Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 99

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

derjenige sein, der den Mißstand wirklich aufzeigt und sagt: Derjenige ist es. (Bundesrat Pramendorfer: Wir sind ja nicht zum Denunzieren da!)

Wir alle regen uns darüber auf, aber keiner ist bereit, wirklich zu sagen: Ich nenne jetzt einen konkreten Fall. Immer wird über irgend jemanden geredet, der jemanden kennt. Hinter vorgehaltener Hand und hinter verschlossenen Türen wird auch über konkrete Fälle geredet, aber wenn es darum geht, Mißstände aufzuzeigen, ist keiner dazu bereit. Und aus diesem Grund, weil sich keiner dazu bekennt, kommt es zu einer massiven Diskriminierung der Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher.

Zweiter Punkt in diesem Zusammenhang: Mich stört die Kürzung ganz besonders, weil wir wissen, daß diese Diskriminierung und Ungleichbehandlung jetzt nicht das große Geld bringen. Denn die Zahlung des Karenzurlaubsgeldes für das vierte halbe Jahr für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher würde sicherlich keinen riesengroßen Betrag ausmachen.

Umgekehrt spricht keiner über den Wochenhilfegeldbezug. In vielen Diskussionen bin ich jetzt auch darauf gekommen, daß eigentlich gar niemand weiß – und ich muß ehrlich zugeben, mir war es selbst lange nicht bewußt –, daß es im Hinblick auf die Wochenhilfe und auf den Wochenhilfegeldbezug keine Höchstbemessungsgrundlage gibt. Wir wissen: Bei der Pensionsversicherung, bei der Krankenversicherung und bei der Arbeitslosenversicherung gibt es die Höchstbemessungsgrundlage von derzeit 39 000 S. Für die Wochenhilfe gibt es dies nicht. Ich habe mich erkundigt: Es gibt nicht wenige Fälle, in denen Frauen, die einen entsprechend gut bezahlten Job hatten, ein Wochenhilfegeld von bis zu 2 000 S pro Tag beziehen. Das heißt, die kommen auf einen Wochenhilfegeldbezug von über 60 000 S und mehr pro Monat! (Bundesrat Pramendorfer: Das muß auch aufgezeigt werden!) Ich sage es ja gerade! Wenn ich das in Relation zum Karenzurlaubsgeld setze, empfinde ich das als ungerecht. Es gibt hiebei oft Fälle, in denen Frauen nicht acht Wochen vor der Geburt und acht Wochen nach der Geburt Wochenhilfe beziehen, sondern oft vorzeitig in Wochenhilfe gehen und dann sehr viel Geld beziehen, was andere durch Arbeit nie erhalten können, weil es eben diesfalls keine Höchstbemessungsgrundlage gibt.

Ein weiterer Punkt, der für mich auch nicht ganz einsichtig ist, ist die Tatsache, daß Krankengeld bis zu einem Betrag von 230 S täglich steuerfrei ist und alles, was über 230 S liegt, mit 22 Prozent versteuert wird, während Wochenhilfegeld hingegen zur Gänze steuerfrei ist. Das heißt: Selbst 2 000 S, 2 500 S oder 3 000 S Taggeld an Wochenhilfe sind zur Gänze steuerfrei. Ich glaube, daß diesfalls nicht jene in den Genuß einer Überbezahlung kommen, die es am notwendigsten hätten. Denn wenn man so viel Taggeld bekommt, dann muß man auch entsprechend verdient haben. Ich sehe jedoch nicht ein, daß bei den Alleinerziehern massiv gespart wird.

Auf der anderen Seite muß ich sagen, daß ich aus der heutigen Rede vom Kollegen Pischl nicht ganz schlau geworden bin. Ich bin mir nicht im klaren darüber, was er genau gemeint hat oder was er uns wirklich sagen wollte. Denn im ersten Teil der Rede war er sehr moderat. Als es um Kinderbetreuungseinrichtungen, um die sozialen Beziehungen zwischen Kindern und die Förderung der sozialen Kommunikationsfähigkeit von Kindern ging, dachte ich mir, er könnte eigentlich fast in unseren Reihen arbeiten und den Sozialdemokraten angehören. Ich war wirklich sehr begeistert, Herr Kollege!

Was mich dann allerdings sehr schockiert hat, war, daß er in den nächsten Sätzen immer wieder die Begriffe "Humanvermögen" und "Humankapital" benutzte – ich finde es wirklich schlimm, von unseren Kindern als "Humanvermögen" und "Humankapital" zu sprechen –, und das, was er – das hat mich sehr aufgebracht – zur Partnerschaftlichkeit im Eherecht, was zurzeit auch diskutiert wird, gesagt hat. Ich glaube, da zeigt sich die ÖVP wirklich von ihrer konservativsten Seite.

Wenn wir auf der einen Seite sagen: Der Staat soll nicht alles reglementieren, das geht den Staat nichts an!, dann müssen wir uns aber auf der anderen Seite klar vor Augen halten, daß das im einfachen Leben, im Alltagsleben nicht funktioniert.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite