Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 50

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stitionen zu substituieren und alle Bemühungen darauf auszurichten, die sogenannten Lohnstückkosten, also die Lohnkosten je produzierter Einheit, zu senken.

Eine Folge davon, ohne näher darauf einzugehen, ist zweifelsohne der Umstand, daß die Kapitalproduktivität in Österreich gegenüber unseren Konkurrenten nachhinkt. Das hängt natürlich mit der Inflexibilität vor allem auch im Bereich der Arbeitszeit zusammen. Hier dringend Änderungen, dringend Neuerungen zu schaffen, wurde nicht nur einmal gefordert.

Diese Betrachtung führt weiter zu der Frage, wie es überhaupt um den Wirtschaftsstandort Österreich steht, wobei auch widersprüchliche Aussagen in der Öffentlichkeit erfolgen. Wenn man eine nüchterne, einfache Analyse vornimmt, dann muß man wohl zu dem Schluß kommen, daß es um den Standort Österreich nicht zum besten bestellt ist. In diesem Zusammenhang komme ich noch einmal auf Wien zu sprechen:

Wenn ich mir die Plakate der drittstärksten Partei mit ihrem Obmann im Wiener Landtag beziehungsweise Gemeinderat vor Augen führe, auf denen kritisch die hohe Zahl von 65 000 Arbeitslosen angemerkt wird, auf denen dargetan wird, daß der Standort Wien an Attraktivität für neue Investoren verloren hat, dann frage ich mich: Welche Politik wird letztendlich von der ÖVP als Wirtschaftspartei wirklich verfolgt? Auf der einen Seite gibt es die harsche Kritik am Koalitionspartner, auf der anderen Seite in der Regierung die Abstützung, die Absicherung einer Wirtschaftspolitik, die, wie sich auch jetzt wieder anläßlich des EU-Gipfels gezeigt hat, jedenfalls nicht das Beste für Österreich darstellt.

Es ist vielmehr zu befürchten, daß dieser Standort Österreich weiter an Attraktivität verlieren wird. Äußerungen zum Beispiel in jüngster Zeit sprechen davon, daß das Marketing für den Standort Österreich mangelhaft und unbefriedigend ist und daß man es von österreichischer Seite verabsäumt hat, durch gezielte Maßnahmen Österreich auch außerhalb von Europa zu vermarkten. Letztendlich führen natürlich auch die verschiedensten steuerlichen Maßnahmen des Belastungspaketes zu einem weiteren Attraktivitätsverlust, auch wenn von Koalitionsseite immer wieder versucht wird, der Bevölkerung etwas anderes glaubhaft zu machen.

Die Koalition ist natürlich auch gerne bereit, etwaige Großprojekte, wie sie doch allenthalben auch wieder in Österreich realisiert werden, groß zu vermarkten. Wenn man sich aber diese Großprojekte ansieht, dann bemerkt man, daß die Schaffung von neuen zusätzlichen Arbeitsplätzen – wenn überhaupt – in keiner Relation zu den aufgewendeten Beträgen steht. In manchen Fällen geht es nur darum, mit solchen großen Investitionen die Beschäftigung, wie sie derzeit an diesen Standorten geboten wird, auch für die Zukunft abzusichern. Mögliche Beschäftigungseffekte könnten eventuell bei den für diese Großvorhaben tätigen Zulieferern festgestellt werden, also im Bereich der für Österreich wichtigen kleinen und mittleren Industrieunternehmen, wobei für diese Klein- und Mittelunternehmen, für diese Art von Unternehmen in Österreich praktisch nichts geschieht.

Es wird zwar immer wieder sehr hochtrabend von Gründerinitiativen, vom Beschäftigungsgipfel, wie wir ihn im Februar dieses Jahres erlebt haben, gesprochen, einem Gipfel, dessen Auswirkungen minimal, wenn überhaupt vorhanden sind, aber welche Maßnahmen tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden, um einer solchen Gründerinitiative neue Impulse zu geben, bleibt offen, und die Realität schaut anders aus.

Wenn ich daran denke, daß kürzlich ein im Umkreis von Wien beheimatetes Unternehmen darüber beredt Klage geführt hat, daß es mehr als anderthalb Jahre gedauert hat, bis die Genehmigung eines Bahnanschlußgleises in Länge von sechs Kilometer alle behördlichen und sonstigen Hürden überwunden hat, dann frage ich mich wirklich, ob das jene österreichische Industriepolitik ist, die als große Attraktivität für die Ansiedelung neuer Unternehmen vermarktet wird. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Dieses Projekt konnte auch nur unter massivem Druck und mit der Drohung, daß 1 200 Arbeitsplätze gefährdet seien, realisiert werden. Bei der österreichischen Industriestruktur fragt man sich, wie lange und wie viele Unternehmen eine Politik dieser Art auch tatsächlich verfolgen können.


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