Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 96

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Aber das wäre noch zuwenig Grund, daß wir diesem Gesetz so kritisch gegenüberstehen. Wir glauben, daß mit diesem Strukturanpassungsgesetz auch schwere verfassungsmäßige Mängel verbunden sind und daß in diesem Fall – das sollte man Herrn Dr. Khol sagen – der Verfassungsbogen wirklich durchbrochen wird. – Lassen Sie mich dazu ein Beispiel geben: Sie alle kennen das Koalitionspapier, in dem der sogenannte Konsultationsmechanismus festgelegt wird. Ich habe seinerzeit gemeint, daß das irgendein Landeshauptmann dahergeplappert hat. Das stimmt aber nicht, denn das ist ganz gezielt im Koalitionspapier enthalten. Dieser Konsultationsmechanismus soll bis zu Artikel-15a-Vereinbarungen gehen und das entscheidende Gremium sein.

Was bedeutet das, meine Damen und Herren? – Das bedeutet, daß die maßgeblichen Bestimmungen der Bundes-Verfassung, Artikel 33 und 34, ausgehöhlt werden. Meine Damen und Herren! Es kommt in diesem Fall zu einer schleichenden Verfassungsänderung, die ganz besonders gefährlich ist, weil dieser Konsultationsmechanismus in einem gesetzesleeren Raum schwebt und nicht einmal die Möglichkeit besteht, daß das hier angesprochen und angegriffen wird. Und das ist die wirkliche Krux dabei. So sagte der Herr Bundeskanzler seinerzeit im Zusammenhang mit Artikel 98 forsch: Eigentlich sind die Länder schuld, daß die Verhandlungen abgebrochen wurden. – In Wirklichkeit war zum Teil neben dem schwachen Durchsetzungsvermögen des Bundesrates unter anderem eine Vorlage schuld, die eine Supervollmacht des Finanzministers vorgesehen hat, nämlich daß er bei finanzfolgewirksamen Landesgesetzen allein das Einspruchsrecht hat. Das war damals in dieser Novellierung enthalten, da ist man still und leise abgefahren. Aber noch wesentlich schwerwiegender, meine Damen und Herren – das erregt mich innerlich so – ist, daß die Struktur des Bundesrates durch diesen Konsultationsmechanismus gefährdet ist.

Den Appell, sich das zu überlegen, meine Damen und Herren, habe ich an Sie gerichtet. Heute ersuche ich Sie, dieser Materie aus diesem Grund in Anbetracht Ihrer Verantwortung als Bundesrat betreffend den Föderalismus und eingedenk Ihres Eides nicht die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.40

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile es ihr.

16.40

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Strukturanpassungsgesetz ist heute schon viel gesagt worden.

Vor allem verweise ich auch auf die Ausführungen meines Bundesratskollegen Jaud. Ergänzend dazu möchte ich die Freiheitlichen daran erinnern, daß in all den Jahren auch sie Gesetze mit beschlossen haben, die uns heute noch belasten. Die Freiheitlichen, die heute so tun, als ob sie unschuldig wären, waren außerdem von 1983 bis 1986 mit der SPÖ in der Regierung und haben damit zur Staatsverschuldung, an der wir heute noch leiden, verantwortlich beigetragen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Langer. )

Ich bekräftige diese meine Aussagen wie folgt: Das Nettodefizit hat sich vom Jahre 1970, also seit der Zeit der ÖVP-Alleinregierung, bis zu den Jahren 1983 bis 1986, also während der Zeit der SPÖ-Alleinregierung und SPÖ-FPÖ-Koalition, um 2 600 Prozent gesteigert; man höre: um 2 600 Prozent! (Bundesrat Eisl: Und jetzt um 4 000 Prozent!)

An dieser Schuldensteigerung haben wir heute noch massiv zu tragen. Ich bin auch nicht zufrieden mit jedem Detail des Strukturanpassungsgesetzes und mit der Tatsache, daß es notwendig war, dieses Gesetz in so kurzer Zeit zu beschließen. Ich bin auch nicht zufrieden darüber, daß verschiedene Gesetze Verfassungsbestimmungen enthalten. Mein Fraktionskollege Bundesrat Weiss hat dazu auch schon ausführlich gesprochen, und ich möchte mich daher nicht wiederholen.


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