin gespannt, ob hier nur einer aus dieser Abstimmung ausbricht. (Bundesrätin Kainz: Wir behalten uns noch vor zu kritisieren!) Kollege Jaud hat es in einer sehr mutigen Wortmeldung versucht, und sofort ist von Ihrer Seite die entsprechende Kritik gekommen, wie es seinerzeit im alten Rom war: Roma locuta, causa finita. Was in diesem Fall bedeutet: Der Kanzler hat befohlen, der Arbeitsausschuß hat befohlen, und Sie haben zu folgen. So ist es leider Gottes, das steht in Ihrem Koalitionsabkommen, meine Damen und Herren! (Weitere Zwischenrufe der Bundesrätin Kainz. )

Es ist Ihnen völlig egal, wenn die Bundesländer Notschreie von sich geben. Solche wurden heute zuhauf zitiert. Ich habe die steirischen Stellungnahmen zu fünf, sechs, sieben Gesetzen des Strukturanpassungsgesetzes vorgelesen, die besagten, daß diese Kurzfristigkeit ein Affront gegenüber den Länderinteressen und gegenüber dem Föderalismus ist. Ich habe den Brief des Bundeskanzlers aus dem Jahr 1984 zitiert, in dem gebeten wurde, daß zu Landesgesetzen mit gesetzlicher Folgewirksamkeit unbedingt eine sechswöchige Stellungnahmefrist zur Verfügung stehen soll. – Wir als kleine, arme Parlamentarier haben hingegen eineinhalb Tage Zeit gehabt, um uns mit 1 400 Seiten – über 10 Kilo Papier! – zu befassen. – Das ist, glaube ich, ein typisches Beispiel für nicht gelebten Föderalismus.

Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen auch versprochen, daß ich Ihnen noch ein bißchen etwas über die Systematik erzählen werde. Ich habe mir gestern in der Nacht die Mühe gemacht und habe mich ein bißchen eingelesen. – Ein Großteil der 98 Novellierungen, meine Damen und Herren, stammt aus dem Jahr 1995, etwa das Beamten-Dienstrechtsgesetz, Nummer 820, und so weiter und so weiter. Ich mußte lange suchen, bis ich zu einer Materie gekommen bin, die etwas älter ist. So ist etwa das Bundesgesetz über die Maßnahmen zur Vorbeugung und Beseitigung von Katastrophenschäden etwas älteren Datums. Selbst Gesetze über die Verbrauchsabgabe, die Elektrizitätsabgabe, die Erdgasabgabe wurden erst kürzlich novelliert. Da wird kein Muckser gemacht. Wenn die Steirer ein Wasserentnahmegesetz beschließen, das genau den gleichen materiellen Inhalt hat, gibt es von Ihrer Fraktion keinen einzigen Einwand. – Nur ein Hinweis, Herr Finanzminister: Wir Freiheitliche haben da nicht zugestimmt, weil wir es grundsätzlich ablehnen, daß solche Gesetze zur Stopfung von Budgetlöchern verwendet werden.

Wenn hingegen irgendein Bundesland selbst tätig wird, schaut die Sache anders aus. – Ich halte grundsätzlich ein solches Gesetz, daß die Umwelt schonend behandelt wird, für möglich. Aber es sollte nicht ein Budgetgesetz sein. Das sollte man sich überlegen! Aber genau das passiert im Bundesbereich. Es wird einfach vollzogen, muß ja wohl vollzogen werden, es handelt sich ja um eine Notgemeinschaft, die, wie ich hoffe, im Interesse des Staates Österreich bei einem Defizit von 1,3 Billionen Schilling – über 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes! – trotzdem übersteht! (Bundesminister Mag. Klima: Ein Defizit von 1,3 Billionen? – Zwischenruf des Bundesrates Pramendorfer. ) Ich hoffe, daß sie es übersteht. Denn wenn jetzt schon alles auseinanderfällt, dann werden wir noch mehr Schulden haben.


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