Bundesrat Stenographisches Protokoll 613. Sitzung / Seite 8

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Konkret stehen Vorschläge im Zusammenhang mit der Vereinfachung der Arbeitsstruktur im Raum. Es wird versucht, die derzeit bestehenden fünf Arbeitsebenen zu reduzieren. Österreich unterstützt im Interesse einer größeren Effizienz diese Bemühungen.

Weiters wurde vorgeschlagen, den Katalog der Rechtsformen im Bereich der dritten Säule auszuweiten und einerseits rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen und andererseits Durchführungsnormen zu Konventionen in das Normengefüge des Unionsvertrages einzubauen. Auch diese Vorschläge entsprechen den von Österreich bisher immer wieder vorgebrachten Positionen.

Eine intensive Diskussion ist zur Frage der Rolle des Europäischen Gerichtshofes zu erwarten. Österreich gehört zu jenen Staaten, die sich für den Ausbau der Rolle des Gerichtshofes einsetzen. Ob allerdings tatsächlich eine Ausweitung der Kompetenzen des Gerichtshofes erreicht werden kann, ist beim derzeitigen Diskussionsstand noch nicht abzuschätzen. Aus rechtsstaatlichen Überlegungen wäre allerdings eine solche Kompetenzausweitung zweifellos wünschenswert.

Ebenfalls noch unklar ist das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit möglicher Vergemeinschaftungen von Rechtsbereichen der dritten Säule. Es wird immer wieder und von einer Reihe von Staaten eine teilweise Vergemeinschaftung gefordert, und auch Österreich vertritt im Grundsatz eine gemeinschaftsfreundliche Position. Es zeigte sich allerdings bereits in den ersten Diskussionen, daß einige Staaten der Union diesen Weg jedenfalls nicht mitgehen wollen.

Schließlich scheint die Frage des Verhältnisses zwischen Schengen und der Europäischen Union bei den Arbeiten der Regierungskonferenz eine große Bedeutung zu gewinnen. Seitens des Ratssekretariats wurden bereits zwei Papiere vorgelegt, die eine schrittweise Integration des Schengener Rechtssystems in das Rechtssystem der Union enthalten. Gleichzeitig ist aber auch klar, daß die Schengener Staaten kein Interesse daran haben, daß Schengen in der Union "aufgeht" und damit seine Funktion als Motor einer gesamteuropäischen Entwicklung im Sicherheitsbereich verliert.

Beim derzeitigen Diskussionsstand ist eher zu erwarten, daß die Übernahme des Schengener Besitzstandes durch Nicht-Schengen-Staaten im Rahmen der Europäischen Union erleichtert und daß die Möglichkeit geschaffen wird, Institutionen der Europäischen Union wie etwa den Gerichtshof auch für den Schengener Bereich für zuständig zu erklären.

Insgesamt steht diese Frage aber im Zusammenhang mit der Grundfrage, ob sich innerhalb der Europäischen Union ein flexibleres Regelungssystem und eine variable Geometrie entwickeln kann. Dies ist aber eine grundsatzpolitische Frage der europäischen Rechtsentwicklung, die wohl nicht ausschließlich im Hinblick auf die dritte Säule zu entscheiden sein wird.

Wenn ich mir noch eine abschließende Bemerkung zu diesem Themenkomplex erlauben darf: Wenn ich die Wahlfreiheit hätte, welchen anderen Bereich ich zu integrieren hätte, dann würde ich mir wünschen, eher die dritte Säule, den Bereich Inneres, in das Schengener System zu integrieren als umgekehrt, einfach deshalb, weil die pragmatische Funktionsweise des Schengener Systems die überzeugendere ist.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Albrecht Kone#ny: Herr Bundesminister! Können Sie abschätzen, ob bei einer möglichen Vergemeinschaftung auch Mitspracherechte des Europäischen Parlaments in diesem Bereich gewährleistet werden können?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Es ist so, daß die österreichische Position in zwei Punkten mehr verlangt, als derzeit schon im Konsens erreicht werden konnte. Das eine ist der Punkt, den ich schon angesprochen habe, nämlich die Integration des Europäischen Gerichtshofs in Materien der dritten Säule. Das zweite ist die verstärkte Einbeziehung des


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