Bundesrat Stenographisches Protokoll 615. Sitzung / Seite 11

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Gratwanderung zwischen sinnvoller Regionalautonomie und notwendiger Kooperation auf überregionalen Ebenen.

Für die Bundesländer, Bezirke und Gemeinden unseres Landes sehe ich eine enorme Zukunftschance, wenn die vorhandenen EU-Instrumentarien optimal ausgenützt werden. Es hat keinen Sinn, über den verschärften Wettbewerb in einem größeren Markt zu jammern, dem wir uns früher oder später auch ohne EU-Beitritt hätten stellen müssen. Wenn uns auch noch eine Kooperation zwischen benachbarten Regionen unseres Staates gelingt, werden wir aus unserer Teilnahme am großen europäischen Markt enorme Vorteile schöpfen können.

Der Bundesrat als direkter Vermittler der Regionsinteressen muß sich innerhalb des dynamischen europäischen Prozesses anpassen und weiterentwickeln. In diesem Zusammenhang wäre zu überlegen, den Bundesrat verstärkt in den direkten Bezug zwischen Regionen und EU einzubinden.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Erfreulich ist, daß der Nationalrat in seiner gegenwärtigen Sitzungswoche am Dienstag im Zusammenhang mit der Novellierung seiner Geschäftsordnung beschlossen hat, die Bundesverfassung in die Richtung abzuändern, daß dem EU-Ausschuß des Bundesrates die Kompetenz zukommt, enderledigend – also in Vertretung des Bundesrates selbst – Stellungnahmen zu EU-Vorlagen beschließen zu können.

Diese kleine Korrektur stellt aber für die Arbeitsfähigkeit des Bundesrates einen großen Fortschritt dar. Der Bundesrat ist nunmehr auch in der Lage, rasch und ohne Befassung des Plenums seine politische Auffassung zu EU-Vorhaben in Stellungnahmen umzusetzen.

Gerade dabei soll der Bundesrat ein eigenes Profil entwickeln: Es geht nicht darum, parallel zum Nationalrat dieselben Vorlagen in Verhandlung zu nehmen, sondern davon abweichend Maßnahmen der Europäischen Union auf ihre Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip zu überprüfen. Der Erfolg und das Ansehen der Europäischen Union und die Weiterentwicklungsmöglichkeit der EU im Rahmen der Regierungskonferenz werden insbesondere auch davon abhängen, ob die politischen Vorgaben möglichst bürgernah gestaltet und getroffen werden. Unser klares Bekenntnis zur Europäischen Union beinhaltet die Anerkennung des Subsidiaritätsprinzips. Alle Entscheidungen sollen auf der politischen Ebene getroffen werden, die für die Entscheidung am sinnvollsten ist. Das können europäische Instanzen sein, aber auch die nationalen Parlamente – Nationalrat, Bundesrat oder Landtage –, aber auch die kommunale Ebene.

Dem Bundesrat kommt daher mit die Beurteilung zu, ob die Entscheidung auf der richtigen Ebene getroffen wird. Gegebenenfalls hat er mit Stellungnahmen darauf hinzuweisen, daß eine "untere Ebene" geeigneter erscheint.

Bei der Behandlung von EU-Vorlagen im Bundesrat ist generell die Arbeit des EU-Ausschusses sehr positiv zu bewerten. Während sich der EU-Hauptausschuß des Nationalrates mehr dem Alltagsgeschäft widmet, hat der EU-Ausschuß des Bundesrates nunmehr über ein Jahr lang die Vorbereitungen Österreichs auf die Regierungskonferenz debattiert. Ich glaube, das ist ein sehr gelungener Zugang zu einem neuen Arbeitsstil im Bundesrat.

Meine Damen und Herren! In meiner Präsidentschaft werde ich alles mögliche versuchen, um die österreichischen Positionen bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union auch im oder mit dem Bundesrat weitestgehend zu unterstützen. Dabei ist mir die Umgestaltung der EU in Richtung einer Sozialunion persönlich besonders wichtig. Aktive Arbeitsmarktpolitik für die Bürgerinnen und Bürger Europas sollte zu einer der vornehmsten Aufgaben der EU werden. Gerade hier muß zwischen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und Maßnahmen zur Hintanhaltung der Steigerung von Arbeitslosenzahlen fair gewichtet werden.

Seit geraumer Zeit – insbesondere im Zusammenhang mit der angespannten Budgetsituation – wird ein geeigneter Konsultationsmechanismus zwischen den Gebietskörperschaften gesucht, mit welchem finanzielle Belastungen durch Bundesgesetze auf Länder und Gemeinden beziehungsweise durch Landesgesetze auf den Bund und die Gemeinden verhindert werden


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