Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 54

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öffentliche Hand auf Dauer nicht Unmengen mehr an Geld ausgeben kann, als wir einnehmen. Das gilt auch für die Diskussion, die wir gegenwärtig über die Finanzierung der sozialen Krankenversicherung führen.

Es ist ein zu begrüßender Tatbestand, daß die Menschen immer länger leben. Es ist ebenfalls ein zu begrüßender Tatbestand, daß der medizinische Fortschritt ständig voranschreitet, aber auch dieser medizinische Fortschritt kostet Geld. Da ich glaube, daß es wohl auch keine Fraktion gibt, die ein Interesse daran hat, daß wir im medizinischen Bereich in eine Zweiklassengesellschaft hineinkommen, nämlich daß es solche, die sich die beste medizinische Versorgung leisten können, und jene, die das nicht tun können, gibt, ist wohl die einzige denkbare Alternative, daß die Kassen, die sozialen Krankenversicherungen die Großrisiken übernehmen und der einzelne die Kleinrisiken trägt. Das heißt, hier geht es also nicht um einen Sozialabbau, sondern – im Gegenteil! – um eine Sicherstellung der sozialen und medizinischen Entwicklung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

12.15

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende ausgezeichnete Bericht des Sozialministers gibt uns in seinen ganz genau 341 Seiten detailliert Auskunft über die soziale Lage in Österreich im Jahre 1994. Dieser Bericht ist deshalb so wichtig, weil er bestehende Ungerechtigkeiten, soziale Benachteiligungen und bedauerliche Versäumnisse mit Fakten und Zahlen belegt. Ich möchte nur die augenscheinlichsten aus der Sicht einer Frauenpolitikerin herausgreifen.

Am Ende des 20. Jahrhunderts verdienen Frauen in Österreich noch immer durchschnittlich um 25 Prozent weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen in ähnlichen Positionen. Selbst bei gleicher Schulbildung verdienen Männer um rund ein Viertel mehr als Frauen.

Ich zitiere aus dem Bericht: Der Abschluß einer berufsbildenden mittleren Schule beschert Frauen Verdienstmöglichkeiten wie Männern mit Pflichtschule ohne Lehrabschluß. Die Verdienstverteilung der Maturantinnen ähnelt stark jener der Männer mit einem Lehrabschluß. Akademikerinnen verdienen etwa soviel wie Männer, die eine berufsbildende mittlere Schule absolviert haben.

Meine Damen und Herren! Diese Zahlen belegen einen skandalösen Zustand, und sie zeigen auf, wieweit wir allein von der Gleichberechtigung auf dem Arbeitsplatz entfernt sind. Frauen sind überdurchschnittlich häufig in Industriebereichen mit niedrigen Einkommen angestellt. In Industrien, in denen ein überdurchschnittlicher Bruttoverdienst ausbezahlt wird, beträgt der Frauenanteil nur 3 bis 9 Prozent. Am unteren Ende der Verdienstmöglichkeiten, in der Textil- und Bekleidungsindustrie, in der Ledererzeugung und Lederverarbeitung, beträgt der Frauenanteil jedoch 54 bis 87 Prozent. Branchen mit den höchsten Anteilen an Frauen als Arbeitskräfte finden sich am unteren Ende der Lohnhierarchie. Jede sechste Frau verdiente weniger als 8 500 S netto im Monat.

Hören Sie jetzt genau hin, meine Herren! Insgesamt – das heißt, unter Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten – verdienen, gemessen am mittleren Einkommen, Männer um 42 Prozent mehr als Frauen. Die Ungleichbehandlung der Frauen in Österreich in puncto Einkommen könnte ich noch mit einer Reihe von Zahlen aus dem Bericht zur sozialen Lage belegen.

Als Sozialpolitikerin bin ich natürlich über die österreichische Beschäftigungslage besorgt. Zwar verringerte sich von 1993 auf 1994 die Arbeitslosenquote von 6,8 auf 6,5 Prozent, aber 1994 waren 681 000 Personen zumindest einmal von der Arbeitslosigkeit betroffen. Das ist eine erschreckend hohe Zahl, die sich auch trotz eines Konjunkturaufschwunges nicht verringert hat. Seit Mitte der achtziger Jahre sind vor allem Frauen mit einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit konfrontiert. Vor allem von der ungünstigen Entwicklung in den Dienstleistungsberufen sind die Frauen betroffen.


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