Bundesrat Stenographisches Protokoll 615. Sitzung / Seite 56

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Auf jeden Fall macht man es sich ein bißchen zu leicht, wenn man, so wie der Herr Vizekanzler im EU-Ausschuß des Bundesrates vor wenigen Tagen, die Frage der Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzipes zum Beispiel in der Frage der Ressourcen als – wie er wörtlich gesagt hat – "toten Hund" abtut. Ich verweise in diesem Zusammenhang etwa nur auf die EU-Kommissionsmitteilungen vom 4. März dieses Jahres, in denen sehr wohl von der globalen Bewirtschaftung von Einzugsgebieten, Oberflächenwasser und Grundwasser die Rede ist. Ich erinnere Sie auch an den Beschluß des Europaparlamentes, mit dem auch mit den Stimmen der Europaabgeordneten von SPÖ und ÖVP die Umleitung europäischer Wasserreserven nach Nordafrika beschlossen wurde. Und ich erinnere Sie an Artikel 130s des Beitrittsvertrages, aufgrund dessen Österreich sehr wohl zu Wasserlieferungen verpflichtet werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie können versichert sein, daß die Österreicher sehr genau beobachten werden, wie ernst Sie es mit der Vertretung ihrer Interessen in dieser und anderen Fragen nehmen. Ganz egal, wie viele Millionen Sie in die nächste EU-Propagandakampagne stecken, noch dazu aus Steuermitteln: Sie werden jetzt, nach dem Beitritt, nicht mehr an Ihren Worten, sondern an Ihren Taten gemessen werden. Ein zweites Mal werden Sie mit einer – ich zitiere den von Ihnen so hochverehrten Kommissär Fischler – solchen "Waschmittelreklame" nicht mehr durchkommen!

Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang einmal kurz zurückzublenden, um sich zu erinnern, was man denn den Österreichern vor dem Beitritt alles versprochen hat. Da hat es geheißen: mehr Arbeitsplätze, niedrigere Preise, 1000 S monatliche Ersparnis pro Haushalt, eine schöne runde Summe, hat Frau Ederer den Österreichern versprochen. Das ist eine ganz pikante Sache angesichts der Tatsache, daß heute quer durch Europa Politiker auf die Einhaltung ihrer Wahlversprechen geklagt werden, und zwar erfolgreich. – Ich fürchte, das wird eine ziemlich teure Sache für Frau Ederer werden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Hüttmayr. )

Es wird kein Ansteigen des Transitverkehrs geben, hat es geheißen. Die Beibehaltung der österreichischen Standards im Umweltschutz und im Tierschutz sind gesichert, hat man uns gesagt, und es wurde uns prophezeit, daß sich Betriebe scharenweise in Österreich ansiedeln und so Arbeitsplätze geschaffen werden. – Wie das in der Praxis aussieht, können Sie in den letzten Tagen am Beispiel Semperit verfolgen, bei dem genau das Gegenteil passiert ist. (Bundesrat Hüttmayr: Es gibt auch viele positive Beispiele!)

Wenn Ihnen dann gar nichts mehr anderes einfällt, dann kommt immer das Argument: Wenn wir nicht beigetreten wären, dann wäre alles noch viel schlimmer geworden! (Zwischenrufe der Bundesräte Bieringer und Hüttmayr. ) Das stimmt eben nicht, Herr Kollege Hüttmayr! Das zeigt, wie schlecht Sie informiert sind. Ich werde Ihnen das anhand einiger Beispiele und Fakten beweisen.

Es hat 1994 ein Land gegeben, das sich bei der Volksabstimmung entschlossen hat, der EU nicht beizutreten, nämlich Norwegen. Ich kann mich auch noch sehr gut an die hämischen und mitleidigen Kommentare erinnern. Man hat den Norwegern die wirtschaftliche Verödung und die politische Katastrophe prophezeit: Zinsen und Arbeitslosigkeit werden steigen, die Exporte und der Kurs der Krone werden dramatisch sinken, hat es ziemlich oberlehrerhaft von Ihrer Seite geheißen. Wenn Sie sich die Ergebnisse in Norwegen jetzt anschauen, können Sie feststellen, daß es sich genau umgekehrt verhält. Und die besondere Pikanterie daran ist: Norwegen erfüllt im Unterschied zu Österreich die Kriterien für die Europäische Währungsunion mühelos. (Bundesrat Hüttmayr: Dank der Ölquellen!)

Damit Sie sehen, daß das kein Einzelfall ist, Herr Kollege Hüttmayr, schauen wir uns auch noch die Situation in der Schweiz an. Auch der Schweiz hat man Düsteres vorausgesagt. Trotz ihres Neins zum EWR ist die Schweiz jedoch zum wettbewerbsfähigsten Land Europas aufgerückt, während Österreich seit 1994 von Platz sieben auf Platz dreizehn abgerutscht ist. Die Schweiz hat eine positive Leistungsbilanz, während sich das österreichische Leistungsbilanzdefizit – ich zitiere hier die Bundeswirtschaftskammer, dieser werden Sie wohl Glauben schenken und nicht annehmen, daß ich etwas erfinde – in dieser Zeit verdoppelt hat. Überdies hat die Schweiz allein


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