Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 82

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Ein weiteres Thema – es wurde heute schon sehr viel dazu gesprochen – ist die Arbeitslosigkeit. An und für sich stellt der Bericht erfreulicherweise fest, daß in den letzten zehn Jahren eine Zunahme der Beschäftigten in Österreich um rund 300 000 zu verzeichnen ist. Dennoch ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt besorgniserregend.

Auch das Berichtsjahr 1994 kann grundsätzlich einen Zuwachs von 16 000 beschäftigten Personen aufweisen. Das ist aber zuwenig, wenn man den Zuwachs der Wohnbevölkerung gegenüberstellt. Diese hat im Jahre 1994 um 38 000 zugenommen.

Meine grundsätzliche Einstellung zum Problem der Arbeitslosigkeit ist folgende: Mir persönlich ist schon einer zuviel, der arbeiten möchte und keine Arbeit bekommt oder seine Arbeit verliert. Man muß sich einmal grundsätzlich in die Lage des betroffenen Menschen versetzen, der arbeitswillig ist, dem vielleicht erklärt wird, er wird nicht mehr gebraucht. Für diesen bricht doch eine Welt zusammen, ganz zu schweigen von finanziellen und sozialen Schwierigkeiten, die ihn und seine Familie erwarten.

Obwohl wir in Österreich im Verhältnis zur Europäischen Union mit unserer Arbeitslosenrate noch relativ günstig liegen, haben wir alles daranzusetzen, daß kein Zuwachs mehr zu verzeichnen ist. Das Wichtigste, das wir tun müssen, ist, Vollbeschäftigung wiederzugewinnen. Dazu sind aber Maßnahmen zu setzen, wobei noch zu beachten ist, daß mittel- und langfristig mit einer Zunahme des Arbeitskräfteangebotes in Österreich zu rechnen ist. Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen rechnet im Durchschnitt mit 10 000 Personen mehr pro Jahr. Dabei ist auch mit zu bedenken, daß es nach wie vor aufgrund der laufenden Strukturänderungen in der Land- und Forstwirtschaft zu einem weiteren Abwandern aus der Land- und Forstwirtschaft kommen wird, von Selbständigen und Unselbständigen. Es gilt daher vorrangig, alle Möglichkeiten zu nutzen, vorerst einmal kurzfristig wirksame Maßnahmen zu setzen, damit die Beschäftigung als solche stabilisiert und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit gestoppt wird. Mittelfristig sind Maßnahmen zu setzen, um der österreichischen Wirtschaft Impulse zu geben, damit die Beschäftigung gesteigert werden kann, damit die von mir angesprochenen zusätzlichen Arbeitskräfte auch Beschäftigung finden.

Es muß daher investiert werden in Infrastrukturmaßnahmen, in Weiterbildung, damit wir die Nase vorne haben. Ebenso ist das Exportvolumen zu steigern. Und da haben wir doch – weil heute manchmal Nachteiliges über den EU-Beitritt berichtet wurde – durch den EU-Beitritt ein beachtliches Ergebnis zustande gebracht: Das Exportvolumen ist um 8 Prozent gesteigert worden; da liegen wir über unserem Nachbarland Deutschland und weit über der Schweiz.

Im Bereich der Ausbildung gilt es, der Facharbeit eine höhere Wertschätzung zukommen zu lassen. Es muß aber auch die Arbeitsmarktverwaltung beziehungsweise das Arbeitsmarktservice den jungen Menschen helfender entgegentreten als bisher. – Dazu ein kleines Beispiel aus meinem Umfeld: Ein Lehrling aus meiner Umgebung sucht einen Lehrplatz. Trotz intensiver Bemühungen gelingt es ihm nicht, einen zu finden. Daraufhin kommt er zu mir, und ich versuche, über das Arbeitsmarktservice nachschauen zu lassen, wieviel offene Stellen in dem gewünschten Bereich vorhanden sind. In der Bezirksstelle ist mir gesagt worden: Da haben wir nichts. Als ich dann darauf hingewiesen habe, daß die EDV-Anlagen vernetzt sind, kam die Antwort: Ja, da könnten wir durchschauen. Schlußendlich hat sich gezeigt, daß in Wien 40 freie Stellen im gewünschten Bereich vorhanden sind. Diese Stellen müssen also etwas flexibler werden.

In manchen Bereichen wird es aber auch notwendig sein, daß die Arbeitnehmer etwas flexibler werden. Damit rede ich aber keiner kapazitätsorientierten Arbeitszeit das Wort. Ich meine, eine flexiblere Arbeitszeit, wenn sie notwendig ist, kann nur in Verbindung mit mehr Selbstbestimmung der Arbeitnehmer zustande kommen. Ich glaube aber auch, daß das von den Sozialpartnern erarbeitete Papier für Maßnahmen zu einer beschäftigungspolitischen Offensive eine Reihe von guten Überlegungen beinhaltet, wie diesem Problem der zunehmenden Arbeitslosigkeit entgegengetreten werden kann.


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