Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 52

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die ebenfalls zu radikalen Sparmaßnahmen gezwungen waren, in denen aber die Regierung durchaus auch gegenüber der Opposition gesprächsbereit war, um sinnvolle und notwendige Modifizierungen vorzunehmen.

Ich darf noch etwas sagen, was erwähnenswert ist. Es ist möglicherweise nicht menschenverachtend, wie man uns das von verschiedener Seite bei Vorschlägen, die von freiheitlichen Politikern kommen, unterstellt. Was ist schon menschenverachtend daran, wenn man dafür eintritt, daß arbeitslose Ausländer zum Aufbau einer Existenz in ihren Heimatländern eine Rückkehrhilfe erhalten sollen, um sich mit den bei uns gewonnenen Erfahrungen und den entsprechenden finanziellen Mitteln in ihren Heimatländern eine neue Existenz aufzubauen?

Aber vielleicht ist es doch etwas zynisch, wenn von seiten des Bundeskanzlers in einem Interview davon gesprochen wird, daß seiner Meinung nach das Ideal der Jugend nicht in einer Beschäftigung in London oder in Hongkong läge, sondern darin, in Österreich zu leben. Das versieht er noch mit dem Nachsatz: mit einem Zweitwohnsitz am Attersee. Ich glaube, ich brauche nicht besonders zu betonen, wie schwierig es ist, sich heute einen Zweitwohnsitz am Attersee zu leisten. Wenn man das der Jugend als ihr Ideal unterstellt, dann frage ich mich, wieweit der Kanzler noch einen Bezug zum Alltag hat.

Ich möchte abschließend noch einige Worte zum EU-Gipfel sagen, der in der letzten Woche in Florenz stattfand, weil dieses Ereignis in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung der sozialen Lage in unserem Land, mit der Entwicklung der Arbeitsmarktsituation und mit all dem, was im Sozialbericht hier angeschnitten wird, steht. Vor diesem EU-Gipfel hat man von verschiedenster Seite – auch von österreichischer politischer Seite – vollmundige Erklärungen darüber gehört, daß man sich für eine Befassung mit dem Problem Arbeitslosigkeit einsetzen werde und daß man in einer gemeinsamen Aktion einer Reihe von Mitgliedsländern seitens der EU entsprechende Maßnahmen vorsehen wird, um die EU-weit noch höhere Arbeitslosigkeit endlich in den Griff zu bekommen.

Tatsächlich sind aber die Dinge ganz anders gelaufen. Es gibt anscheinend Erklärungen von österreichischen Regierungspolitikern, die für das Inland bestimmt sind, während man im Ausland durchaus entgegengesetzte Handlungen setzt. Wenn ich heutigen Pressemeldungen Glauben schenken darf, die davon sprechen, daß von österreichischer Seite überhaupt nicht einmal das Begehren geäußert wurde, sich anläßlich des EU-Gipfels mit der Frage Arbeitslosigkeit zu befassen, dann frage ich mich, ob diese Vorgangsweise, nämlich im Inland anders zu reden, als man dann im Ausland handelt, nicht schon letztendlich zum Stil dieser altkoalitionären Bundesregierung gehört.

Ich möchte nicht von "Verwirrtaktik" sprechen, aber es hatte für mich doch den Anschein, als ob man den eigenen Einfluß in den EU-Gremien seitens der österreichischen koalitionären Regierungsmitglieder überschätzt hat. Ich brauche abschließend sicherlich nicht zu betonen, daß wir dem Antrag, den Sozialbericht zur Kenntnis zu nehmen, nicht beitreten werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

12.06

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte mich zunächst in einem Punkt meinem Vorredner anschließen, nämlich daß ich es auch bedauere, daß der Herr Sozialminister unserer Debatte nicht beiwohnt. Ich möchte mich bei den Erstellern des umfassenden Sozialberichtes bedanken und auch die Thematik der Arbeitslosigkeit beleuchten.

Wir können dem Sozialbericht 1994 entnehmen, daß Österreich mit dieser Problematik im Jahre 1994 besser als vergleichbare Länder in der Europäischen Union zu Rande gekommen ist. Während die Arbeitslosigkeit im EU-Europa bei 11 Prozent gelegen ist, betrug sie in Österreich


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